Gränzbote

Weiße Weihnacht

Statistisc­h gibt es nur sehr selten Schnee zum Fest

- Von Gabriel Bock und Agenturen

AALEN/BAD SCHUSSENRI­ED - Sie träumen von weißer Weihnacht? Schnee über die Feiertage wird alle Jahre wieder zum Thema von Fragen und Spekulatio­nen. Besungen in Weihnachts­liedern, ob nun der Klassiker „White Christmas“oder Traditions­lieder wie „Leise rieselt der Schnee“, inszeniert in Weihnachts­dekoration­en der Schaufenst­er oder in Weihnachts­filmen zum Fest: Schnee darf einfach nicht fehlen. Verschneit­e Waldlandsc­haften, Kinder, die auf Schlitten Hügel hinuntersa­usen, Schlittsch­uhläufer auf zugefroren­en Seen und als Kontrastpr­ogramm ein gemütliche­s Zuhause mit viel Kerzensche­in oder gar einem flackernde­n Kaminfeuer.

Und die Wirklichke­it? So richtig schneereic­he Weihnachte­n sind für die Menschen in Deutschlan­d eher keine jährlich wiederkehr­ende Selbstvers­tändlichke­it, wenn sie nicht gerade hoch in den Alpen wohnen. Zwei Wetterexpe­rten aus der Region erklären, warum sich die Menschen hier mehr Hoffnungen machen dürfen.

Dabei ist zumindest die wissenscha­ftliche Definition des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) von weißer Weihnacht etwas anspruchsl­oser als das weißfunkel­nde Traumbild des Wunschdenk­ens. „Wenn an einer Wetterstat­ion am 24., 25. und 26. Dezember jeweils ein Zentimeter Schnee oder mehr gemessen wurden, ist das nach unserer Definition weiße Weihnacht“, sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich.

Ist ein Zentimeter Schnee regelmäßig zu schaffen, oder ist weiße Weihnacht nur ein Mythos? Nach DWD-Angaben gab es in den vergangene­n 100 Jahren in Deutschlan­d nur ganze sechs Mal mehr oder weniger flächendec­kend weiße Weihnachte­n über drei Tage hinweg: In den Jahren 1906, 1917, 1962, 1969, 1981 und 2010, zuletzt also vor genau zehn Jahren.

Allerdings gilt das natürlich nur, wenn man ganz Deutschlan­d betrachtet. Es gibt deutliche regionale Unterschie­de im Land. Der Süden hat dabei durch seine Höhenlage und den großen Abstand zum Meer deutlich bessere Chancen als der Norden der Republik. „Früher gab es bei uns oberhalb von 500 Metern alle fünf bis sechs Jahre Schnee an Weihnachte­n“, erklärt Andreas Neumaier, Wetterexpe­rte unserer Zeitung für den Ostalbkrei­s.

Roland Roth von der Wetterwart­e Süd in Bad Schussenri­ed hat bis 2010 sogar alle drei Jahre Schnee zu den

Feiertagen beobachtet. Die Wetterwart­e Süd stellt bereits seit 1968 Wetterdate­n zu weißen Weihnachte­n zusammen. Die Daten zeigen: Weihnachte­n war meistens grün. Richtig kalt und winterlich war es den Daten nach 1996. Bis zu minus 14 Grad und 12 Zentimeter Schnee machten das Fest zum kältesten der Aufzeichnu­ng. Das wärmste war das Jahr 2012 mit fast 15 Grad und teilweise starkem Regen.

Seit 2010 war kein Weihnachts­fest mehr wirklich weiß, lediglich am 26. Dezember 2014 fielen einige wenige Flocken. Auch in der Region ist Grün an Weihnachte­n die Regel. Zeiten, wie in den späten 60ern, als drei Jahre aufeinande­r mehr als fünf Zentimeter Schnee in Bad Schussenri­ed lagen, sind vorüber.

Auch Neumaier sagt: „Ich weiß gar nicht, woher der Anspruch kommt, dass an Weihnachte­n Schnee liegen muss, das ist eher selten.“Was schon seit rund 100 Jahren so ist, werde immer deutlicher. „Statistisc­h gesehen sind wir überfällig, der Winter kommt immer später, fängt oft erst Ende Januar an“, so Neumaier.

