Das Gymnasium probiert sich aus
Ab Februar sollen die Schüler in der Mensa auch ein veganes Gericht wählen können - und per App bestellen
SPAICHINGEN - In Berlin ist er längst angekommen, in Stuttgart etabliert er sich und jetzt hält er auch in Spaichingen Einzug: der Trend, sich vegan zu ernähren. Ab Februar können die 653 Schülerinnen und Schüler am Spaichinger Gymnasium unter anderem ein Gericht wählen, das frei von tierischen Produkten ist. Und das Gymnasium scheint ein Vorreiter zu sein. Denn zumindest erste Recherchen legen nahe, dass es bisher nur wenige Schulen gibt, die täglich ein veganes Essen anbieten. Damit zeitigt auch eine Forderung von Fridays-for-Future Erfolg. Die Spaichinger Ortsgruppe hatte sich mit dem Gemeinderat in Verbindung gesetzt und Vorschläge für mehr Klimaschutz eingebracht - darunter auch veganes Essen an Spaichinger Schulen. Vegane Gerichte kommen ohne Fleisch, aber auch ohne Milch oder Sahne aus. Beim Wunsch nach veganen Gerichten hatte die FFF-Gruppe vor allem den Klimwandel im Blick. Denn die Aufzucht und Verarbeitung von Tieren verursacht hohe Treibhausgasemissionen. Carla Holpp (17) von FFF führt noch einen weiteren Aspekt an: Für die Gewinnung von Futtermittel, vor allem von Soja, werden häufig große (Regen-)Waldflächen gerodet. Der Regenwald trägt aber entscheidend dazu bei, das Klima zu regulieren, indem er zum einen große Mengen an Kohlenstoff speichert und zum anderen laut WWF als „Klimaanlage“dient. Denn die Feuchtigkeit, die vor allem aus dem Amazonas-Regenwald aufsteigt, kühlt die Atmosphäre ab.
Carla Holpp besucht die zwölfte
Klasse des Spaichinger Gymnasiums und Schulleiter Jürgen Pach meint: „Die Anregung, veganes Essen anzubieten, kam aus der Schülerschaft. Warum sollten wir es also nicht mal ausprobieren?“Hinzu kam, dass sich der bisherige Caterer des Spaichinger Gymnasium, der kein veganes Essen anbiete, diesen Sommer zurückgezogen habe, so Pach. Die Schule habe nicht sofort Ersatz suchen müssen, weil aufgrund der Pandemie gemeinsames Essen ohnehin kaum möglich gewesen sei. „Wir hatten Zeit, alles in Ruhe zu besprechen und nach einem Anbieter zu suchen.“
Die Wahl fiel auf apetito, einen Caterer, der bereits die Rupert-Mayer-Schule beliefert und als einer der wenigen auch vegane Gerichte im Programm hat. So schildert es Dominique Drechsel von der Stadt Spaichingen, in deren Trägerschaft das Gymnasium ist. „Es war wahnsinnig schwer, einen Anbieter zu finden“, sagt sie. Auch apetito teilt mit, dass ihnen bisher noch selten der Wunsch nach einem täglichen veganen Essen begegnen würde.
Konkret sieht der Speiseplan am Gymnasium ab Februar folgendes vor - vorausgesetzt die Pandemie lässt einen regulären Mensabetrieb zu: ein veganes Gericht, einen Salatteller mit Beilagen und ein Essen, dass sich an den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft (DGE) für Ernährung orientiert. Die DGE gibt unter anderem Ratschläge wie eine ausgewogene Ernährung für Kinder und Jugendliche aussehen könnte, dazu gehören laut DGE Milchprodukte, aber auch Fleisch und Fisch - das allerdings nicht jeden Tag. So will die Schule starten, Änderungen seien aber möglich, sollte der gewählte Plan keinerlei Anklang finden, sagt Pach.
Besonders erfreut zeigt er sich über den Salatteller, der ebenfalls neu im Angebot ist. Denn in der Vergangenheit hätten sich viele Schülerinnen und Schüler abgepackten Salat aus dem Supermarkt geholt. „Unsere Müllstationen waren oft bis zum Rand voll mit Plastikschüsseln.“Er hofft, dass das vegane Essen, auch als vegetarische Alternative, angenommen wird. Immerhin hätten bisher meist ein Drittel bis die Hälfte der Schülerschaft vegetarisches Essen gewählt. Schülerin Carla Holpp bezeichnet sich selbst nicht als strikte
Veganerin oder Vegetarierin, aber wenn sie die Wahlmöglichkeit habe, tendiere sie zur veganen Variante. Eine kleine Umfrage unter einigen Spaichinger Restuarants ergibt, dass bei den meisten vegane Gerichte kaum nachgefragt würden und auch nicht auf der Karte stehen. Etwas anders sieht es im Kartoffelhaus aus: Inhaber Jürgen Gass bietet veganes Essen an und verzeichnet einen leicht steigenden Wunsch danach.
Mit der Umstellung auf den neuen Lieferdienst steigen die Kosten für die Stadt. Denn ab Februar benötigt das Gymnasium eine Mensakraft, die das Essen des Catering-Servies fertig gart und an die Schülerinnen
und Schüler ausgibt. Das Essen soll aber gleich viel kosten wie bisher, nämlich 3,80 Euro pro Portion. Pach erklärt, wie die Essensausgabe organisiert wird: Pro Woche liefert apetito die vorgegarten Zutaten an das Gymnasium. Über eine App wählen die Schülerinnen und Schüler, welches Gericht sie haben möchten, falls sie sich doch noch umentscheiden, können sie noch am Morgen des gleichen Tages ihr Essen abbestellen. Die Mensakraft bereitet dann idealerweise nur die Essen zu, die auch gegessen werden. Der Verwendung der App hätte der Elternbeirat zugestimmt, sagt Pach. Inzwischen habe jeder Haushalt, alleine schon aufgrund des Fernunterrichts, ein technisches Gerät über das das Essen vorbestellt werden könnte.
Die FFF-Ortsgruppe war zunächst mit hohen Forderungen an den Gemeinderat herangetreten: Veganes Essen an allen Spaichinger Schulen. Doch da ging das Gremium nicht mit, berichtet Dominique Drechsel. Zumal sich die Voraussetzung an den übrigen Spaichinger Schulen in städtischer Trägerschaft auch anders gestalten. So berichtet Michael Maurer, Rektor der Schillerschule, dass sie zum ersten „Lockdown“im Frühjar das Essen abbestellt hätten. Eine Umfrage habe dann ergeben, dass nur eine Handvoll Eltern momentan überhaupt ein warmes Mittagsessen wünsche. Holger Volk von der Spaichinger Realschule will dem örtlichen CateringService treu bleiben, der allerdings kein veganes Gericht im Angebot habe. Dafür könnten die 15 bis 20 Fünftklässler, die das Angebot nutzen, direkt dort essen. Dadurch entfielen Lieferwege und es entstehe kaum Müll. Volk bezweifelt auch, dass die Nachfrage nach veganen Gerichten überhaupt vorhanden sei.
Carla Holpp jedenfalls zeigt sich über die Erfüllung der FFF-Forderungen sehr zufrieden. „Wir können tatsächlich zusammen mit der Stadt was erreichen.“Die 17-Jährige wirkt keinesfalls enttäuscht darüber, dass die FFF-Forderungen nicht komplett erfüllt wurden und sie meint auch „Man muss nicht perfekt sein“. Es reiche aus, einfach mal das Steak wegzulassen, das man eigentlich habe essen wollen. Damit sei dem Klima schon gedient, ohne gleich komplett auf Fleisch zu verzichten.