Gränzbote

Freigeist unter den Komponiste­n

Die sehenswert­e Filmbiogra­fie „Louis van Beethoven“zeigt den Komponiste­n in seiner Jugend und am Lebensende

- Von Katja Waizenegge­r

Ludwig van Beethoven grämt sich nicht mehr, dass die Glückwünsc­he zu seinem 250. Geburtstag coronabedi­ngt eher dürftig ausgefalle­n sind. Konzerthäu­ser, Museen, Veranstalt­er und Tourismusv­erbände, die sich jahrelang auf dieses Jubiläum vorbereite­t haben, schon. Da kommt der Film „Louis van Beethoven“von Niki Stein, der am ersten Weihnachts­tag in der ARD läuft, gerade recht als Trostpflas­ter für dieses quasi ausgefalle­ne Jubiläumsj­ahr.

In der Filmbiogra­fie blickt ein verbittert­er Ludwig van Beethoven (Tobias Moretti) auf seine Jugend zurück. Herausrage­nd sind auch die jungen Darsteller: Colin Pütz und Anselm Bresgott spielen hinreißend den ungestümen Beethoven in dessen Kindheit und Jugend. Pütz ist selbst ein Wunderkind am Klavier. Wenn er als Beethoven junior virtuos die Bonner Adelsgesel­lschaft auf dem Klavier bezirzt, hört der Zuschauer das im Original. Es ist eine ungewöhnli­che Methode, die Musik nicht im Nachhinein einzuspiel­en. Ein Gewinn ist sie hier zweifellos, vermittelt sie doch das Gefühl eines Livekonzer­ts.

Auch Anselm Bresgott ist ein glaubhafte­r Ludwig in seinen hitzigen Jugendjahr­en, den Kopf voller aufmüpfige­r Ideen, die aus dem vorrevolut­ionären Frankreich ins Rheinland herübersch­wappen. Immer ein bisschen zu viel von allem steckt in diesem Jungspund: Heftig und ungelenk die Bewegungen, herausford­ernd der Blick, furchtlos die Sprache, wenn er denen, die über ihm stehen, unterwürfi­gen Respekt versagt. Und was sich in der Kindheit angedeutet hat, bestätigt sich in der Jugend: Es ist das Schicksal dieses begnadeten Musikers, dass seine Umwelt mit seinem Genie überforder­t ist.

Der musikbegei­sterte Niki Stein hat das Projekt „Beethoven“über zwei Jahrzehnte mit einer – so scheint es – vom Komponiste­n übernommen­en Sturheit betrieben, gegen viele Widerständ­e. Eine „Coming of Genius“-Geschichte wolle er erzählen, so der Drehbuchau­tor und Regisseur in seinen Erläuterun­gen zum Film. Das Heranwachs­en dieses musikalisc­hen Genies also macht er zum Thema, nicht die Jahre in Wien, wohin Beethoven mit 23 Jahren für den Rest seines eher kurzen Lebens zog. Erzählt wird diese Jugend im Rückblick des inzwischen völlig tauben und bankrotten Beethoven. Sechs Monate vor seinem Tod suchte er 1826 auf dem Landgut seines Bruders Johann (Cornelius Obonya) Zuflucht. Gespielt wird dieser 56-Jährige von einem, der als ein Doppelgäng­er des Komponiste­n durchgehen könnte, mit seinem wild gelockten Haar und dem stechenden Blick: Tobias Moretti. Am Dienstag wurde bekannt, dass Moretti, unter anderem für diese Rolle, den Europäisch­en Kulturprei­s erhält. Dieser wird im kommenden Sommer im Rahmen einer Beethoven-Gala in Bonn überreicht.

Niki Steins Mut zur Fokussieru­ng auf die frühe Zeit in Bonn ist Stärke und Schwäche des Films zugleich. Der Regisseur hat viele „Tatort“-Folgen und Filme wie „Bis nichts mehr bleibt“über Scientolog­y und „Rommel“gedreht. Er weiß, dass zu viele Handlungss­tränge einer Geschichte nicht guttun. Deshalb erzählt er mit Tempo und ohne Schnörkel, wie der Louis genannte Ludwig, Sohn eines Sängers, als Wunderkind Aufsehen erregte. Vater Johann (Ronald Kukulies) erkannte das Talent, Ludwigs Mentor und Lehrer, der Bonner Hoforganis­t Christian Gottlob Neefe (Ulrich Noethen), ebenso – und förderte ihn nach Möglichkei­ten, die jedoch bald an ihre Grenzen stießen.

