Chance statt Krise
Musikschule entwickelt coronabedingt zahlreiche kreative Formate - Wenig neue Schüler
TROSSINGEN - Für Achim Robold steht eins klar fest. „Wir haben keine Krise“, betont der Leiter der Trossinger Musikschule. Zwar sind die sinkenden Belegungen aufgrund der Corona-Krise der erste Rückschlag für die Einrichtung seit 15 Jahren, doch Robold sieht die Folgen der Pandemie eher als Chance und „inhaltlichen Booster“, um die Musikschule als Haus mit offenen Strukturen für die Zukunft aufzustellen.
Einen Anteil daran sollen auch die zahlreichen Online-Angebote und Formate haben, die das Team der Musikschule während der Corona-Krise entwickelt hat. „Vieles haben wir notgedrungen angefangen und jetzt kristallisiert es sich als sinnvoll und praktisch heraus“, stellt Ralf Reiter fest, der sich um die Bereiche Schlagwerk und Gitarre kümmert.
Der Online-Unterricht beispielweise könnte auch künftig bis zu einem Viertel des Unterrichts ausmachen, bei erwachsenen Schülern bis zu 50 Prozent. „Viele Lernfelder können via Monitor stattfinden“, sagt Robold, „und wir werden so definitiv flexibler.“Für Schüler bedeutet das, dass sie zum Beispiel eine kurze Sequenz, die sie zuhause proben, hochladen und direkt Feedback von ihrem Lehrer bekommen können, anstatt bis zur nächsten Stunde zu warten. Lernbegleitung zwischen dem Präsenzunterricht also, auch wenn Robold klarstellt, dass die Lehrer nicht rund um die Uhr zur Verfügung
stehen werden.
„Für den Onlineunterricht bekommen wir wirklich tolle, positive Rückmeldungen von Eltern und Schülern“, berichtet Robolds Stellvertreterin Sabine Kölz. Dazu kommen Onlinekonferenzen für das weit verstreut lebende Kollegium oder Formate wie Open Stage, die künftig verstetigt werden sollen. Etwa in Form eines Klaviers im Foyer, auf dem jeder jederzeit spielen kann. „Wir ändern gerade Lernumgebungen“, erläutert Robold, der überzeugt ist, dass die Musikschule sich in die richtige Richtung entwickelt.
Dass die Corona-Krise trotzdem das ein oder andere Problem beschert, streitet im Schulleitungsteam aber keiner ab. Die Belegungen seien um 200 zurückgegangen, der Online-Unterricht erreiche zwei Drittel der Musikschüler. Angebote in den Kindergärten und Schulen fielen weg oder wurden auf ein Minimum reduziert, ebenso die Ensemblearbeit. Aufführungen, freiwillige Leistungsbewertungen und andere öffentliche Veranstaltungen müssen aussetzen: Der Schule fehlen derzeit Podien und die damit verbundene Außenwirkung.
Um ausgefallene Stunden zu erstatten, nötige digitale Voraussetzungen zu schaffen und alle nötigen
Hygienemaßnahmen umsetzen zu können, musste die Musikschule 2020 auf 35 000 bis 40 000 Euro aus ihren Grundlagen zurückgreifen, wie Geschäftsführer Jürgen Messner berichtet. „Wir haben zwar viele Schüler verloren, aber das Problem ist eher, dass wir derzeit keine neuen bekommen“, so Messner, „was in der Krise ja aber auch verständlich ist. Die Leute überlegen sich eine Neuanmeldung derzeit zweimal.“Insgesamt und im Vergleich zu anderen Musikschulen stehe Trossingen aber gut da, konstatiert er: „Die Schule ist gefestigt.“
Robold konzentriert sich ohnehin lieber auf die neuen Ideen und Formate, die die Musikschule künftig umsetzen will. Ihn freut auch, dass alle vakanten Stellen trotz des „leergefegten Arbeitsmarktes mit wirklich guten Leuten besetzt“, werden konnten. „Nicht alles, was die Krise hervorruft, ist furchtbar“, meint er entschieden. „Und das Musizieren ist jetzt wichtiger denn je.“Die Trossinger Musikschule gehöre zu den wenigen, die weiterhin im direkten Kontakt zu ihren Schülern stehe und das sei auch wichtig. Im digitalen Fernunterricht geht es gerade nicht nur um Musik, sondern auch darum, die Schüler wieder aufzurichten. „Viele tun sich mit dem Leben schwer“, so Robold.