Zwischen Frust und Dankbarkeit
Dehoga-Vorsitzender Dieter Marquardt spricht im Interview über die Situation in der Gastronomie und ist vor allem dankbar über die Unterstützung der Gäste
Die Gastronomie hadert mit der Schließung und ihren Folgen.
RIETHEIM-WEILHEIM - Schließungen, Dokumentationspflicht und Hygieneregeln: Für die Gastronomie in der Region ist das Jahr 2020 kein leichtes gewesen. Im Interview mit Alena Ehrlich spricht Dieter Marquardt, Inhaber des Gasthauses Rose in Rietheim-Weilheim und Vorsitzender der Kreisstelle Tuttlingen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), über die Höhen und Tiefen des Jahres und die Hoffnung, wie es 2021 weitergeht.
Herr Marquardt, nach den Schließungen im Frühjahr und den Lockerungen im Sommer sind die Restaurants nun wieder geschlossen.
Wie ist die Stimmung unter den Gastronomen?
Die Stimmung bei den Gastronomen ist natürlich sehr schlecht. Uns wurde das ganze Novemberund Dezember-Weihnachtsgeschäft genommen. Es ist jetzt der vierte Monat, den wir dieses
Jahr geschlossen halten müssen. Sie glauben gar nicht, was da an Umsätzen weggebrochen ist. Der Lockdown war mit Sicherheit nicht berechtigt in der Gastronomie. Überall wurden die Kontaktdaten aufgenommen und auf Abstand und Hygiene geachtet. Da gab es nirgends einen Hotspot.
Inwiefern unterscheidet sich die aktuelle Situation für die Gastronomie von den Schließungen im Frühjahr?
Beim Lockdown selbst gibt es keinen großen Unterschied. Im Frühjahr war das natürlich eine komplett neue Situation für die Gastronomie, die wir so noch nie hatten. Da mussten wir uns durchkämpfen. Das haben wir jetzt natürlich bei diesem Lockdown light schon als Erfahrung. Aber geschlossen ist geschlossen. Keine Einnahmen, kein Geld, das sieht schlecht aus.
Für die Gastronomie galten strenge Hygieneregeln und Dokumentationspflicht. Ließen sich diese in der Praxis gut umsetzen?
Ja, die Dokumentation, die Hygieneund Abstandsregeln haben gut funktioniert. Im Nachhinein muss man aber sagen: Für was haben wir das getan? Wir werden trotzdem geschlossen, obwohl wir alles richtig gemacht haben. Das ist sehr enttäuschend und deprimierend.
Für die Restaurant-Betreiber fällt nun auch das Weihnachts- und Silvestergeschäft ins Wasser. Wie wichtig ist dieses Geschäft normalerweise?
Bei vielen Kolleginnen und Kollegen macht das Weihnachtsgeschäft fast ein Viertel des Jahresgeschäfts aus. Da ist normalerweise Hochsaison mit den Weihnachtsfeiern der Betriebe, das sind die umsatzstarken Monate. Es ist auch nicht nur so, dass wir Gastronomen enttäuscht über die Situation sind, enttäuscht sind auch unsere Gäste. Die können jetzt nirgends Essen gehen und müssen sich zu Hause behelfen.
Viele Betriebe bieten Abhol- und Lieferdienste an. Inwiefern sind diese eine Alternative zum „normalen“Geschäft?
Klar, Abhol- und Lieferservices sind eine Alternative. Bei dem ein oder anderen funktioniert es sehr gut, bei anderen weniger. Aber sie können nicht den gesamten Umsatz ausgleichen. Wenn man ein Schnitzel verkauft, aber kein Mineralwasser oder Bier dazu, dann fehlt ein Stück. Durch das Verpackungsmaterial kommen auch noch einmal Kosten hinzu. Dann kommt es auch darauf an, wie lange die Wege sind – kommt das Essen überhaupt warm zu Hause an? Es gibt sehr tolle Ideen, die manche Kolleginnen und Kollegen haben, aber von einer Rentabilität sind wir weit entfernt.
Wird denn aus Ihrer Sicht von Seiten der Politik genug getan, um den Gastronomen in der Corona-Situation zu helfen?
Im Frühjahr wurde mit der sogenannten Soforthilfe relativ schnell geholfen. Es gab auch Überbrückungshilfen. Da gibt es also von meiner Seite her nicht viel zu meckern. Dank des Einsatzes des Dehoga-Verbandes, kann die Gastronomie konnten wir jetzt auch die Dezember-Hilfe bekommen.
Was jetzt aber enttäuschend ist, ist dass es bislang nur eine kleine Abschlagszahlung für November gab. Die weitere Bearbeitung der Anträge klemmt. Für Kleinbetriebe ist das okay, aber für einen größeren Betrieb
reicht es einfach nicht aus. Und jetzt hört man, es soll bis ins nächste Jahr dauern, dass das Geld fließt. Das kann manchen Kolleginnen und Kollegen das Genick brechen.
Wird die Gastronomie in der Region die Krise unbeschadet und ohne Betriebsschließungen überstehen?
Ich glaube nicht, dass wir das unbeschadet überstehen. Bislang habe ich zwar noch keine Schließung bei uns in der Kreisstelle zu vermerken. Aber wenn die Hilfen nicht kommen, wird es der ein oder andere Betrieb nicht schaffen. Dann schätze ich, dass wir im kommenden Jahr 50 Prozent der Gastronomie verlieren.
Mit Blick ins kommende Jahr bestehen nach wie vor viele Unsicherheiten. Was würden Sie sich für die Gastronomie wünschen?
Der Wunsch ist, dass wir so bald wie möglich – also ab 11. Januar – wieder öffnen können. Ich bin davon überzeugt, auch unsere Gäste würden das gut finden. Ich denke, dass wir wieder gut durchstarten könnten. Die Frage ist nur, wie wir aufmachen dürfen und wann.
Gibt es denn auch positive Aspekte, die die Gastronomen aus der Coronakrise mitnehmen konnten?
Auf jeden Fall. Es ist eine ganz tolle Geschichte, wie wir von Seiten unserer Gäste unterstützt werden. Die Wertschätzung für die Gastronomie ist sehr stark gestiegen. Im Frühjahr hat man es gemerkt, wie glücklich die Leute waren, als wieder geöffnet wurde. Auch während der Schließungen sind viele EhrengasthausGutscheine gekauft worden, auch Dank Herrn Knittel von der Donaubergland. Die Gäste sind auf unserer Seite und warten darauf, dass wir wieder öffnen. Aber die Politik lässt uns noch zu.