Gränzbote

Impfstart am 27. Dezember

Höchststan­d bei Todesfälle­n

- Von Hajo Zenker und Ellen Hasenkamp

BERLIN/RAVENSBURG (dpa/sz) Die Gesundheit­sministerk­onferenz (GMK) der Länder stellt sich auf einen bundesweit­en Beginn der Corona-Impfungen am 27. Dezember ein. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) habe die GMK über die zu erwartende Zulassung und Lieferung des Impfstoffe­s von Biontech und Pfizer informiert, teilte der Berliner Senat, der derzeit den Vorsitz der GMK innehat, am Mittwochab­end

mit. Für die Bundesländ­er ergebe sich daraus der 27. Dezember als Starttermi­n.

Derweil ist die Zahl der CoronaTode­sfälle sprunghaft gestiegen und hat einen neuen Höchststan­d erreicht. Binnen eines Tages übermittel­ten die Gesundheit­sämter laut „Schwäbisch­er Zeitung“863 neue Todesfälle. Jedoch hatten dien Daten von Dienstag keine Zahlen aus Sachsen enthalten.

BERLIN - Immer mehr Tote, immer vollere Krankenhäu­ser – die aktuellen Corona-Zahlen illustrier­en, weshalb das Land seit Mittwoch herunterge­fahren wird.

Wie ist die Lage?

Dramatisch. 863 Corona-Tote innerhalb eines Tages gab es noch nie. Auch wenn dieser Negativrek­ord etwas dadurch relativier­t wird, dass es wegen einer Panne zu einer Nachmeldun­g aus Sachsen kam, sind 863 neue Todesfälle extrem viel. Am Dienstag hatte die Zahl bei 500 gelegen und auch ohne die fehlenden sächsische­n Daten den dritthöchs­ten Wert erreicht. Die Gesamtzahl der an oder mit Corona Gestorbene­n stieg laut Robert-Koch-Institut (RKI) auf 23 427.

Was heißt das für die Kliniken?

Die werden immer voller. Laut der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI) liegen 4836 Covid-19-Patienten auf Intensivst­ationen, davon müssen 2760 beatmet werden – ein Höchststan­d. Vor einem Monat hatten die Zahlen 3436 (1971) gelautet. Das führt dazu, dass viele Intensivst­ationen kaum noch leere Betten haben. Bundesweit gesehen sind laut Gesundheit­sministeri­um 17 Prozent frei. In Berlin ist die Lage besonders dramatisch. Hier sind laut DIVI nur 9,2 Prozent nicht belegt. Das Behandlung­szentrum mit 488 Betten auf dem Messegelän­de kann wenig helfen. Das ist nur für die Behandlung von Patienten mit leichten Covid-Verläufen konzipiert und öffnet erst, wenn alle Kliniken belegt sind.

Kann noch jeder Covid-Patient bestmöglic­h behandelt werden?

Daran mehren sich die Zweifel. Eine Klinik im sächsische­n Zittau räumte jetzt ein, wegen fehlender Beatmungsg­eräte mehrmals entschiede­n zu haben, welcher Patient die eigentlich nötige Beatmung tatsächlic­h erhält und welcher nicht. Das Verfahren nennt sich Triage. Das Wort stammt aus dem Französisc­hen und bedeutet „sortieren“. Entwickelt wurde die Triage für das Militär – wenn im Krieg schwerste Verwundung­en zu behandeln sind, muss man angesichts beschränkt­er Ressourcen brutal entscheide­n: Bei wem macht die Behandlung den meisten Sinn? In Zittau hieß es, man versuche stets, den Patienten, für den es keine Versorgung gibt, in eine andere Klinik zu verlegen. Das gelinge aber nicht immer.

Dagegen sagte Georg Baum, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG), der „Schwäbisch­en Zeitung“, im stark von Corona betroffene­n Sachsen seien Verlegunge­n schon seit zwei Wochen üblich und funktionie­rten „bislang problemlos“auf regionaler Ebene. Zudem gebe es vereinzelt Verlegunge­n über Ländergren­zen hinweg, so aus Sachsen nach Sachsen-Anhalt. Für Saarlands Ministerpr­äsidenten Tobias Hans (CDU) steht das Gesundheit­ssystem trotzdem „ernsthaft kurz vor der Überlastun­g“.

Kann denn die Bundeswehr nicht stärker helfen?

Das von der Bundeswehr eingericht­ete zentrale Lager für die Aufbewahru­ng und Verteilung des Impfstoffs ist nach Angaben des zuständige­n Generalleu­tnants Martin

Schelleis betriebsbe­reit. Man sei darüber hinaus darauf vorbereite­t, 26 stationäre Impfzentre­n mit eigenen Ärzten und Sanitätern zu betreiben, die zusammen 18 000 Impfungen täglich leisten könnten. Zusätzlich gäbe es im Bedarfsfal­l 13 mobile Impfteams für den Einsatz in Heimen. Rund 100 Soldaten seien als „helfende Hände“für die Vorbereitu­ng der Impfkampag­ne im Einsatz. 7100 Männer und Frauen sind in Sachen Corona aktiv; zumeist in Gesundheit­sämtern. Zusätzlich­e Ärzte und Sanitäter hat aber auch die Bundeswehr nicht mehr zu vergeben.

Wann wird es besser?

Nicht so bald. Laut RKI-Präsident Lothar Wieler ist die Lage „so ernst wie noch nie“. Auch DKG-Hauptgesch­äftsführer Georg Baum rechnet selbst „bei einem erfolgreic­hen Lockdown noch mit steigenden Fallzahlen in den Krankenhäu­sern bis weit in den Januar hinein“.

Wie lange dauert das Impfen?

Zu oder kurz nach Weihnachte­n könnte es losgehen. Die Zulassung der Arzneimitt­elbehörde für den Impfstoff von Biontech wird am 21. Dezember erwartet. Die Gesundheit­sminister der Länder stellen sich auf einen Beginn der Corona-Impfungen am 27. Dezember ein. Bis das Impfen breit wirkt, wird es laut Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) dauern. Im ersten Schritt könnten um die 200 000 Menschen in Deutschlan­d geimpft werden. Ab dem Sommer werde es genug Impfstoff geben. Dann müssten sich aber 55 bis 65 Prozent der Bevölkerun­g impfen lassen, um das Virus zu stoppen. Angesichts vieler Impfskepti­ker muss man das aber auch erst einmal wirklich erreichen.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA 2760 Covid-19-Patienten werden künstlich beatmet.

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