Tracker piepst bei zu geringem Abstand
Königsheimer Firma EZU geht in der Corona-Vorsorge ganz neue Wege
KÖNIGSHEIM - „Wir haben ein Tracking System, das uns hilft, unsere kleine Welt bei EZU im Griff zu halten“, sagt Andreas Zumkeller, Chef des 160-Mitarbeiter-Zuliefererbetriebs EZU in Königsheim. Vermutlich als eine der ersten Firmen in der Region hat der Automobil-Zulieferer ein ganz neues System einer Dornbirner Firma angeschafft. Das ermöglicht es, nachzuverfolgen, wenn in der Firma ein später positiv auf Corona getesteter Mitarbeiter mehr als drei Sekunden in einem Abstand von unter 1,50 Metern andere getroffen hat. Und: Der Tracker piepst, wenn ihm ein zweiter zu nahe kommt.
Am Anfang sei diese Technik mit Argwohn beäugt worden, aber eine Überwachung der Mitarbeiter sei dadurch gar nicht möglich, so Zumkeller. Weder Zeiten noch Orte noch Wege würden erfasst, nur dann, wenn Tracker A Tracker B getroffen hat. So könnten im Fall eines positiven Mitarbeiters die zehn Kollegen, die ihn näher getroffen haben, beim Institut für Arbeitsmedizin in Tuttlingen getestet werden und insgesamt verhindert werden, dass das Virus in der Belegschaft grassiere, so Zumkeller.
Lange bevor alle anderen in der Region Hygienekonzepte erstellten oder sich anderweitig auf die heraufziehende Pandemie einstellten, hatte Zumkeller Masken und Desinfektionsmittel noch zu „fairen Preisen“geordert und verteilt. Schon im Januar wurde der Handschlag verboten, einschneidend für eine Firma, in der diese Geste als Zeichen gegenseitigen Respekts aktiv gepflegt wurde.
„Ich wusste schon im Dezember von chinesischen Kunden, was dort abgeht“sagt Zumkeller, und er habe täglich drei Mal mit Freunden aus Bergamo telefoniert. Sein Impuls zu handeln: „Wir sind näher an Bergamo, als an Berlin.“Er orderte Masken zum Spenden über einen chinesischen Freund gegen Vorkasse, wie in China üblich, aber zu seinem großen Erstauen habe keiner die Masken haben wollen. „Über Ostern habe ich sie an meine Leute ausgegeben, wir hatten einen Drive-In hier“, sagt Zumkeller.
Die Regeln waren streng, die Kantine geschlossen, im Sommer gab es nur leichte Lockerungen. Es habe keine einzige Abmahnung gebraucht zum Einhalten der Regeln. Allen sei klar gewesen, egal, wie sie sich außerhalb des Betriebs zu den Maßnahmen stellten: Ab Parkplatz EZU gelten die Abstands- und Hygieneregeln. Abstand sei das wichtigste Thema, das hätten ihm die Freunde aus Bergamo gesagt. Wenn man so viele Leichen gesehen habe, dann hinterfrage man das nicht mehr.
Im Frühjahr seien keine Mitarbeiter und auch niemand aus deren Umfeld betroffen gewesen. Zumkeller wusste aber wie viele andere, dass es nicht bei der ersten Welle bleibt und organisierte über den Sommer Testkapazitäten sowie weitere Hygieneund Schutzeinrichtungen. Darunter eben auch die Tracker, jeder Mitarbeiter hat einen eigenen.
Der Pieps, den der Tracker ausstoße, erinnere die Mitarbeiter an die Distanz und gebe überhaupt erst einmal das Gefühl für einen Abstand von 1,50 Metern. Abends wird er wieder auf die Station gesteckt und die Treffer ausgelesen. In den ersten drei Tagen habe es Probleme gegeben: Manche haben versehentlich den Tracker nach Hause genommen, andere ihn versehentlich auf den falschen Platz der Station gesteckt und so mit einem anderen Kollegen vertauscht und ähnliches. Aber inzwischen sei alles eingespielt. „Es haben alle kapiert, dass man nichts Böses will.“
Jenseits dessen hat auch EZU Kurzarbeit angemeldet: 30, 50 und 70 Prozent übers Jahr. Jetzt sind es nur noch zehn, 15 Prozent Quote. Die Pandemie hat das Unternehmen mitten in einer Expansionsphase getroffen. 2020 sollte das zweite Werk in Balingen-Engstlatt ausgebaut werden. Trotzdem: Entlassungen habe es keine gegeben.
2019 sei bei EZU das beste Jahr der Firmengeschichte gewesen, noch im März habe man den höchsten Umsatz der Firmengeschichte verzeichnet und dann der Einbruch zwischen April und Juli. Die Versorgungslage wegen dichter Grenzen seien gar nicht mal das Problem gewesen man habe sich mit Rohstoffen rechtzeitig eingedeckt, so Zumkeller. Insgesamt seien die Aufträge mit sechs bis neun Monaten Verzug stabil.
Die Sorgen wegen des Brexits treiben den Firmenchef um und auch die Sorge, die Regierung oder die großen Zulieferer wie Bosch träfen eine Entscheidung in der Antriebstechnologie, die dem Diesel den Garaus mache. Eine Technologie, die für Zumkeller noch lange nicht ausgemustert sei: „Der Euro 7 hat eine Chance.“Trotzdem hält er ganz und gar nichts von Jammern. Man solle sich bloß einmal überlegen: Restaurantbesitzer müssten jeden einzelnen Tag um Kunden werben. Im Gegensatz dazu seien die Kunden seines Werks treu, weil die Firma hoch spezialisiert sei.
Und der Standort Königsheim sei nach wie vor sehr attraktiv: Die Leute seien Schaffer, es gebe keinen Stau auf dem Heuberg, man habe ein tolles Team, „Es ist ein Traum hier.“Aber vor 2021 hat Zumkeller Respekt. Die Pandemie sei noch lange nicht vorbei.
Jüngst habe man die langjährigen Mitarbeiter geehrt, eine Prämie wurde ausgezahlt und auch gespendet wird in diesem Jahr wieder: 10 000 Euro an den Verein „Ich helfe Dir“in Trossingen, der sowohl Projekte in Uganda als auch hier in der Region unterstütze.
Zumkellers Schwester, die bisher in der Unternehmensführung war, ist in diesem Frühjahr ausgestiegen, um sich ihren Traum vom einem Blumenladen zu erfüllen. An ihrer Stelle ist ein zweiter Co-Geschäftsführer eingestiegen: Andreas Reichle. So ist die Firmenführung wieder rein männlich: Andreas Zumkeller (45), Andreas Reichle (40) und Manuel Welte (39).