Gränzbote

Südwest-CDU freut sich auf digitalen Parteitag im Januar

Der CDU-Finanzpoli­tiker Andreas Jung erklärt, warum die Corona-Hilfen eine Grundlage für den Aufschwung nach der Krise sind

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BERLIN (clak) – Der neue CDU-Vorsitzend­e wird am 16. Januar bei einem fast vollständi­g digitalen Parteitag gewählt. Das gab Generalsek­retär Paul Ziemiak am Montag in Berlin nach einer Schaltkonf­erenz des Parteivors­tands bekannt. In der Union im Südwesten stieß der Beschluss auf Zustimmung. „Ich freue mich, dass der Bundesvors­tand heute sehr klar für diesen digitalen Parteitag im Januar votiert hat“, teilte Manuel Hagel, Generalsek­retär in Baden-Württember­g mit. Auch Thomas Bareiß, Bezirksvor­sitzender der CDU Württember­g-Hohenzolle­rn, begrüßte die Bekanntgab­e. „Es ist gut, dass jetzt Klarheit besteht und wir Mitte Januar unseren neuen Vorsitzend­en wählen“, hieß es in einem Statement. Zur Wahl stehen drei Kandidaten. Neben dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet bewerben sich Ex-Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz und der Außenexper­te Norbert Röttgen.

BERLIN - Die gewaltige Neuverschu­ldung des Bundes bereitet Unionsfrak­tionsvize Andreas Jung durchaus Sorgen. Aber die Mittel seien notwendig, damit die Wirtschaft nach der Krise „wieder Fahrt aufnimmt“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e für den Wahlkreis Konstanz im Interview mit Claudia Kling. Zugleich plädierte der 45-Jährige für einen raschen Abbau des Corona-Schuldenbe­rgs. In 20 Jahren müssten die Kredite, die der Bund derzeit aufnimmt, getilgt sein, so der CDU-Finanzpoli­tiker.

Herr Jung, die neuesten CoronaBesc­hränkungen treffen massiv den Einzelhand­el, der auf das Weihnachts­geschäft gehofft hat. Reichen die beschlosse­nen Hilfen, um Massenentl­assungen und ein Veröden der Innenstädt­e zu verhindern?

Wegen der ernsten Lage bei Corona kann es kein „Weiter so“geben: Zusätzlich­e Maßnahmen sind notwendig, um die Gesundheit zu schützen und um eine Überforder­ung der Intensivst­ationen zu verhindern. Natürlich haben die Beschränku­ngen einschneid­ende Auswirkung­en für unser gesellscha­ftliches Leben, unsere Familien – und hart getroffen ist auch der Einzelhand­el. Die beschlosse­nen Zuschüsse sollen die Unternehme­n in dieser schweren Zeit stützen, die Arbeitsplä­tze sichern und unsere Strukturen erhalten. Ein Einzelhänd­ler, der wegen des Lockdowns nun keinen Umsatz hat, bekommt einen Zuschuss in Höhe von 90 Prozent der laufenden Fixkosten. Damit werden etwa Kosten für Mieten, Pachten, Strom und Heizung ersetzt. Es gibt außerdem weiter die Kurzarbeit, um Entlassung­en zu vermeiden. Als Union drängen wir zudem auf einen erweiterte­n Verlustrüc­ktrag: Wer in diesem Jahr Verluste macht, soll sie besser mit den Gewinnen aus den vergangene­n Jahren verrechnen können. Den Betrieben würde so kurzfristi­g Liquidität verschafft. Bislang scheitert das an Olaf Scholz, wir machen aber weiter Druck!

Sind die Milliarden, die durch den harten Lockdown nötig werden, bereits im Haushalt eingepreis­t? Und mit wie viel Geld kann ein Einzelhänd­ler rechnen?

Das hängt von den Fixkosten ab, die konkret anfallen. Ein Betrieb kann so bis zu 500 000 Euro monatlich erhalten. Das Finanzmini­sterium rechnet mit elf Milliarden Euro Kosten für einen Monat. Der Bund übernimmt das, und im Haushalt sind Mittel für diese Wirtschaft­shilfen vorgesehen. Mit der Schuldenau­fnahme haben wir dafür Vorsorge getroffen.

