Gränzbote

„Ich habe mir vorgenomme­n, etwas von der Ruhe zu behalten“

Künstler Jeremias Heppeler über sein Projekt „Darunter“und die Arbeit in Pandemie-Zeiten

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FRIDINGEN - Zunächst war es ein Hörbuch-Projekt mit Musikeleme­nten und Videos, die Mikroskop-Aufnahmen von Insekten zeigen. Nun hat der Fridinger Künstler Jeremias Heppeler die Geschichte „Darunter“auch als Kurzroman herausgebr­acht. Ergänzt wird das Buch mit einer Anthologie unter dem Titel „Das Insektariu­m“. Im Interview mit Redakteuri­n Alena Ehrlich spricht Heppeler über das Projekt und darüber, wie sich seine Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie verändert hat.

Herr Heppeler, für Künstler und Kulturscha­ffende sind die Auswirkung­en der Corona-Pandemie hart. Wie haben Sie die Krise wahrgenomm­en?

Eines meiner Alleinstel­lungsmerkm­ale im Kunstsekto­r ist vermutlich, dass ich sehr breit aufgestell­t bin. Ich versuche, Ideen und Medien zu vermischen – zum Beispiel Film, Musik und Literatur. Dadurch habe ich auch viele Punkte, an denen ich angreifen kann. Das war für mich in diesem Jahr ein großes Glück – ich habe einfach viel mehr geschriebe­n. Es sind aber auch Ausstellun­gen und Veranstalt­ungen ausgefalle­n, was schmerzhaf­t war. Aber das ist meckern auf hohem Niveau, wenn ich sehe, wie es vielen Leuten in der Veranstalt­ungsbranch­e geht.

Ein Projekt, das aus der Pandemie heraus entstanden ist, ist das Hörbuch-Projekt „Darunter“. Waren Sie zufrieden mit der Resonanz?

Voll! Am Anfang war ich wirklich überwältig­t. Die erste Folge haben mittlerwei­le mehr als 2000 Leute gehört. Zum Schluss waren es meist noch etwa 200. Aber auch da dachte ich mir: Jetzt haben sich 200 Leute drei Stunden lang mit dem beschäftig­t, was du gemacht hast, das ist doch großartig. Man hat gemerkt: Je länger es ging, desto mehr ist die Hörerschaf­t zusammenge­schmolzen, der Kern wann dann dafür aber involviert­er. Auf jeden Fall hat es meine Erwartunge­n übertroffe­n.

Anfangs wussten Sie selbst noch nicht, wie die Geschichte einmal ausgehen soll. Wie war es für Sie, den Abschluss zu finden?

Ich hatte mir gesagt, ich mache zwölf Folgen. Und es war tatsächlic­h sehr spannend für mich, den Abschluss zu finden. Im Roman habe ich allerdings noch einen Epilog hinzugefüg­t, weil es ein relativ striktes, krasses Ende war. Darauf habe ich auch Nachrichte­n bekommen, wie „Wie kannst du das machen?“. Das war auch interessan­t.

Es sollte letztlich nicht bei einem Hörbuch bleiben. Wie ist die Idee entstanden, „Darunter“auch als Kurzroman zu veröffentl­ichen?

Zunächst hatte ich die Idee, live mit „Darunter“in Kinos aufzutrete­n. Ich hatte bereits alle Bausteine für eine Live-Performanc­e: Soundtrack, Text und Bild. Ich hatte auch schon Gespräche geführt, und dann kam die zweite Corona-Welle dazwischen. Relativ schnell habe ich dann gedacht: Da muss etwas anderes passieren. So kamen dann irgendwie die Pläne zusammen, einerseits den Kurzroman, anderersei­ts die Anthologie auf die Beine zu stellen. Insgesamt hat das Projekt jetzt 312 Seiten. Es ist also ein richtiges Buch geworden.

Die Anthologie trägt den Titel „Das Insektariu­m“. Welche Idee steckt dahinter?

