Zwei Partner, zwei Meinungen
Ende des Abschiebestopps nach Syrien entzweit Koalition aus Grünen und CDU
STUTTGART - Der seit 2012 bestehende Abschiebestopp für Syrien läuft zum Jahresende aus. Bei den Beratungen der Innenminister von Bund und Ländern konnten sich die Vertreter der CDU-geführten Länder nach dpa-Informationen durchsetzen. In der baden-württembergischen grünschwarzen Koalition hatte die Ankündigung von Innenminister Thomas Strobl (CDU), bei der Innenministerkonferenz den Abschiebestopp nach Syrien nicht verlängern zu wollen, für Zank gesorgt. Die Grünen werfen dem Innenminister vor, er orientiere sich an „gefühlten Wahrheiten“. Die CDU wiederum kontert, sie mache „bei diesem Frühstart in den Wahlkampf nicht mit“.
Das Auswärtige Amt war in seinem Lagebericht vom Mai zu dem Schluss gekommen, dass in Syrien weiterhin ein hohes Risiko besteht, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden. Geht es nach den Grünen im Land, hätte der Abschiebestopp deshalb bleiben sollen. „Wir Grüne lehnen Abschiebungen in Kriegsund Krisengebiete ab. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts für Syrien zeigt, dass die Lage dort weiterhin dramatisch ist“, sagt Grünen-Landeschef Hildenbrand. „Aus humanitären Gründen lässt es sich nicht verantworten, dass der Abschiebestopp aufgehoben wird.“Seine Parteikollegen Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Daniel Lede Abal, migrationspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, hatten Innenminister Strobl in einem Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, dazu aufgefordert, bei der Konferenz mit seinen Landeskollegen für eine Verlängerung des Abschiebestopps zu stimmen.
„In Syrien gibt es keine sicheren Gebiete – auch da nicht, wo Kampfhandlungen nachgelassen haben. Ein skrupelloser Diktator duldet Folter und Tötungen. Zudem drohen Rückkehrern erhebliche Gefahren“, so Sckerl und Lede Abal. „Hinzu kommt: Kein Land in der EU schiebt nach Syrien ab – warum sollte es Deutschland tun, wenn nicht einmal diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern bestehen?“Es handle sich hier um eine rein populistische Debatte auf Kosten vieler Tausender syrischer Geflüchteter im Land, die als Opfer von Verfolgung und Kriegsverbrechen nach Deutschland gekommen sind. „Herr Strobl mag sich an gefühlten Wahrheiten orientieren – wir orientieren uns an dem unveränderten Lagebericht des Auswärtigen Amts“, heißt es von den Grünen.
Der kritisierte Innenminister Strobl sieht das anders. Er verweist auf den Messerangriff in Dresden im Oktober dieses Jahres. „Der mutmaßliche Mörder, Abdullah Al H., war als Gefährder eingestuft, sein Flüchtlingsstatus war aberkannt und er war formal aus Deutschland ausgewiesen – und wegen des Abschiebestopps konnte er nicht nach Syrien abgeschoben werden.“Wenn das Abschiebungsverbot nicht bestehen würde, könne man gefährliche Menschen abschieben, sagt Strobl. „Das wäre ein klarer Sicherheitsgewinn für unser Land.“
Deutschlandweit werden mehr als 600 Personen von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuft. Rund 90 davon haben die syrische Staatsbürgerschaft. Strobl plädiert deshalb für eine differenzierte
Betrachtung. „Wenn es in Syrien vergleichsweise sichere Gebiete gibt, sollten wir zumindest Gefährder und Straftäter, die schwere und schwerste Straftaten begangen haben, nach Syrien zurückbringen können“, sagt er. Die weit überwiegende Mehrheit der Schutzsuchenden in Deutschland halte sich an unsere Regeln und bemühe sich ernsthaft, Teil der Gesellschaft zu sein. „Gerade diesen ehrlichen und aufrichtigen Schutzsuchenden sind wir es schuldig, konsequent einzuschreiten, wenn Einzelne das Gastrecht in unserem Land massiv missachten.“
Die baden-württembergische CDU stellt sich ganz auf die StroblLinie. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke, sagt: „Ich dachte eigentlich, dass inzwischen auch die Grünen zu der Einsicht gelangt sind, dass ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder konsequent abgeschoben werden müssen. Wer unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, darf nicht bleiben.“
Bereits am Anfang der Woche hatten einige Aussagen der GrünenLandesspitze Wellen geschlagen. Die CDU sei den Grünen in Sachen Klimaschutz ein „Klotz am Bein“, sagte Oliver Hildenbrand. Co-Vorsitzende Sandra Detzer hatte außerdem erklärt, ihre Partei bevorzuge eine Koalition mit der SPD. Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) schien seine Parteikollegen daraufhin zurückpfeifen zu wollen. Grüne und CDU hätten sich in den vergangenen fünf Jahren zusammengerauft und fast den ganzen Koalitionsvertrag abgearbeitet. „Ich kann mich in keinster Weise beschweren“, sagte er. „Kleinere Nickligkeiten“seien normal, er beabsichtige jedoch keinen Lagerwahlkampf zu führen.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart erklärte zu den Aussagen des Koalitionspartners, er nehme die Störgeräusche wahr, nehme sie allerdings nicht zu ernst. „Wenn ein Parteipolitiker meint, er müsse sich im Vorfeld eines Parteitages profilieren, dann ist das sein gutes Recht.“