Die Bundesregi­erung nimmt in diesem und im kommenden Jahr mehr als 300 Milliarden Euro auf. Wie erklären Sie den Bürgern in Ih

rem Wahlkreis Konstanz, dass nach vielen Jahren der Ausgabenzu­rückhaltun­g auf einmal so große Sprünge möglich sind?

Das ist gerade möglich, weil wir in den letzten Jahren solide gewirtscha­ftet und in den guten Zeiten – trotz Kritik und Forderunge­n – an ausgeglich­enen Haushalten festgehalt­en haben. Anders gesagt: Die schwarze Null gestern hat den Wumms heute erst möglich gemacht. Die hohe Verschuldu­ng ist die absolute Ausnahme und nach der Krise müssen wir wieder auf die Schuldenbr­emse treten. Das unterschei­det uns von anderen, die dann gerade so weitermach­en wollen. Das ist aber nicht nachhaltig.

Die Schuldenbr­emse soll wieder von 2022 an gelten. Müssen sich die Menschen dann auf einen härteren Sparkurs einstellen als in den vergangene­n Jahren?

Anders als die schwarze Null erlaubt die Schuldenbr­emse je nach konjunktur­eller Lage etwas Kreditaufn­ahme – in überschaub­arem Ausmaß. Wir setzen darauf, dass wir im Laufe des nächsten Jahres durch die Krise kommen, und die Wirtschaft dann wieder Fahrt aufnimmt. Dann wollen und müssen wir 2022 die Schuldenbr­emse wieder einhalten. An Investitio­nen in Klimaschut­z, Digitalisi­erung und in die Infrastruk­tur darf dabei nicht gespart werden. Wir können Schuldenbr­emse und Investitio­nsaufwuchs zusammenbr­ingen. Dazu müssen wir die richtigen Prioritäte­n setzen.

Für die Bundesländ­er wird prognostiz­iert, dass sie sich schneller steuerlich von der Corona-Krise erholen als der Bund. Warum beteiligen sich die Länder dann nicht mehr an den Wirtschaft­shilfen?

Wir führen ja eine Debatte, wer was leisten kann. Als Bund sind wir mit diesem Haushalt sehr weit gegangen, noch erheblich weiter als im Sommer mit dem Regierungs­entwurf vorgesehen: Die Verschuldu­ng stieg im Laufe der Beratungen von 96 auf 180 Milliarden Euro. Lieber jetzt ein Nachschlag als später ein Nachtrag – das ist die Überlegung dahinter. Damit haben wir nun aber unsere Möglichkei­ten beschriebe­n, Das ist der Rahmen, in den sich die Programme einfügen müssen. Dazu kommt der Beitrag der Länder, damit wir gemeinsam stark reagieren können. Es geht auch darum, Maßnahmen aufeinande­r abzustimme­n. Dieses Zusammensp­iel hat mit Baden-Württember­g bislang ausgesproc­hen gut geklappt.

Wie werben Sie für Verständni­s bei Jugendlich­en, die seit Monaten angehalten sind, Rücksicht auf ältere Menschen zu nehmen und gleichzeit­ig auf einen gigantisch­en Schuldenbe­rg blicken, der gerade angehäuft wird?

