Angst ist allgegenwärtig
Elf Geschichten aus unterschiedlichen Milieus, Schauplätzen, ja sogar Zeiten liefert Ralf Rothmann mit seinem Erzählband „Hotel der Schlaflosen“.
Was sie vereint: Sie alle verbreiten beim Lesen ein stilles Unbehagen. Denn nicht selten geht es um den Tod – die Angst davor ist allgegenwärtig.
In „Geronimo“etwa erzählt der Autor aus der Perspektive eines Kindes, das mit seinem Vater auf dem Weg zum örtlichen Spielzeugladen ist. Dabei treffen sie auf einen Unbekannten, der den Vater scheinbar grundlos mit einer Pistole bedroht. Die Sache geht glimpflich aus. Der Schrecken aber bleibt: im unnahbarem Verhalten des Vaters, den die Begegnung offenbar an seine eigene Vergangenheit erinnert. Die TitelErzählung „Hotel der Schlaflosen“ist noch weit erbarmungsloser. IchErzähler ist hier ein Henker in der Sowjetunion, der zu Zeiten Stalins massenhaft Menschen erschießen muss – und diesen Beruf mit einem bedrückenden Gleichmut ausführt.
Es ist bemerkenswert, wie Rothmann auf nur wenigen Seiten zu fesseln vermag – und das trotz der beklemmenden Schwere, die seinen Geschichten anhaftet. Das liegt nicht zuletzt an seiner präzisen Sprache, mit der er seine Figuren und ihre Welt beschreibt. Aber auch durch das, was in den Erzählungen ungesagt bleibt, ergibt sich eine ganz besondere und packende Atmosphäre.
Ralf Rothmann: Hotel der Schlaflosen. Suhrkamp Verlag Berlin, 2020. 205 Seiten, 22 Euro.