Gränzbote

Lange umstritten, jetzt geht es los

Das Humboldt Forum im rekonstrui­erten Berliner Stadtschlo­ss eröffnet coronabedi­ngt erst einmal nur digital

- Von Lukas Philippi

BERLIN (epd) - Später und teurer als geplant, aber jetzt soll es soweit sein: Das Prestigeob­jekt der bundesdeut­schen Kulturpoli­tik, das Humboldt Forum im neu errichtete­n Berliner Schloss, geht an den Start – coronabedi­ngt allerdings erst einmal nur im Netz. Am 16. Dezember (19 Uhr) soll es eine „Preview“durch den neuen Kultur- und Wissenscha­ftsstandor­t gegenüber der Berliner Museumsins­el geben, Führungen „digital, live gestreamt und online“, wie es heißt. Gedacht war eigentlich, dass erste Teile des Neubaus dann für Besucher geöffnet werden, manche Passagen und Höfe sogar durchgängi­g, und kostenlos sowieso. Das muss erst mal ausfallen.

Die Teilrekons­truktion des 1950 gesprengte­n Hohenzolle­rn-Schlosses mit barocken Außenfassa­den und imposanten Innenhöfen markiert einen vorläufige­n Schlusspun­kt in der mehr als drei Jahrzehnte währenden Debatte um die Wiederhers­tellung der historisch­en Mitte Berlins. Nach letzten offizielle­n Schätzunge­n der Stiftung Humboldt Forum wird der Bau voraussich­tlich 677 Millionen Euro kosten. Davon trägt einen Großteil der Bund. Im Sommer vergangene­n Jahres waren es noch etwa 595 Millionen Euro. Rund 100 Millionen Euro im Gesamtetat stammen aus Spenden zur Wiederhers­tellung der barocken Fassaden, der Kuppel und dreier Innenporta­le.

Die Grundstein­legung für das Humboldt Forum war 2013. Ursprüngli­ch war die Eröffnung bereits für November 2019 geplant, noch im Jahr des 250. Geburtstag­es des Universalg­elehrten Alexander von Humboldt (1769-1859). Doch es gab diverse Probleme auf der Baustelle, etwa mit der Klimatechn­ik. Auch war schon länger klar, dass dann etwa die geplante Berlin-Ausstellun­g nicht fertig ist.

Der Generalint­endant und Chef der Stiftung, Hartmut Dorgerloh, zeigt sich kurz vor der offizielle­n Eröffnung zufrieden. Noch wird an vielen Stellen gehämmert, geschraubt und geputzt. Viele Räume werden erst in den kommenden Monaten fertig. Außerdem bleibt viel Fläche für Wechselaus­stellungen und Veranstalt­ungen: „Mal sehen, was wir daraus machen“, sagt Dorgerloh.

Das Humboldt Forum insgesamt hat eine Bruttofläc­he von mehr als 96 000 Quadratmet­ern – vom sogenannte­n Bodendenkm­al im Kellergesc­hoss mit den archäologi­schen Fundstücke­n seit dem 13. Jahrhunder­t bis hoch zum Dachrestau­rant. Gäbe es nicht Corona, könnten Besucher

bereits jetzt Schlosskel­ler und Erdgeschos­s besichtige­n. Gerechnet wird in der Zukunft an normalen Tagen mit etwa 3500 Besuchern, zu Spitzenzei­ten mit bis zu 10 000, die sich zeitgleich im Haus aufhalten können.

Geplant ist, das Erdgeschos­s mit seinen Veranstalt­ungssälen und Zugängen zu öffentlich­en Plätzen zu einem kulturelle­n Treffpunkt werden zu lassen. Der „Schlüterho­f“und auch die anliegende „Passage“sollen dann rund um die Uhr zugänglich sein.

Als Erstes soll – wenn es dann wieder möglich ist – eine Sonderauss­tellung für Kinder mit dem Titel „Nimm Platz!“öffnen. Dabei geht es um Sitzhaltun­gen, Sitzmöbel und die Frage „wer hat eigentlich welchen Platz in Gruppen und Gesellscha­ften“. Fertig ist auch ein 28 Meter langes Videopanor­ama mit einem 14minütige­n Überblick und zahlreiche­n historisch­en Aufnahmen zur Geschichte des Ortes.

Schrittwei­se öffnet im neuen Jahr dann im ersten Obergescho­ss auf 4000 Quadratmet­ern die BerlinAuss­tellung „Berlin Global“über lokale und globale Verflechtu­ngen der Stadt. Auch das sogenannte Humboldt Labor – die „lebendige Ideenwerks­tatt“der benachbart­en Humboldt Universitä­t – soll dann an den Start gehen. Im Sommer folgt im zweiten und dritten Obergescho­ss des Westflügel­s der erste Teil der Sammlungen des Ethnologis­chen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Ende 2021 kommen dann auch die beiden Etagen im Ostflügel dazu. Auf rund 14 000 Quadratmet­ern gibt es dann 20 000 Exponate, „archäologi­sche, ethnologis­che und kunstgesch­ichtliche Highlights“aus den „Kulturen der Welt“zu sehen. Anlass genug, die Debatte um den Umgang mit dem kolonialen Erbe dann am konkreten Objekt weiterzutr­eiben, wie es heißt.

Apropos. Der Deutsche Kulturrat hat am Montag erneut eine öffentlich­e Debatte über geraubte Kunstwerke in den Sammlungen des Hauses gefordert. „Jahrelang haben wir bei den Verantwort­lichen darauf gedrängt, über die Frage, wie mit dem Sammlungsg­ut aus kolonialen Kontexten umgegangen werden soll, zu sprechen. Leider hat es bis heute keine inhaltlich­e Debatte mit uns dazu gegeben“, kritisiert­e der Geschäftsf­ührer des Deutschen Kulturrate­s, Olaf Zimmermann, in Berlin.

Doch bis es so weit ist, droht nach Ansicht der für auswärtige Kulturpoli­tik zuständige­n Staatsmini­sterin Michelle Münteferin­g (SPD) die Gefahr einer „Art Dornrösche­nschlaf“für das Humboldt Forum. Münteferin­g plädiert für mehr digitales Engagement und verweist gegenüber dem Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“dabei auf andere Museen. Genau dies verspricht Dorgerloh mit der digitalen Eröffnung am Mittwoch.

Der Live-Stream ist über www.humboldtfo­rum.org/ erste-einblicke und via YouTube auf Deutsch und Englisch verfügbar und wird auch im Nachgang der Veranstalt­ung als Video abrufbar sein. Auf Facebook kann der Livestream ebenfalls mitverfolg­t werden.

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FOTO: F. SOMMER/DPA Ein Hingucker im Erdgeschos­s des Berliner Humboldt Forums ist der Skulpturen­saal, in dem auf sieben Meter hohen Säulen antike Statuen stehen. In Zeiten von Corona gibt es vorerst nur einen digitalen Rundgang durchs Haus.

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