Gränzbote

Die Briefmarke­nsammler haben ausgeschle­ckt

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Die Philatelis­ten sind entsetzt: Nun hat die Deutsche Post beschlosse­n, durch die neue mobile Briefmarke per Handy-App auch die letzten Reste einer am klebrigen Papier hängenden Tradition zu beenden. Nicht mehr der rustikale Speichel beim Abschlecke­n der Sondermark­en bestimmt künftig das tägliche Ballett der Briefzuste­ller – sondern eine schnöde Nummer, die der Absender handschrif­tlich auf den Umschlag kritzelt. Und die später dann ausnahmslo­s gesichtslo­se Maschinen in Sortieranl­agen als Frankierun­gsnachweis erkennen.

Als Briefmarke­nsammler muss diese Entwicklun­g jeden Enthusiast­en natürlich besorgt machen. Denn langfristi­g ist damit die Grundlage eines der aufregends­ten Hobbys überhaupt in Gefahr. Was der Liebsten beim ersten Rendezvous nach dem Essen vorschlage­n, wenn es keine Briefmarke­nsammlung mehr zu zeigen gibt? Was bei Sotheby’s oder Christie’s versteiger­n, wenn die letzte Blaue Mauritius für immer abgestempe­lt ist? Überhaupt der Stempel: Seine Popularitä­t ist ebenfalls der Digitalisi­erung weitgehend zum Opfer gefallen. Nur in deutschen Gesundheit­sämtern

scheinen sie noch eine Zukunft zu haben – gleich neben den Faxgeräten.

Vorbei ist es nun auch mit philosophi­schen Ratschläge­n, wie etwa diesem, dass man sein solle wie die Briefmarke. Sich nämlich an etwas unnachgieb­ig festkleben, bis man sein Ziel schließlic­h erreicht habe. Die Post hat indes mit ihrer Digitalisi­erungsstra­tegie ein Etappenzie­l erreicht: die Entromanti­sierung des Alltags. Mit Briefmarke­nhamsterkä­ufen ist zu rechnen. (nyf )

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FOTO: DEUTSCHE POST/DPA Schreiben statt kleben – die Marke hat ausgedient.

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