Zwischen Enttäuschung und Freude
Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Donauabstau bewegt Tuttlingen – Guido Wolf: „Habe Verfahren von Anfang an als sehr missglückt gehalten“
TUTTLINGEN - Die Donau darf nicht mehr voll aufgestaut werden: Das hat das Verwaltungsgericht Freiburg am Dienstag entschieden (wir haben berichtet). In Tuttlingen wird diese Entscheidung unterschiedlich aufgenommen: Während die einen enttäuscht und erstaunt darüber sind, dass sich das Gericht zugleich gegen eine Berufung und den Weg in die zweite Instanz ausspricht, begrüßen andere das Urteil umso mehr.
Seit 2017 läuft in Tuttlingen die Abstau-Regelung: Immer, wenn das Wehr nach der Winterpause wieder hochgefahren wird, darf 25 Zentimeter weniger als im Vorjahr aufgestaut werden. Vier Jahre lang läuft das so – und ab dem kommenden April ist dann die letzte Stufe erreicht. Dann liegt der Pegel der Donau insgesamt einen Meter unter dem früheren.
Dagegen hatte die Stadt Tuttlingen geklagt und sich für den dauerhaften Vollaufstau ausgesprochen. Unterstützung erhielt sie von der Initiative Erhaltenswehrt, die rund 9000 Unterschriften von Bürgern gesammelt hatte.
Zum Freiburger Urteil wollte die Rathausspitze am Donnerstag nicht viel sagen. „Natürlich wäre uns eine andere Entscheidung lieber gewesen. Nun aber warten wir erst einmal die Begründung des Urteils ab und werden über das weitere Vorgehen beraten“, ließ Oberbürgermeister Michael Beck über seinen Pressesprecher ausrichten. Zudem sei ein gemeinsamer Termin mit dem Landratsamt vereinbart.
Zur Erinnerung: Das Gericht hatte am Mittwochvormittag nur die Entscheidung bekannt gegeben – nicht aber die Begründung dafür. Diese wird erst Mitte/Ende Januar veröffentlicht. Was das Verwaltungsgericht allerdings bereits tat, war, eine Berufung in die zweite Instanz – zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim – auszuschließen. Selbst wenn die Stadt Tuttlingen also vorhätte, gegen das Urteil Berufung einzulegen, müsste sie zuerst gegen diese NichtZulassung klagen.
Die Nicht-Zulassung ist es auch, die Thomas Kienzle und Thomas Kattler von der Initiative Erhaltenswehrt besonders enttäuscht und auch erstaunt. „Das finde ich in der ersten Instanz sehr ungewöhnlich“, sagt Kienzle, der in den 1990er-Jahren selbst zehn Jahre lang als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Freiburg tätig war. Kattler betont, dass er es nicht für möglich halte, das komplexe Thema nur in der ersten Instanz abzuwickeln. Auch wenn die Verhandlung am Dienstag mit fünf Stunden länger dauerte, als von den Beteiligten erwartet: „Die ganze Bandbreite an Argumentationen ist nicht ausgefüllt“, findet Kattler.
Die Entscheidung selbst habe allerdings weder ihn noch Thomas Kienzle überrascht. „Die Hoffnung ist schon geschwunden, als der Eilbeschluss abgelehnt worden ist“, sagt Kienzle. Damals hatte die Stadtverwaltung versucht zu erwirken, dass die Donau zumindest bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts voll aufgestaut werden dürfe. Dies wurde allerdings nicht gestattet.
Eine Empfehlung, was die Stadtverwaltung in den Augen von „Erhaltenswehrt“nun tun sollte, möchte Kattler nicht aussprechen. „Wir müssen zuerst wissen, was die Grundlagen für die Entscheidung des Gerichts sind“, sagt er.
Das Landratsamt Tuttlingen fühlt sich durch die Freiburger Entscheidung bestärkt. „Das Urteil bestätigt unsere Entscheidung. Wir sind immer davon ausgegangen, dass diese rechtmäßig ist“, teilt Stefan Helbig, Erster Landesbeamter des Landkreises schriftlich mit.
Froh ist auch der Ortsverband Tuttlingen des BUND – eine Organisation, die schon immer für den Abstau der Donau plädiert hat. „Wir vom BUND begrüßen die Entscheidung“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Heidi Mattheß. Für die Wasserqualität sei dies nötig und „ein Gewinn“. „Wir sehen darin auch gute Chancen für die Stadt“, spricht sie an, dass nun endlich Klarheit herrsche, in welche Richtung sich die weiteren Planungen orientieren müssten.
Viel zu schnell hätte die Stadt Tuttlingen mögliche Alternativen fallengelassen und nur noch am Vollaufstau festgehalten, so die Meinung des BUND. „Alternativen wurden gar nicht mehr verfolgt“, sagt Mattheß. Dabei gäbe es in Tuttlingen durchaus Menschen, die eine Donau mit dauerhaft niedrigem Pegel befürworten würden. Beim Tuttlinger BUND hofft man, dass die Stadtverwaltung die Entscheidung des Gerichts akzeptiert. Erneut gerichtlich vorzugehen hält Mattheß für falsch. „Das würde bedeuten, nochmals Jahre zu warten und sich wieder in der Planung zu knebeln.“
Dass es überhaupt so weit kommen musste und Gräben auch zwischen den Bürgern und dem Land aufgeworfen hat, bemängelt Guido Wolf, Landesminister für Justiz und Europaangelegenheiten, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Tuttlingen und zudem Ex-Landrat des Landkreises Tuttlingen. „Ich habe das Verfahren von Anfang an als sehr missglückt gehalten“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Schnell hätte sich abgezeichnet, auf welches Interesse das Thema bei vielen engagierten Bürgern stoße. „Es ist etwas, das die Bevölkerung sehr bewegt“, so Wolf. Doch das Land hätte es versäumt, die Menschen miteinzubeziehen, prangert der Minister an. Am geltenden Recht ließe sich wenig machen, „das ist, wie es ist.“Aber: „Mit mehr Transparenz, mit Visualisierungen, wie es aussehen könnte, hätte man von Anfang an mehr Akzeptanz bei den Bürgern erzielen können.“