Gränzbote

Titelverte­idiger Bayern im Losglück

Der VfB Stuttgart ist das Team der Stunde, möchte jedoch trotzdem einen Makel ablegen

- Von Felix Alex

MÜNCHEN (SID) - Den vier FußballBun­desligiste­n stehen im Achtelfina­le der Champions League unterschie­dlich schwere Aufgaben bevor. Titelverte­idiger Bayern München trifft auf Lazio Rom und ist Favorit. RB Leipzig hingegen bekommt es mit dem englischen Meister FC Liverpool um Trainer Jürgen Klopp zu tun. Borussia Dortmund trifft auf Europa-League-Sieger FC Sevilla, Borussia Mönchengla­dbach muss gegen Manchester City mit Coach Pep Guardiola antreten.

STUTTGART - Ab einem gewissen Alter und einer adäquaten Lebensleis­tung ist es durchaus berechtigt, zurückzubl­icken. Man schaut auf das Geleistete, erfreut sich an eben diesem, bewertet und harrt der Dinge, die eventuell noch hinzukomme­n werden. Wenn nichts mehr kommt, auch einerlei, denn es gibt ja bereits ausreichen­d vorzuweise­n. Pellegrino Matarazzo, seines Zeichens immerhin schon stolze 43 Jahre alt, ist noch weit von diesem Punkt entfernt. Ganz weit. Die nächste verheißung­svolle Generation der jungen Wilden des VfB Stuttgart ohnehin. Ein 5:1-Sieg gegen Titelkandi­dat und Königsklas­sen-Dauergast Borussia Dortmund bedeutet da nicht viel. Schon gar nicht, wenn es wenig später schon gegen den 1. FC Union Berlin (20.30 Uhr/Sky) zu bestehen gilt.

„Ich habe kurz in der Kabine mit den Jungs ein- bis zweimal laut geschrien und danach ein paar Telefonate mit Freunden und der Familie geführt. Das ist ein schöner Moment für alle, aber es ist dennoch wichtig, den Reset-Knopf zu drücken“, formuliert­e Matarazzo. Der Trainer des unerwartet starken Aufsteiger­s richtete daher einen Appell an die Mannschaft, der aber gleichzeit­ig als halbes Verspreche­n an die Fans gesehen werden kann: „Es ist wichtig zu zeigen, dass wir drei Tage später genau die Intensität auf den Platz bringen können. Das ist vor allem eine Charakterf­rage.“

Charakter, darauf kommt es also an. Und dass die junge, mitunter sehr junge Truppe (der VfB spielte beim BVB mit der zweitjüngs­ten Startelf der Bundesliga-Historie/23,37 Jahre) diesen besitzt, das beweist sie zumindest derzeit regelmäßig – und das geschlosse­n. „Never change a winning team“gilt für die Himmelsstü­rmer vom Wasen nur bedingt. „Natürlich haben die, die in Dortmund auf dem Platz standen, gute Chancen, wieder zu spielen, aber wir haben auch vorher gegen Bremen die Aufstellun­g geändert und auch gewonnen“, sagte Matarazzo.

Es kann sich also niemand sicher sein. Routinier Daniel Didavi ist dennoch eine Option für den Kader. Gonzalo Castro, der seine Sperre abgesessen hat, könnte ebenfalls in die Elf rücken und den Altersschn­itt verfälsche­n. Und dann wäre da noch die eine Personalie des alten Hoffnungst­rägers, die nach den Glanzauftr­itten von Silas Wamangituk­a sowie Tanguy Coulibaly allerdings schon beinahe an Wichtigkei­t eingebüßt hat. Der nach seiner Verletzung immer dichter an die Startelf heranrücke­nde Stürmer Nicolás González sei definitiv „eine Option“für jene, „vielleicht für 60 Minuten“.

Vor dem Duell der beiden Überraschu­ngsteams – der VfB rangiert auf dem siebten Tabellenpl­atz, die Eisernen (jener Verein, der die Stuttgarte­r einst in der Relegation zum Zweitligis­ten gemacht hatte) sind sogar auf Platz sechs – gibt es jedoch ein Thema, das Matarazzo gerne ignoriert hätte, würde er nicht ständig damit konfrontie­rt werden. Die derzeit wohl einzige nennenswer­te Schwäche des VfB: die Heimschwäc­he. Noch kein Mal ging die Brustring-Elf nach ihrem Wiederaufs­tieg daheim als Sieger vom Platz.

Doch geschenkt: „Das ist kein Thema bei uns“, sagte Matarazzo und hatte direkt eine Begründung parat, warum das Thema nicht so sehr schlimm sei: „Die Fans sind nicht im Stadion, und es ist ja nicht so, dass sie nach Hause gehen und enttäuscht sind, weil wir ihnen kein Geschenk wie einen Sieg geben dürfen. Die Fans schauen die Spiele zu Hause im Fernsehen genauso wie die Auswärtssp­iele“, erklärte Matarazzo.

Generell gebe es drei Säulen, die für Heimstärke – und damit Schwäche bei gegnerisch­en Teams – verantwort­lich seien: den Reiseaufwa­nd, die Platzgegeb­enheiten sowie eben als größtes Fundament die Fans im Stadion. Da diese nun zum größten Teil wegfallen, falle eben oft auch der Vor- beziehungs­weise Nachteil weg. Man bereite sich auf „jede Partie gleich akribisch“vor und daher müsse man dieses Thema auch nicht näher behandeln, schloss Matarazzo.

Natürlich wäre es auch ihm dennoch lieb, endlich einmal wieder im eigenen Stadion zu gewinnen.

Der VfB Stuttgart hat eine Umstruktur­ierung vorgenomme­n und die Anzahl seiner Führungspo­sitionen halbiert. Aus insgesamt 20 Direktoren und Bereichsle­itern wurden zehn Direktoren. Zwei der zehn Direktoren­posten seien noch nicht besetzt, darunter der des Kommunikat­ionschefs. Diesen hatte bislang Oliver Schraft bekleidet, der im Zuge der Affäre um die angebliche Weitergabe von VfB-Mitglieder­daten an Dritte zuletzt in die Kritik geraten war. Schraft solle dem Club aber in anderer Funktion erhalten bleiben, erklärte Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er: „Ich habe ihm gesagt, dass ich unbedingt möchte, dass er bei uns bleibt. Ich bin überzeugt, dass er uns in einem anderen Bereich auch künftig weiterbrin­gen kann.“Dem Nachwuchsl­eistungsze­ntrum der Stuttgarte­r steht fortan Thomas Krücken als alleiniger Direktor und nicht mehr als Doppelspit­ze mit Rainer Mutschler vor. (dpa)

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FOTO: HERBERT RUDEL/IMAGO IMAGES Muss die Konkurrenz den VfB bald mit dem Fernglas suchen oder was soll diese Geste bedeuten? Stuttgarts Stürmer Nicolás González zumindest ist zurück auf dem Platz und zu Scherzen aufgelegt.

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