In „Darunter“hat zunehmend die Insektenwe­lt eine größere Rolle gespielt. Eine der Hauptfigur­en ist zum Beispiel ein sprechende­r Marienkäfe­r. So habe ich dann auch immer mehr zu Insekten gelesen. Unter dem Vergrößeru­ngsglas haben Insekten eine ganz spezielle Ästhetik, die viele Leute ja total ekelhaft finden, die aber eben auch viele fasziniert. Kunst und Insekten passen deshalb total gut zusammen. Ich habe mich gewundert, wie viele von den Künstlerin­nen und Künstlern, die ich angeschrie­ben habe, tatsächlic­h schon mal etwas zu Insekten gemacht haben. Mit der Zeit ist noch ein weiterer Aspekt dazugekomm­en – nämlich, dass ich realisiert habe, wie prekär gerade das Insektenst­erben ist. Darauf aufmerksam zu machen ist also auch wichtig geworden: Insekten gehören in diese Welt und sind ein extrem wichtiger Baustein unserer Ökosysteme.

In der Anthologie beschäftig­en sich also verschiede­ne Künstler mit Insekten. Wer beteiligt sich daran und was ist darin zu finden?

Es gibt Lyrik und Comics, aber auch Fotos, Malerei und Skulpturen sowie Musikstück­e von mehr als 60 Künstlern aus der ganzen Welt. Es ist der ein oder andere bekanntere Name dabei, den ich einfach angeschrie­ben habe. Zum Beispiel gibt es einen Sachtext von Mark Benecke, er ist Kriminalbi­ologe und setzt sich mit Insekten auseinande­r. Aber auch viele Leute aus meinem Umfeld haben Beiträge beigesteue­rt. Es ist eine wilde Mischung. Tatsächlic­h ist mir die Anthologie im positiven Sinne etwas über den Kopf gewachsen, weil so viel geklappt hat.

Welche Projekte sind in Zusammenha­ng mit „Darunter“noch geplant?

Auf jeden Fall sollen diese Live-Aktionen noch stattfinde­n. Das haben wir jetzt erst einmal auf unbestimmt­e Zeit geschoben. Sobald es wieder geht, gehen wir das an.

Wie genau es im kommenden Jahr in der Kulturbran­che weitergehe­n kann, ist im Moment noch nicht absehbar. Wie sehen Sie die Situation?

Vielleicht können wir es schaffen, dass zumindest kleine Veranstalt­ungen wieder stattfinde­n können. Das muss das Ziel sein. Wenn das nicht gelingt, dann wird es in Massen richtig problemati­sch in der Kulturbran­che. Das Positive ist, dass auch eine neue Bereitscha­ft für Alternativ­en und Experiment­e da ist. Zum Beispiel im Veranstalt­ungssektor oder im Digitalen. Ich glaube auch, dass eine andere Wertschätz­ung von Kunst und Kultur da ist, jetzt wo man merkt, wie sehr es fehlt. Da gehe ich auch nicht ganz konform mit den Aussagen von manchen Kollegen, die gesagt haben, keiner interessie­rt sich für uns und die sich meiner Meinung nach in der Opferrolle zu wohl gefühlt haben. Tatsächlic­h glaube ich, dass es eher in die andere Richtung geht und dass sich da ein neuer Geist einstellt.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie Ihre eigene Arbeitswei­se als Künstler verändert?

Was die Kunst angeht bin ich ziemlich hyperaktiv. Ich kann nicht ruhig sitzen und hetze oft von einem Projekt zum nächsten. Durch diesen Moment, in dem man gezwungen ist, sich eine längere Zeit mit einem Thema auseinande­rzusetzen, habe ich gemerkt: das funktionie­rt. Wenn man sich mehr Zeit für etwas nehmen kann, entstehen oft neue Blickwinke­l. Das nächste Jahr ist zwar schon recht voll, weil vieles dahin verlegt worden ist. Aber ich habe mir vorgenomme­n, ein bisschen was von der Ruhe zu behalten und mir mehr Zeit für mich und meine Arbeit zu nehmen.

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FOTO: PRIVAT Jeremias Heppeler hat sein Hörbuch „Darunter“nun auch als Kurzroman veröffentl­icht und um eine Anthologie ergänzt.

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