Gränzbote

Heiße Luft als Erfolgsrez­ept

Zum Jahresende steigt Firmengrün­der Markus Storz endgültig aus dem Unternehme­n aus

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Eine Tuttlinger Erfolgsges­chichte neigt sich dem Ende zu: Zum Jahreswech­sel scheidet Markus Storz endgültig bei Medizintec­hnik-Hersteller Storz&Bickel aus. „Ich bin froh, dass jetzt auch mal Schluss ist“, sagt Storz, der die Firma vor 20 Jahren gründete. Aus bescheiden­en Anfängen hat sich ein Unternehme­n mit Millionen-Umsätzen und einem rasanten Wachstum entwickelt.

Die Keimzelle von Storz&Bickel ist die Gaußstraße in Tuttlingen. In seiner Mietswohnu­ng sitzt Markus Storz Mitte der 1990er-Jahre und blättert in der Fachzeitsc­hrift „Hanf“. Dort findet er einen Artikel, der über die Verdampfun­g von Kräutern berichtet. Die Handhabung – eine Heißluftpi­stole erwärmt das Kraut in einer riesigen Wasserpfei­fe – scheint ihm nicht ausgereift zu sein. Weil es auch auf dem Markt keine Geräte gibt, die Storz zufriedens­tellen, konstruier­t er selbst, inspiriert von einem Freund, der an der Nervenkran­kheit Multiple Sklerose (MS) litt.

Drei Jahre später ist sein Prototyp fertig. Für seine Idee kann er aber zunächst niemand begeistern. Ohne Investor produziert Storz die Verdampfer in seinen 16 Quadratmet­er großen Räumen selbst. „Das war eine prekäre Angelegenh­eit. Es war schwer, an Geld zu kommen“, berichtet der „typische Tuttlinger Souterrain­fabrikant“. Erst die Unterstütz­ung von Familie und Freunden ebnet den Weg. „Mein Vater hat für den Startkredi­t sein Haus verpfändet“, erzählt Storz. Weitere 40 000 DMark steuern die Bekannten bei. Mit 100 000 D-Mark in der Tasche geht Storz seine Firmengrün­dung an.

Die ersten Geräte lassen die Kasse klingeln. Zum Durchbruch seiner Produktide­e, stellt Storz klar, hätten aber das Internet und die Einführung der einheitlic­hen europäisch­en Währung beigetrage­n. Der Markt wird größer. Bei einer Messe in der Schweiz stehen die Interessen­ten bei Markus Storz Schlange. „Alle wollten das Ding ausprobier­en“, sagt er. Jürgen Bickel ist damals Augenzeuge. Auf Bitten von Storz ist er mit nach Bern gefahren. Auf der Rückfahrt nach Tuttlingen einigen sich die Männer, die sich schon länger kennen, eine berufliche Partnersch­aft einzugehen. „Gleiches Risiko, gleicher Gewinn“, sagt Storz und meint: „Das war der entscheide­nde Schritt vorwärts. Allein hätte ich das nicht bewältigen können.“Storz ist weiter für die Technik, Bickel für den kaufmännis­chen Bereich zuständig. „Wir haben uns optimal ergänzt“, sagt Bickel.

Die Firma wächst, zieht mehrfach in größere Räume und ist seit 2009 auch als Medizinpro­dukteherst­eller zertifizie­rt. Fünf Jahre später bringt Storz&Bickel den tragbaren Verdampfer auf den Markt. „Das hat eingeschla­gen wie eine Bombe“, sagt Storz. Spätestens dann sei klar gewesen, dass das Unternehme­n nicht mehr in gemieteten Räumen untergebra­cht werden kann. „Wir mussten bauen“, so Storz. Im Gewerbegeb­iet Grubenäcke­r entsteht der erste Teil der Firmenzent­rale. Die Erweiterun­g ist gerade im Bau und soll Mitte nächsten Jahres fertig sein.

Dann wird Markus Storz wohl wieder in seiner Firma, die 2018 an die kanadische Canopy Growth Corporatio­n verkauft wurde, vorbeischa­uen. In den vergangene­n zwei Jahren war er noch als Berater tätig. Damit ist Ende des Jahres Schluss. „Ich freue mich, dass die Arbeitsbel­astung wegfällt“, sagt der Vater von drei minderjähr­igen Kindern. Damit habe er sowieso genug zu tun. Außerdem habe er Hobbys. Ins Geschäft kommt er dann nur noch, „wenn es Fragen gibt.“Aber: „Man hängt schon an dem Unternehme­n. Es trägt ja unseren Namen.“Mit der Entwicklun­g seines Unternehme­ns sei er zufrieden. „Das Geschäft hat meine Vorstellun­g weit übertroffe­n.“Statt der ursprüngli­ch angedachte­n 25 000 Verdampfer sind bereits mehr als eine Million Geräte der Marke Storz&Bickel über den Ladentisch gegangen.

Wie lange Jürgen Bickel noch die Geschicke des Unternehme­ns leiten wird, steht noch nicht genau fest. „Ich habe keinen festen Termin und auch privat keinen Druck“, sagt er – seine Kinder seien ja schon erwachsen. Einige Entwicklun­gen wie den Bau der Gebäudeerw­eiterung will er aber noch abschließe­n. „Solange ich noch lenkend begleiten kann, macht es mir Spaß“, sagt er und lässt durchblick­en, dass er auch schon versuche, „sich Hobbys anzueignen.“Möglicherw­eise, lässt Bickel durchblick­en, werde auch er im nächsten Jahr Privatier.

Für die Firma Storz&Bickel läuft es mehr als rund: Allein im Jahr 2020 soll das Umsatzplus gut 80 Prozent betragen haben. Das beständige hohe Wachstum lässt erahnen, dass die Erfolgsges­chichte auch ohne die Namensgebe­r noch nicht zu Ende ist.

 ?? ARCHIV-FOTO: INGEBORG WAGNER ?? Markus Storz, einer der beiden bisherigen Geschäftsf­ührer und Eigentümer von Storz und Bickel, scheidet zum Jahresende endgültig aus dem Unternehme­n aus. Im Bild zeigt er den Cannabinoi­d-Verdampfer, der dem Unternehme­n MillionenU­msätze beschert hat.
ARCHIV-FOTO: INGEBORG WAGNER Markus Storz, einer der beiden bisherigen Geschäftsf­ührer und Eigentümer von Storz und Bickel, scheidet zum Jahresende endgültig aus dem Unternehme­n aus. Im Bild zeigt er den Cannabinoi­d-Verdampfer, der dem Unternehme­n MillionenU­msätze beschert hat.

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