„Der faule Kompromiss hilft niemandem“
Zu unserer Berichterstattung über das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zum Aufstau der Donau in Tuttlingen haben uns folgende Leserbriefe erreicht.
Gut gekämpft, Tuttlingen
Mit 10 000 Unterschriften und jahrelangem Engagement haben die Initiative Erhaltenswehrt und die Stadt Tuttlingen alles gegeben und herausragend für den Vollaufstau gekämpft. Für die Donau und das Stadtbild, das man in Tuttlingen seit Jahrhunderten kennt. Das Ergebnis betrübt uns Kämpfer alle – den Vollaufstau wird es nicht mehr geben. Doch was nun?
Unserer Meinung nach wäre es der falscheste Weg, nun den faulen Kompromiss des Teilaufstaus einzugehen. Dieser bedeutet im Sommer ein Meter niedrigeres Wasser, den Bau einer teuren Fischtreppe und trotzdem von Oktober bis April den kompletten Abstau. Bei dieser Regelung müsste man weiter viel Aufwand für das Wehrmanagement betreiben und viel Geld in die Uferanpassungen stecken. Zumal man quasi alles auf zwei Wasserpegel optimieren müsste. Tuttlingen hätte nichts Halbes und sowieso nichts Ganzes.
Dann bitte zuerst die Konzepte für eine Donau-Umgestaltung ohne Aufstau auf den Tisch und diesen vernünftig mit der Bürgerschaft diskutieren. Wie könnte die Donau zwischen Edeka und Groß Bruck aussehen, wenn sie fließt? Wenn man schon Geld in die Ufergestaltung investieren muss, dann bitte so, dass auch Förderungen zu holen sind. Land und EU beteiligen sich nur bei einem Vollabstau an den ohnehin notwendigen Uferanpassungen. Der faule Kompromiss hilft niemandem.
Überdies wünschen wir uns, dass sich nun alle Akteure pro und contra Vollaufstau gemeinsam über zukünftige Lösungen verständigen. Alexander Stengelin und Benjamin Bach, Tuttlingen
Sündenbock EU? Billige Ausreden!
Inhaltlich kann man lange darüber diskutieren, ob es nach dem Urteil noch Sinn macht, am Ziel des Vollaufstaus festzuhalten. Die Stadt und die Bürgerinitiative Erhaltenswehrt haben viele gut Argumente, und gerade ökologische Gründe spielen eine große Rolle. Aber was mich sehr ärgert ist, dass sich das Märchen von der weit entfernten EU-Bürokratie sogar schon in die Köpfe der Journalisten eingenistet hat. Die EU-Richtlinie lässt Spielräume für Abweichung von der Regel „Ein Fluss muss fließen“. Aus gutem Grund haben die Beamten im fernen Brüssel solche Freiräume in ihren Richtlinien gelassen, denn entgegen dem allgemeinen Irrglauben sitzen dort keine Fachidioten, sondern Teams aus verschiedenen Ländern mit hoher Sachkenntnis, die sich intern lange und ausführlich mit der Situation vor Ort auseinandersetzen. Man kann kritisieren, dass Lobbyismus manchmal eine zu hohe Rolle spielt, wie es bei der berühmten „Gurkenverordnung“war, der aus der Ecke des Gemüsehandels kam und nicht in muffigen Hinterzimmern in Brüssel ausbaldowert wurde, wie man so gern glauben möchte. Den EU-Beamten aber vorzuwerfen, sie würden sich nicht mit der Realität auskennen, ist aber einfach zu kurz gesprungen.
Beim Donauabstau in Tuttlingen war schnell klar, wer die Entscheidung treffen will: der grüne Umweltminister Untersteller hat, bevor der Sachverhalt vorgelegt worden war, klargestellt, dass es mit ihm einen weiteren Aufstau der Donau nicht geben werde. Regierungspräsidium und Landratsamt wären sogar weisungsgebunden. Es geht nicht um EU-Recht, sondern um eine politische Entscheidung aus Stuttgart. Der städtische Anwalt weiß das und wäre gerne vor den EuGH gezogen. Dort wäre klar geworden, dass ein Donauaufstau der EU-Richtlinie nicht grundsätzlich widersprechen würde. Doch leider bleibt die EU in den Köpfen nach wie vor der Sündenbock, aber das sind billige Ausreden.
Mathias Schwarz, Tuttlingen