Gränzbote

Geduld ist gefragt

- Von Finn Mayer-Kuckuk politik@schwaebisc­he.de

Monatelang stützte die Aussicht auf einen Impfstoff die Hoffnung auf Normalität. Jetzt kommt auch in Europa die Zulassung für das Biontech-Produkt und mit ihr die Kernbotsch­aft: Der kleine Pieks für den Einzelnen bringt einen großen Effekt für die Gemeinscha­ft. Der Impfstoff schützt auf jeden Fall die allermeist­en Geimpften vor Krankheit und Tod durch Covid-19. Das ist sein Zweck. Dennoch werden die Impfungen vermutlich erst im Laufe eines Jahres ihre Wirkung entfalten. Der Effekt des Wirkstoffs auf die Pandemie ist zudem mit einer Unsicherhe­it belastet: Verhindert er nur den Ausbruch der Krankheit oder unterbinde­t er bereits die Infektion? Wenn auch Geimpfte das Virus weitergebe­n können, wird es schwerer, den Erreger auszurotte­n. Dann sind nur diejenigen geschützt, die die Spritzen erhalten haben.

Im Frühjahr und Sommer wird der Impfstoff zudem eine neue, beunruhige­nde Situation bringen. Wenn die Alten und Anfälligen geschützt sind und das große Sterben aufhört, wird der wirtschaft­lich-gesellscha­ftliche Druck übermächti­g werden, den Seuchensch­utz zurückzufa­hren. Wenn sich das Virus unter den Ungeimpfte­n dann quasi ungehemmt verbreiten kann, werden bei ihnen mehr schwere Verläufe sichtbar werden. Die Infektions­sterblichk­eit liegt bei den Mittfünfzi­gern bei knapp einem halben Prozent. Damit ist Covid-19 immer noch deutlich tödlicher als die Grippe. Auch unter den 10- bis 39-Jährigen treten immerhin rund drei Prozent schwere Verläufe auf. Wenn die Senioren geimpft sind und die Corona-Regeln zurückgefa­hren werden, werden wir wohl mehr schwere Erkrankung­en von Jüngeren wahrnehmen als vorher.

Der Impfstoff wird also keine Wunder bewirken. Am meisten haben die Impfwillig­en davon, doch auch die Verweigere­r profitiere­n von seinem Einsatz: Mit etwas Glück sinkt die Vermehrung­szahl R unter 1. Dazu müssen sich allerdings möglichst viele Bürger impfen lassen. Es wird aber nicht schon kurz nach Weihnachte­n so weit sein. Auch viele über 80-Jährige werden das Mittel erst im Januar oder Februar erhalten.

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