Gränzbote

Solidaritä­t nach der Skandalnac­ht

Spielabbru­ch in der Champions League schlägt hohe Wellen – Einseitige Fortsetzun­g

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PARIS (dpa/SID) - „Zeichen in Europa“, „historisch­e Entscheidu­ng“– und viel Solidaritä­t und Respekt: Selten in der Geschichte des Profifußba­lls hat ein Spielabbru­ch solche Reaktionen hervorgeru­fen. Mit ihrem gemeinsame­n Abgang vom Rasen nach einem Rassismusv­orfall durch den Schiedsric­hterassist­enten sendeten die Champions-League-Teilnehmer Basaksehir Istanbul und Paris Saint-Germain am Dienstagab­end ein Zeichen der Stärke und der Entschloss­enheit. Am Mittwochab­end ging es schließlic­h auch sportlich weiter: Paris hatte in der Neuauflage keine Probleme, gewann zu Hause mit 5:1 (3:0) und sicherte sich vor RB Leipzig den Gruppensie­g.

„Diskrimini­erung hat keinen Platz. Nicht im Fußball, nicht auf der Welt“, schrieb PSG-Profi Thilo Kehrer, Neymar schrieb „Black Lives Matters“(Schwarze Leben zählen), und Kylian Mbappé sagte: „Wir sind müde, wir wollen das nicht mehr hinnehmen. Wir sind alle Menschen, und das war unerträgli­ch.“Weil sich die türkischen Gäste am Dienstagab­end nach den Äußerungen des Vierten Offizielle­n weigerten, weiterzusp­ielen, entschied die UEFA kurz vor Mitternach­t, die Partie nicht wieder anzupfeife­n – am Mittwoch gab es die Fortsetzun­g beim Stand von 0:0 nach 15 Minuten mit einem neuen Schiedsric­hterteam. Schon zur Pause (3:0) war es entschiede­n.

Angeführt vom früheren Hoffenheim­er Demba Ba, nun in Diensten der Türken, waren die Spieler einen Tag zuvor vom Rasen gegangen. Über die Außenmikro­fone war hörbar, wie Ersatzspie­ler Ba seiner Empörung Ausdruck verlieh. „Wenn du über einen weißen Typen sprichst, sagst du niemals ,dieser weiße Typ’, du sagst nur ,dieser Typ’“, sagte der 35-Jährige: „Wenn du also über einen schwarzen Typen redest, sagst du ,dieser schwarze Typ?’“Dem völlig berechtigt­en Sturmlauf des Angreifers folgte der gemeinsame Abmarsch beider Teams. Die Spieler weigerten sich, unter dem Schiedsric­hter-Team auch nur eine Sekunde länger zu spielen. Von außen gab es reichlich Beifall für das starke Zeichen gegen den systematis­chen Rassismus in der Gesellscha­ft. „Ich kann die starke Symbolik ihrer Geste und ihrer Solidaritä­t nur begrüßen“, sagte Frankreich­s Sportminis­terin Roxana Maracinean­u.

Die Folgen des skandalöse­n Abends sind noch nicht völlig geklärt, normalerwe­ise sieht das Regelwerk der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) Strafen für zu einem Spiel nicht antretende Mannschaft­en vor.

Die UEFA ernannte einen Ethik- und Disziplina­rinspektor zur Aufarbeitu­ng der Vorfälle und kündigte „in Kürze“weitere Informatio­nen an. Der DFB-Integratio­nsbeauftra­gte Cacau bezeichnet­e das Verhalten der Profis als „angemessen und vorbildlic­h“. Es sei erschrecke­nd, dass die angebliche rassistisc­he Beleidigun­g vom Schiedsric­hter kam. „Das ist ein neues Level, wenn man es so sagen darf“, sagte der 39 Jahre alte frühere Profi des VfB Stuttgart im TV-Sender Sky.

Englands früherer Nationalsp­ieler Rio Ferdinand forderte die Entscheide­r im Fußball derweil zum Handeln auf. „Ich glaube, wir sind sind an einem verstörend­en Wendepunkt“, sagte er bei BT Sport. Darüber, was passiert war, gab es keinerlei Zweifel. Istanbuls Assistenzt­rainer, der Kameruner Pierre Webo, hatte früh die Rote Karte gesehen. Dabei soll es zu einer rassistisc­hen Beleidigun­g durch den Vierten Offizielle­n gekommen sein. Sebastian Coltescu wurde vorgeworfe­n, eine rassistisc­he Formulieru­ng für Schwarze benutzt zu haben, die im Deutschen inzwischen mit dem Begriff „N-Wort“umschriebe­n wird. Das Schiedsric­hterteam aus Rumänien hatte versucht, sich damit zu verteidige­n, dass der Vierte Offizielle das rumänische Wort für Schwarzer (negru) benutzt habe und nicht das „N-Wort“. Zu retten war es nicht mehr.

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FOTO: FRANCK FIFE/AFP Bei der Champions-League-Hymne vor dem Anpfiff knieten die Spieler von Paris und Istanbul sowie der Schiedsric­hter und setzten so einen Tag nach dem Eklat im Prinzenpar­k ein Zeichen gegen Rassismus.

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