Rauferei um den Rundfunk
AfD attackiert öffentlich-rechtliche Sender – CDU hinterfragt Finanzierung
RAVENSBURG - Nach der Blockade der Erhöhung des Rundfunkbeitrags durch Sachsen-Anhalt hat sich am Mittwoch der baden-württembergische Landtag bei einer Sondersitzung mit der Thematik auseinandergesetzt. Dabei befürwortete die CDUFraktion die Erhöhung, regte aber eine Diskussion über die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an.
Eigentlich sollte der Rundfunkbeitrag schon ab dem Jahreswechsel mehr Geld in die Kassen von ARD, ZDF und Deutschlandradio spülen. Pro Haushalt 86 Cent mehr im Monat hätten es sein sollen, insgesamt geht es um zusätzliche 1,5 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Doch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte den Gesetzentwurf dafür gestoppt. Die bundesweite Beitragserhöhung ist damit vorerst hinfällig – mit weitreichenden Folgen auch für den Südwestrundfunk (SWR) und den Bayerischen Rundfunk (BR).
Auf Antrag der AfD-Fraktion wurde der Streit am Mittwoch im Rahmen einer Aktuellen Debatte auch in den baden-württembergischen Landtag getragen. Rainer Podeswa, Landtagsabgeordneter der AfD, nutzte seine Rede, um den öffentlichrechtlichen Rundfunk zu attackieren: „Wir haben die teuersten Rundfunkanstalten der Welt. Dass es jetzt Empörung auf allen Kanälen gibt und gar das Ende des Rundfunkfreiheitsrechtes ausgerufen wird, ist demaskierend“, sagte er. Es zeige die „unverfrorene Gier und Scheinheiligkeit“des gesamten Apparats.
Die Redner von Grüne, CDU, SPD und FDP/DVP widersprachen Podeswas Aussagen und kritisierten die Blockade der Beitragserhöhung in Sachsen-Anhalt. „Beim SWR gab es in den vergangenen Jahren schon genug Einsparungen“, sagte Alexander Salomon (Grüne), der auch Mitglied des SWR-Rundfunkrats ist. „Dabei brauchen wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk – gerade in diesen Zeiten.“Das Parlament habe sich noch vor wenigen Wochen mit großer Mehrheit für die Beitragserhöhung ausgesprochen.
Raimund Haser, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, wies darauf hin, dass der Finanzbedarf der Sender von einer unabhängigen Finanzkommission, der KEF, ermittelt wurde. Bei dieser müssen die Sender anmelden, wie viel Geld sie benötigen. Drei Milliarden Euro mehr wollten sie für die Beitragsperiode
2021 bis 2024 eigentlich haben. „1,5 Milliarden Euro dieser Mehrbedarfsanmeldung hat die KEF der ARD, dem ZDF und dem Deutschlandradio zusammengestrichen“, sagte Haser. In dem Bericht der Kommission wird detailliert aufgeschlüsselt, wie viel Geld die Sender brauchen – zum Beispiel beim Personal. „Diese Erhöhung ist also genau berechnet. Sie sollte und sie darf deshalb nicht Gegenstand politischer Ränkespiele sein“, sagte der Abgeordnete.
Die CDU stehe hinter der Entscheidung der KEF und das werde auch so bleiben, erklärte Haser weiter. Er nahm dabei auch Bezug auf ein Papier der Bundes-CDU, nach dem ARD, ZDF und Deutschlandradio radikal umgestaltet werden sollen. Wie der „Spiegel“berichtete, gehe das aus Vorschlägen des „Bundesfachausschusses Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern“hervor, der das Wahlkampfprogramm der Bundes-CDU für das nächste Jahr vorbereite. „Langfristig sollten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schrittweise privatisiert werden“, zitiert der „Spiegel“aus dem Papier vom Dienstag. Laut Raimund Haser ist das aber nicht mehr als eine Idee: „Das Papier ist ein Diskussionsbeitrag eines Mitglieds und damit unbedeutend für die Positionierung der CDU“, sagte der Politiker der „Schwäbischen Zeitung“.
Auftrag und Struktur der Rundfunkanstalten dürfen laut Haser durchaus kritisch betrachtet werden: „Die Politik kann hinterfragen, wie viele Sender überhaupt gebraucht werden oder ob auf nicht überlebensfähige Sender verzichtet werden kann.“Allerdings dürfe die Geldfrage nicht mit den inhaltlichen Debatten vermengt werden.
In seiner Rede vor dem Landtag regte der CDU-Politiker zudem an, den Rundfunkbeitrag in eine Art Medienfonds umzuwandeln. „Sind es tatsächlich nur die Öffentlich-Rechtlichen, die Basis unserer pluralistischen Gesellschaft sind, oder sind es nicht auch Radios, Zeitungen, andere Medien?“Wenn dem so sei, so Haser weiter, könne man den Medienbeitrag in seinen Verwendungsmöglichkeiten auch weiter fassen, als es heute der Fall ist.
Für Ulrich Hägele, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen, ist ein solches Modell eine mögliche Lösung, um qualitativ hochwertigen Journalismus auch zukünftig zu gewährleisten. „Eine Medienabgabe könnte die Zukunft unserer Pressefreiheit sein. Denn es ist fraglich, ob wir in 20 Jahren hierzulande noch so viele Zeitungen, Radios oder andere Medien haben“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Jedoch findet auch Hägele, es sei töricht in der gegenwärtigen Debatte, inhaltliche Kritik mit dem Thema der Finanzierung zu verbinden: „Natürlich gibt es in den Rundfunkanstalten auch verkrustete Strukturen – aber die gibt es in vielen Unternehmen.“Im internationalen Vergleich stehe der öffentlich-rechtliche Rundfunk gut da. „Wenn wir uns das nicht mehr leisten wollen, wird es einen wirklichen Qualitätsverlust geben“, so die Einschätzung des Wissenschaftlers.
Für die Sender bedeutet der Stopp aus Sachsen-Anhalt vorerst starke finanzielle Verluste. Laut Raimund Haser fehlen dem SWR ohne die Beitragserhöhung monatlich drei Millionen Euro. „Natürlich werden wir manche Dinge nicht mehr tun können. Das wird man dem Programm auch anmerken“, erklärt eine Sprecherin des Senders auf Anfrage. „Aber wir setzen nicht den Rasenmäher an, sondern prüfen, was die Situation für das Programm und unsere Projekte im Einzelfall bedeutet.“
Ähnlich sieht es in Bayern aus. „Der BR spart bereits seit Jahren: Wir bauen jährlich Stellen ab, wir halbieren zum Beispiel in der Zeit von 2015 bis 2025 die Zahl der Stellen in der Fernsehproduktion auf 450“, erklärt ein Sprecher des Bayerischen Rundfunks auf Anfrage. „Beim Programm schränken wir uns bereits jetzt ein. Und für jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten wir die tariflichen Bedingungen, vor allem die Altersversorgung, mehrfach massiv verschlechtern“, so der Sprecher weiter. Beide Sender hoffen nun auf einen baldigen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht – „auch wenn wir uns sehr gewünscht haben, dass der Gang nach Karlsruhe nicht nötig ist“, so die SWR-Sprecherin.