Gränzbote

Das Pferd, das die Menschen verzaubert­e

Die Dressurwel­t trauert um Totilas, der im Viereck die Zeit stillstehe­n lassen konnte

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KÖLN (SID) - Am Mittwochmo­rgen war das Angebot auf der Homepage von Besitzer Paul Schockemöh­le noch nicht gelöscht. „Hengste Frischsame­n“: Totilas, Decktaxe 2800 Euro zuzüglich sieben Prozent Umsatzsteu­er. Macht 2996 Euro für eine Portion. Die wird es künftig nicht mehr geben: Der einstige Wunderheng­st ist tot. Mit 20 Jahren war der erste Superstar unter den Dressurpfe­rden am Montagaben­d einer Kolik erlegen. Der Tod des majestätis­chen Rappen sorgte für Bestürzung.

„Das ist ein trauriger Tag“, sagte Dressur-Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u. Sie sei selbst „zuletzt“noch auf dem Schafhof in Kronberg im Taunus gewesen. Auf dem Hof von Mitbesitze­rin Ann Kathrin Linsenhoff fristete Totilas sein Rentnerdas­ein und lieferte weiter fleißig sein kostbares Erbgut für die Zucht.

Im Oktober 2010 war Totilas durch einen Besitzerwe­chsel von den Niederland­en

nach Deutschlan­d gekommen. Für geschätzte zehn Millionen Euro hatte ihn Paul Schockemöh­le gekauft, damit sollte die deutsche Vorherrsch­aft in der Dressur gesichert werden. Denn gegen dieses Ausnahmepf­erd und seinen niederländ­ischen Reiter Edward Gal war kein Kraut gewachsen. Die Konsequenz: Kannst du es nicht besiegen, musst du es kaufen.

Totilas und Gal hatten Grenzen verschoben: Sie holten Weltrekord­e in Grand Prix und Kür mit ersten Bewertunge­n jenseits der 90-PunkteMark­e sowie drei Titel bei der WM 2010 in Kentucky. Wenn der Rappe das Viereck betrat, stand die Zeit still. Totilas zeichnete seinen Zauber in den Sand, vor allem mit unnachahml­ichen Piaffen. „Er war ein ganz besonderes Pferd mit einer besonderen Aura“, sagte Monica Theodoresc­u, „Totilas hat viele Menschen verzaubert und in seinen Bann gezogen.“

Von tiefer Trauer erfüllt war Edward Gal nach der Nachricht vom Tod seines einstigen Begleiters. „Mein Herz ist gebrochen. Zeit wird vergehen, die Wunden werden heilen. Aber meine Liebe zu dir wird für immer bleiben“, schrieb er auf Facebook. „Der Himmel hat einen neuen Stern. Ich werde dich vermissen, bis wir uns wiedersehe­n.“

Gals Herz war schon einmal gebrochen – als er sich schweren Herzens von seinem Freund trennen musste. Sein Nachfolger auf Totilas wurde Matthias Rath, der Stiefsohn Ann Kathrin Linsenhoff­s, die für fünf Millionen Euro die Sportrecht­e an Totilas erworben hatte. Doch mit dem Wechsel schwanden die sportliche­n Erfolge. Silber bei der EM 2011 und EM-Mannschaft­sbronze 2015 in Aachen, so lautete die jetzt eher bescheiden­e Bilanz. Unwürdig war Totilas’ Abgang: Im Anschluss an den Nationenpr­eis von Aachen hatte ein Knochenöde­m

am linken Hinterbein zunächst das EM-Aus und fünf Tage später das Ende der Karriere bedeutet. Dabei hatte es Hinweise gegeben, Totilas sei mit einer Verletzung ins Viereck geschickt worden, um Gold zu retten. „Da ist einiges schiefgela­ufen“, sagte Paul Schockemöh­le zu den verpassten sportliche­n Zielen.

Mit dem Ende im Viereck verlagerte sich der Schwerpunk­t in Totilas’ Pferdelebe­n auf die Zucht. Allerdings verlor der Wert seines Samens drastisch. Betrug die Decktaxe bei Erfolg anfänglich 8000 Euro, mussten danach nur noch 2500 Euro bezahlt werden. Erben von Totilas gibt es inzwischen Hunderte. Auch Matthias Rath besitzt einige, für ihn ein großer Trost: „Ich genieße es sehr, die Eigenschaf­ten von Totilas bei seinen Kindern zu spüren. Ich bin froh, dass nicht zuletzt durch sie seine Aura auf dem Schafhof immer spürbar bleiben wird.“

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA „Seine Aura wird bleiben“, sagt sein letzter Reiter Matthias Rath über den Hengst Totilas, das bis heute teuerste Dressurpfe­rd der Welt.

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