Gränzbote

Tod auf der Ostsee sollte Millionen bringen

Statt Leben im Luxus droht den Versicheru­ngsbetrüge­rn ein längerer Gefängnisa­ufenthalt

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KIEL (dpa) - Der Auftakt im mit Spannung erwarteten Kieler Prozess um einen vorgetäusc­hten Tod auf der Ostsee dauert gerade einmal 17 Minuten. Dann vertagt der Vorsitzend­e Richter Carsten Tepp am Mittwoch die Verhandlun­g im Landgerich­t. Der Grund: Das angeklagte Ehepaar schweigt sich zum Vorwurf des besonders schweren versuchten Betrugs in 14 Fällen aus.

Das Gericht hatte vergeblich auf eine Aussage gehofft. Das Verfahren gegen die 87 Jahre alte Mutter des deutschen Ehemannes (53) war noch vor dem Start aus gesundheit­lichen Gründen abgekoppel­t worden.

Laut Staatsanwa­ltschaft wollte das Trio insgesamt 4,149 Millionen Euro ergaunern. Doch der Plan ging demnach gründlich schief: Am 7. Mai 2020 blitzte der Ehering des Mannes im Schein der Taschenlam­pe eines Polizisten auf, der rund sieben Monate nach seinem Verschwind­en gefasst wurde und jetzt vor Gericht steht. Er hockte hinter Kartons auf dem Dachboden der alten Stadtvilla seiner Mutter im niedersäch­sischen Schwarmste­dt.

Die Anklagesch­rift der Kieler Staatsanwa­ltschaft kann den Fall nur lückenhaft rekonstrui­eren. Doch was die Ermittler im Laufe der Monate zusammentr­ugen, gibt Stoff für einen Krimi.

Im Sommer 2018 saßen das Ehepaar und die Mutter des Angeklagte­n demnach in Schwarmste­dt beisammen und fassten den „Tatentschl­uss“, wie Staatsanwä­ltin Lithicia Miske im Saal 232 des Landgerich­ts sagt. Sie trägt vor, dass das Trio in den folgenden Monaten 14 Risiko-, Lebens- und Unfallvers­icherungen abschloss – über jeweils mehrere Hunderttau­send Euro. In acht Fällen war die Mutter begünstigt, in den anderen sechs Fällen die Ehefrau.

Der Mann brach demnach am 7. Oktober 2019 um 16.37 Uhr abspracheg­emäß mit seinem Motorboot vom Hafen Kiel-Schilksee in Richtung Dänemark auf. Er hatte ein Quartier in Bagenkop gebucht, kam dort aber nicht an. Stattdesse­n versenkte er sein Boot „durch Manipulati­on“, indem er Wasser hinein pumpte, sagt die Staatsanwä­ltin.

Danach setzte er sich in ein motorisier­tes Schlauchbo­ot. Wo genau er an Land ging und wie er von dort nach Hamburg in sein erstes Versteck kam, ist unklar. Dort hielt er sich bis November bei einer Bekannten seiner Frau auf, danach bei seiner Mutter in Schwarmste­dt.

Drei Tage nach seinem Aufbruch am 10. Oktober 2019 – meldete die Ehefrau den 53-Jährigen wie geplant bei der Kieler Polizei als vermisst. Das Motorboot war bereits am 8. Oktober westlich des Schönberge­r Strandes gesichtet worden, am 11. Oktober wurde es geborgen. Die Schwimmwes­ten fehlten, vom Schlauchbo­ot fehlte auch jede Spur. Ermittler stellten erst später die Manipulati­onen fest.

Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft wirkte die Ehefrau in der Folge „in engem Austausch mit ihrem Mann im Rahmen des Vermissten­verfahrens gezielt darauf hin, die schriftlic­he polizeilic­he Bestätigun­g“für seinen Tod zu erlangen. Das Trio ging laut Anklage davon aus, dass für die Auszahlung der Versicheru­ngssummen eine Todeserklä­rung der Polizei ausreichte. Doch dafür brauchte es einen Amtsgerich­tsbeschlus­s, den die Ehefrau schließlic­h beantragte. Vor dem Abkassiere­n klickten dann aber die Handschell­en.

Derzeit sitzt nur der Ehemann in Untersuchu­ngshaft. Der 53-Jährige wurde am Mittwoch in Handschell­en in den Gerichtssa­al gebracht. Dort saß er oberhalb von seiner Frau, die ihre blonden Haare unter einer schwarzen Mütze und ihr Gesicht hinter einem dunklen, aufgeklapp­ten Aktendecke­l verbarg. Der Mann hatte zuletzt studiert, seine Frau ist Lehrerin.

Die 53-Jährige hat sich nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft bislang als einzige zu dem Fall eingelasse­n. Ob sich die Frau dabei aber direkt zu den Tatvorwürf­en äußerte, lassen die Staatsanwä­lte offen.

Der Prozess soll am kommenden Mittwoch fortgesetz­t werden.

 ?? FOTO: FRANK MOLTER/DPA ?? Dieser Angeklagte soll zusammen mit seiner Ehefrau und seiner 89-jährigen Mutter 14 Lebens- und Unfallvers­icherungen in Höhe von rund 4,1 Millionen Euro abgeschlos­sen haben. Um an die Versicheru­ngssummen zu kommen, soll der Mann im Oktober 2019 ein Bootsunglü­ck und seinen Tod vorgetäusc­ht haben. Jetzt begann der Prozess.
FOTO: FRANK MOLTER/DPA Dieser Angeklagte soll zusammen mit seiner Ehefrau und seiner 89-jährigen Mutter 14 Lebens- und Unfallvers­icherungen in Höhe von rund 4,1 Millionen Euro abgeschlos­sen haben. Um an die Versicheru­ngssummen zu kommen, soll der Mann im Oktober 2019 ein Bootsunglü­ck und seinen Tod vorgetäusc­ht haben. Jetzt begann der Prozess.

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