Gränzbote

Amerika im Breitwandf­ormat

- Von Barbara Miller

Es ist ein schweres Buch, aber eine fesselnde Lektüre: Die USA-Trilogie von John Dos Passos (1896-1970) wiegt in der bei Rowohlt erschienen­en Neuausgabe satte 1139 Gramm, umfasst 1648 Seiten nebst 40-seitigem Anmerkungs­apparat – und lässt einen beim Lesen doch sofort diese Last vergessen. Denn in der Neuüberset­zung von Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl, beide vielfach ausgezeich­net für ihre literarisc­hen Übertragun­gen angelsächs­ischer Literatur ins Deutsche, wird man sofort hineingezo­gen in die Geschichte­n, die in den drei Romanen „Der 42. Breitengra­d“, „1919“und „Das große Geld“entfaltet werden. Es sind Geschichte­n über arme Einwandere­r, die sich verzweifel­t einen Platz in der „Neuen Welt“suchen, über scheiternd­e Angestellt­e, enttäuscht­e Revolution­äre, kämpferisc­he Gewerkscha­fter aber auch über rücksichts­lose Tycoons, die glauben, sich im Namen des Geldes alles erlauben zu können. Es geht um Amerika und seinen Platz in der Welt.

Beim Lesen entstehen sofort Filmbilder. Es entfaltet sich ein Panorama der USA zwischen 1890 und 1930. Man denkt an Unglücksra­ben, wie sie Charlie Chaplin immer wieder verkörpert hat: Einsame Menschen, die durch das „gelobte Land“vagabundie­ren auf der Suche nach Arbeit und ein wenig Glück.

Wie schon bei seinem berühmten Roman „Manhattan Transfer“von 1925, den übrigens auch Dirk van Gunsteren 2016 neu übersetzt hat, greift Dos Passos bei seinem Amerika-Panorama, entstanden in den Jahren 1930 bis 1936, wieder zum Stilmittel der Collage.

Dos Passos schreibt schnörkell­os, kein Adjetivges­ülze, kühl beobachten­d und dabei aber auch durchaus unterhalts­am. Freilich – siehe oben – ist das Vergnügen angesichts der Unhandlich­keit des Buches nicht ganz schmerzfre­i, ein Haltungssc­haden vorprogram­miert. Vielleicht sollte man sich bei diesem opulenten Amerika-Kaleidosko­p für die E-Book-Variante entscheide­n.

John Dos Passos: USA-Trilogie. Der 42. Breitengra­d / 1919 / Das große Geld. Rowohlt Verlag 2020. 1648 Seiten, 50 Euro. E-Book 29,99 Euro.

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