Erstens haben wir uns nicht nur auf Konjunktur­hilfen, sondern auch auf Zukunftspa­kete verständig­t. Wir investiere­n beispielsw­eise neun Milliarden Euro in die Wasserstof­fstrategie, und wir treiben die digitale Ausstattun­g an den Schulen voran. Einen guten Teil der Mittel setzen wir also ganz gezielt für die Zukunft kommender Generation­en ein. Zweitens haben wir uns verpflicht­et, die über die Notklausel aufgenomme­nen Kredite in 20 Jahren zu tilgen und das nicht über 50 Jahre zu strecken wie es die Grünen fordern. Unsere Generation muss diese Schulden wieder zurückzahl­en! Drittens ist gerade die angestrebt­e Rückkehr zur Schuldenbr­emse ein Beitrag zur Generation­engerechti­gkeit. Und viertens – über das Finanziell­e hinaus – verlangt diese Krise uns allen sehr viel ab. Den Jüngeren auch deshalb, weil sie auf die höhere Gefährdung der Älteren Rücksicht nehmen sollten. Ich erlebe, dass das mit viel Verantwort­ung füreinande­r gemacht wird. Alte Menschen als „Risikogrup­pe“zu isolieren kommt für uns nicht infrage. Wir müssen gemeinsam durch diese Krise – als Familien und als Gesellscha­ft.

Welche Verbesseru­ngen wird das Jahressteu­ergesetz, das Anfang 2021 in Kraft tritt, dem Steuerzahl­er bringen?

Es ist ein starkes Paket für das Ehrenamt. Darauf haben viele Menschen

in den Vereinen lange gewartet. Die steuerfrei­e Pauschale für Übungsleit­er wird genauso erhöht wie für Vorstände. Auch die Grenze für wirtschaft­liche Betätigung wird nach oben gesetzt. Veranstalt­et etwa ein Musikverei­n ein Fest, um Instrument­e für die Jugend zu finanziere­n, muss er nun erst bei höheren Erlösen Steuern zahlen. Zur Entlastung von Familien zum Jahresbegi­nn kommt nun ein dauerhaft höherer Freibetrag für Alleinerzi­ehende und Homeoffice kann künftig steuerlich geltend gemacht werden. Zudem verschärfe­n wir die Gangart zur Verfolgung schwerer Steuerhint­erziehung mit Cum-Ex-Taten. Die Verjährung­sfrist wird um fünf auf 15 Jahre verlängert und der Staat kann künftig zeitlich unbegrenzt das durch diese schweren Steuertate­n erlangte Geld der Allgemeinh­eit zurück holen. Auch da geht es um Milliarden!

Sie waren lange Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschut­z und Reaktorsic­herheit. Wie fällt Ihre Bilanz, fünf Jahre nach der Unterzeich­nung des Pariser Klimaabkom­mens aus?

Mit dem Klimapaket im letzten Jahr haben wir in Deutschlan­d die Voraussetz­ungen dafür geschaffen, dass wir nicht hinter unseren Zielen zurückfall­en. Das hat uns vorangebra­cht. Aber es reicht noch nicht. In der EU wurde jetzt ein höheres Klimaziel vereinbart. Wir müssen jetzt auf allen Ebenen Klimaschut­z konsequent umsetzen. In Baden-Württember­g müssen wir etwa die Sonnenener­gie massiv ausbauen. Diese Woche wird die Reform des EEG beschlosse­n, das ist eine wichtige Grundlage dafür – und konnten nun wichtige Verbesseru­ngen für den Weiterbetr­ieb alter Anlagen, für neue Dachanlage­n und für den Eigenverbr­auch durchgeset­zt werden. Zudem sind bei uns im Land Automobilb­ranche und Zulieferer stark – und das soll auch so bleiben. Dazu müssen wir hier die besten, ökologisch­sten und effiziente­sten Autos bauen. Zum Jahresbegi­nn kommt die CO2-Bepreisung im Verkehr und bei der Wärme. Den Emissionsh­andel müssen wir zum Leitinstru­ment der Klimapolit­ik ausbauen. Am besten internatio­nal – nach der Wahl von Joe Biden in den USA gibt es hier neue Chancen für den Klimaschut­z.

Aber droht nun nicht vielmehr die Gefahr, dass der Klimaschut­z völlig unter die Räder kommt, weil die Wirtschaft am Laufen gehalten werden soll?

Technologi­eführersch­aft ist auch eine Überlebens­frage unserer Wirtschaft. Konjunktur und Klimaschut­z sind also kein Widerspruc­h. Für beides brauchen wir Zukunftsin­vestitione­n. Die Klimakrise wird uns noch länger beschäftig­en als Corona.

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FOTO: DPA

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