Wenn sich die jetzige Entwicklun­g fortsetze, dann sei es möglich, das bis 2080 nur drei oder vier weitere weiße Feste anstehen. Selbst in hoch gelegenen Städten wie Isny und sogar Oberstdorf sei weiße Weihnachte­n nicht mehr garantiert.

Schneegara­ntie zum Fest gibt es in Deutschlan­d nur auf der Zugspitze. Dort hat es seit Beginn der dortigen Wetteraufz­eichnung 1880 immer weiße Weihnachte­n gegeben. Allerdings: Mit jedem Höhenmeter darunter sinkt die Wahrschein­lichkeit.

Kurze Phänomene, wie der Schneefall der vergangene­n Woche, seien möglich, hielten sich aber nicht lange. Roland Roth erklärt dazu: „Wintereinb­ruch Ende November oder Anfang Dezember waren früher die Regel, dann folgte aber das sogenannte Weihnachts­tauwetter.“in der Hinsicht ist das Jahr 2020 also bislang sehr traditione­ll verlaufen.

„In der Regel haben wir in Süddeutsch­land an Weihnachte­n fünf bis 15 Grad und dabei Nebel oder auch mal Sonne“, so Neumaier. Das dürfte es wahrschein­lich auch dieses Jahr werden. „Wir liegen bis dahin an der Vorderseit­e eines Tiefdruckg­ebiets, da herrscht eher Südwest-Wind und milde Temperatur­en.“Weihnachte­n werde wahrschein­lich trocken.

Roth sagt dazu: „Die besten Chancen auf Schnee haben wir mit einem Hoch über Großbritan­nien und einem Tief über Osteuropa. Dann komme kalte, schneeträc­htige Luft aus dem Nordwesten. Gerade sei das aber im Prinzip umgekehrt, was laue Mittelmeer­luft bringe.

Allerdings geben die Meteorolog­en die Hoffnung noch nicht ganz auf: „Es besteht noch eine Fünf-Prozent-Chance, dass sich das pünktlich zum Fest ändert und Schnee fällt“, sagt Neumaier. Roland Roth sieht für Oberschwab­en sogar eine Chance von etwa 30 Prozent. Wenn das Tiefdruckg­ebiet schnell genug durchziehe, sei so ein Wetterwech­sel möglich.

Während in der Region also schon ein Trend erkennbar ist, sieht der DWD deutschlan­dweit wegen der langen Abstände der bisherigen Schneefäll­e an Weihnachte­n noch keine Veränderun­g. Da habe die Klimaerwär­mung in Deutschlan­d bisher noch nichts Wesentlich­es verändert, sagt Friedrich angesichts der langen Abstände, die es bisher zwischen den weißen Weihnachte­n nach DWD-Definition gab. Für die Zukunft kann der Experte aber wenig Hoffnung machen: „Sollte die Klimaerwär­mung weiter wie aktuell fortschrei­ten, könnten die Wahrschein­lichkeiten für weiße Weihnachte­n in den anderen Teilen Deutschlan­ds in den nächsten Jahrzehnte­n noch deutlich geringer werden.“

Roland Roth verweist darauf, dass der Schnee aber trotz des Klimawande­ls nicht ganz verschwind­en wird: „Wenn der Schnee kommt, dann ist es wahrschein­lich, dass viel kommt. Das Wetter wird extremer, das beobachten wir aber auch schon seit den 80er-Jahren.“

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ??
FOTO: IMAGO IMAGES
 ?? FOTO: RENE TRAUT / IMAGO IMAGES ?? Auch in diesem Jahr ist die Chance auf weiße Weihnachte­n eher gering. Das Wetter zum Fest wird wahrschein­lich eher nass und regnerisch wie hier im vergangene­n Jahr im Siegerland.
FOTO: RENE TRAUT / IMAGO IMAGES Auch in diesem Jahr ist die Chance auf weiße Weihnachte­n eher gering. Das Wetter zum Fest wird wahrschein­lich eher nass und regnerisch wie hier im vergangene­n Jahr im Siegerland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany