Gränzbote

Kugeln und Strohstern­e wärmen die Seele

Weihnachts­dekor und Adventsbel­euchtung in Zeiten von Corona

- Von Andreas Öhler

BONN (KNA) - Wie hatten wir uns doch stets beklagt, wenn wir schon Ende August die ersten Lebkuchen in den Supermarkt­regalen entdeckten. Und wie nervte uns die „Jingle Bells“- Dauerbesch­allung in den Einkaufsme­ilen. Ganz zu schweigen von dem Plastiksch­rott im Santa-ClausKostü­m oder den Rentieren mit blinkendem LED-Licht als Nase!

Doch dieses Jahr ist alles anders. Immer her damit, was glitzert und strahlt! Jedes Christmas-Gedudel ist uns mittlerwei­le lieber als die ewige Litanei, dass dieses Weihnachte­n uns ganz besonders viele Verzichtsü­bungen abverlangt, etwa die Einschränk­ung unserer sozialen Begegnunge­n.

Die Kaufhäuser sind wie jedes Jahr geschmückt mit dem üblichen Weihnachts­dekor. Doch dieses Jahr hat es etwas Aufrühreri­sches – ein Zeichen gegen die Pandemie, die uns immer noch im Würgegriff hat. Die Einkaufste­mpel sind im Teil-Lockdown nur rar besucht, Besserung ist nicht in Sicht. Diejenigen, die dort einkaufen, wollen Arbeitsplä­tze sichern, halten sich nur kurz dort auf und greifen zielsicher nach dem Objekt ihrer Begierde. Schlendern mit Maske macht keinen Spaß. Wer guckt da aufs weihnachtl­iche Dekor?

Erschweren­d kommt hinzu: Adventsund Weihnachts­märkte fallen in diesem Jahr meist aus. Sie sind ein wichtiger Anziehungs­punkt für Einheimisc­he und Touristen, die dann auch in den örtlichen Geschäften ihre Weihnachts­einkäufe erledigen.

Der Umsatz im Advent ist für viele Geschäfte überlebens­wichtig. Das schon vor der Pandemie einsetzend­e Geschäftss­terben in den Innenstädt­en konnte bislang dadurch vermindert werden. Deswegen setzen viele Bürgermeis­ter nun verstärkt auf die Weihnachts­beleuchtun­g in ihren Einkaufsst­raßen. Dass die örtlichen Geschäftsv­erbände, die normalerwe­ise die Kosten in fünf- bis sechsstell­iger Höhe tragen, damit noch weiter unter finanziell­en Druck geraten, steht zu befürchten. Im bayerische­n Rosenheim übernimmt jedenfalls die Stadt schon mal die Kosten von 81 000 Euro.

Bei solch dunklen Fest-Aussichten sollen nicht auch noch düstere Straßen und Plätze diese Misere drastisch vor Augen führen.

So kommt in diesem Jahr dem Weihnachts­dekor eine wichtigere Rolle zu: als Lametta für die Seele. Der Schnicksch­nack ist nun mehr als Ambiente, er lenkt ab. Er erinnert an die beschaulic­hen Weihnachte­n, wie wir mit Familie oder Freunden zu feiern gewohnt sind. Darin steckt die Verheißung, dass wir nächstes Jahr unsere alten Gepflogenh­eiten wieder aufnehmen können. Im Ausnahmezu­stand hat es den Menschen immer geholfen, wenigstens für einige Stunden ihre alte Normalität zu simulieren.

Aber genau darin liegt auch ein Problem. Was in Kriegszeit­en oder angesichts von Naturkatas­trophen noch möglich ist, nämlich dass Menschen zusammenrü­cken in der Not, das vereitelt Corona ja gerade. Schön illuminier­te Straßen sind ein gefährlich­er Publikumsm­agnet, aus Menschenan­sammlungen werden ganz schnell Hotspots.

Soll man Weihnachte­n nun aus dem öffentlich­en Raum verbannen und in die Privaträum­e verlegen? Ob allerdings den Menschen in ihren Wohnungen im kleinen Rahmen nach Feiern zumute ist, wenn zudem die Zahl der zugelassen­en Personen begrenzt wird, ist offen. Soll man sich dennoch ein dermaßen herunterge­dimmtes Event noch besonders ausschmück­en? Oder ist hier ein trotziges „Jetzt erst recht!“angebracht, das mit gewohnten Ritualen gegen diese noch nie dagewesene Situation anfeiert?

Es mögen die Details sein, die uns Halt geben, gerade jetzt – im Gewohnten fühlt man sich in Krisenzeit­en am ehesten geborgen. Da ist es gut, auf gewisse kulinarisc­he oder kulturelle Gewissheit­en zurückgrei­fen zu können.

Eine Warnung sollte aber auch von allen Weihnachts­liebhabern beherzigt werden: Das gemeinsame Absingen von Liedern versprüht vermehrt Aerosole, bei Stoßlüftun­g empfehlen sich naturgemäß Elektroker­zen.

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Strohstern­e, Weihnachts­baumkugeln und selbst gebastelte Dekoration­en sind in Zeiten von Corona für den seelischen Haushalt wichtig.

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