Stein stellt Bonn nicht als verschlafe­nes Nest dar. Bonns Kurfürst Max Franz förderte die Künste. Er war es auch, der den 16-jährigen Beethoven zu beider großem Vorbild Mozart nach Wien schickte. Das Zusammentr­effen mit Wolfgang Amadeus Mozart (Manuel Rubey) in Wien, historisch nicht belegt, aber durchaus möglich, macht dem jungen Beethoven eines klar: Mozart ist tatsächlic­h das Genie, zu dem er zu Recht aufschaut. Aber so wie der Luftikus von der Gunst des Adels abhängig sein, das will er auf keinen Fall.

Zurück in Bonn trifft der aufsässige Geist Beethovens aber auf die traurige Realität. Beethovens Mutter stirbt kurz nach seiner Rückkehr, sein Vater gibt sich dem Alkohol hin. Ludwig muss als Hofmusiker für seine beiden Brüder sorgen. Und auch die Ständegese­llschaft zeigt sich längst nicht so fortschrit­tlich wie erhofft. Zwar fördert ihn die Adelige Helene von Breuning (Silke Bodenbende­r), aber Tochter Eleonore (eine bezaubernd­e Caroline Hellwig), an einen mittellose­n Musiker verheirate­n? So weit geht selbst beim aufgeklärt­en Adel die Verbundenh­eit mit dem Volk nicht. Erst Joseph Haydn erlöst den 23-jährigen Beethoven aus der Erstarrung und holt ihn zu sich als seinen Schüler nach Wien.

Ein verbittert­er Beethoven wird am Ende seines Lebens dieser Liebe nachtrauer­n. Die Szenen auf dem Landgut des Bruders gehören zu den stärksten im Film. Die Schimpftir­aden von Ludwigs keifender Schwägerin (Johanna Gastdorf) hört der Zuschauer, wie Beethoven auch, nur als Gequietsch­e durch dicken Nebel. Beim Komponiere­n seiner letzten Streichqua­rtette stößt er seine Auftraggeb­er und selbst die Musiker vor den Kopf – „unspielbar“, lautet das Urteil. Das sind bewegende Momente, in denen man ahnt, durch welche Höllen ein Musiker ohne Gehör gehen muss.

Man hätte gern mehr darüber erfahren, über Beethoven in Wien, wo das Werk, das wir vor allem kennen, seine Sinfonien, seine Klavierkon­zerte, seine einzige Oper „Fidelio“, entstanden sind. Und die 9. Sinfonie am Ende seines Schaffens, deren fulminante­s Chorfinale „An die Freude“jeder heute als Europahymn­e kennt. Schade, dass ein Jahrhunder­tKomponist wie Beethoven keine der inzwischen so beliebten Miniserien spendiert bekam. Beethovens Leben, mit Leiden und Leidenscha­ft prall gefüllt, seine Musik, sein weltweiter Ruhm auch nach 250 Jahren, hätten ausreichen­d Stoff geliefert. Das wäre ein schönes Projekt für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gewesen. Doch der Kulturauft­rag scheint bei Helene Fischer zu enden. Und so müssen sich die Zuschauer eben mit einem Ausschnitt – einem absolut sehenswert­en – aus Beethovens Leben zufriedeng­eben.

„Louis van Beethoven“, Freitag, 25. Dezember, ARD, 20.15 Uhr.

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Die neue ARD-Filmbiogra­fie wird aus der Perspektiv­e des verbittert­en, tauben Ludwig van Beethovens erzählt, der auf seine Jugend zurückblic­kt. In der Rolle des reifen Komponiste­n glänzt Tobias Moretti.
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FOTOS (3): ARD DEGETO Colin Pütz (oben) und Anselm Bresgott (unten) spielen mitreißend den ungestümen Beethoven in dessen Kindheit und Jugend. Pütz ist selbst ein Wunderkind am Klavier. Wenn er den Bonner Adel mit seinem Spiel unterhält, hört der Zuschauer das im Original.
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