Wechsel an der Rathausspitze
Clemens Maier verlässt die Stadt Richtung Stuttgart - Trossingen wählt Susanne Irion
TROSSINGEN - Trossingen beendet das Jahr 2020 mit einem neuen Stadtoberhaupt: Susanne Irion ist am Nikolaustag zur neuen Bürgermeisterin der Musikstadt gewählt worden. Sie folgt als erste Frau an der Rathausspitze auf Clemens Maier, der Ende Oktober als Ordnungsbürgermeister in die Landeshauptstadt wechselt.
Mitten in die Corona-Pandemie platzt in Trossingen im Mai die Nachricht, dass Bürgermeister Clemens Maier vielleicht nicht mehr lange im Chefsessel im Rathaus sitzen wird. Die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler in Stuttgart hat ihn als ihren Kandidaten für das Amt des Ordnungsbürgermeisters nominiert. Bedeutet: Wenn Maier in Stuttgart gewählt wird, muss Trossingen im Dezember einen neuen Bürgermeister wählen. Obwohl noch gar nicht klar ist, ob es dazu überhaupt kommt, werden in der Musikstadt im Sommer bereits mögliche Nachfolger gehandelt. Der Name Ralf Sulzmann, Hauptamtsleiter der Stadt, fällt. Aber auch über eine mögliche Kandidatur von Susanne Irion, amtierende Bürgermeisterin von Holzmaden im Kreis Esslingen, wird früh schon spekuliert.
Erstmal bekommt Maier aber einen Gegenkandidaten: Christoph Ozasek, von der linken Fraktionsgemeinschaft ins Rennen geschickt, und in Sachen Verkehr sehr engagiert. Derweil gräbt die örtliche Presse in Stuttgart eine Rede Maiers aus dem Tuttlinger Kreistag aus, in der er der Förderung des Umstiegs vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel eher kritisch gegenübersteht. Der kleine Aufreger in der Landeshauptstadt ist vorprogrammiert, der Wahlausgang aber trotzdem relativ sicher. Denn die Fraktion der Freien Wähler hat das Vorschlagsrecht und traditionell wird der Vorschlag von den anderen Fraktionen mitgetragen. So kommt es dann auch bei der Wahl im September. Der Stuttgarter Gemeinderat wählt Maier, wie es ganz offiziell heißt, zum neuen Beigeordneten für Sicherheit, Ordnung und Sport. Maier zitiert das lachende und weinende Auge: Er freue sich auf die neue Herausforderung, aber gleichzeitig falle ihm der Weggang schwer, sagt er, schließlich arbeite er sehr gerne hier.
Damit ist nun klar: Auch die Trossinger müssen noch in diesem Jahr an die Urne. Anfang Oktober wirft als erster Bewerber Hauptamtsleiter Ralf Sulzmann seinen Hut in den Ring. Ihm stärken FDP und Freie Wähler den Rücken. Kurz darauf teilt Susanne Irion mit, sich mit dem Gedanken zu tragen, als Bürgermeisterin zu kandidieren. Vorher will sie sich aber Zeit nehmen, um sich umzuhören und herauszufinden, ob sie tatsächlich als Bürgermeisterin nach Trossingen passen würde. Obwohl ihre Bewerbung noch nicht offiziell ist, ist sie den Oktober über genauso präsent in der Stadt wie Sulzmann. Anfang November macht die 35-Jährige dann Nägel mit Köpfen und gibt ihre Bewerbung ab. CDU, OGL und TNG erklären ihre Unterstüzung für Irion. Die SPD bleibt derweil neutral. Im Wahlkampf fällt Ralf Sulzmann eher die Rolle des Bewahrers von Bewährtem zu, Susanne Irion tritt als Erneuerin mit vielen frischen Ideen an. Beide haben zahlreiche Befürworter, präsentieren sich als kompetente mögliche Nachfolger für Clemens Maier. Trossingen stellt sich auf einen Zweikampf um die Rathausspitze ein.
Im Gemeindewahlausschuss kommt es dann aber wenig später zur großen Überraschung. Auch der Trossinger Raumausstatter Stephen Trewer und der Spaichinger Landschaftsgärtner Torsten Kelpin wollen Bürgermeister werden. Allerdings steckt keiner der beiden viel Aufwand in die Verwirklichung dieses Ziels. Einen aktiven Wahlkampf erwarten die Trossinger vergeblich.
Für deutlich mehr Gesprächsstoff sorgt da stattdessen die offizielle Kandidatenvorstellung in der Fritz-Kiehn-Halle Ende November, oder vielmehr deren Nachgang. Die CDU empfindet Susanne Irion bei der Fragenauswahl als benachteiligt und scheitert mit einem Antrag, Bürgermeister-Stellvertreter Gustav Betzler (Freie Wähler) - der die Fragen nicht alleine, aber mitausgewählt hat - als Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses für die Bürgermeisterwahl abzulösen. Die Stimmung im Gemeinderat bleibt angespannt.
Indes tut man sich in Trossingen schwer mit Wahlprognosen. Während Trewer und Kelpin die Außenseiterrollen
zufallen - weder die Bürger noch die Kandidaten selbst räumen sich Chancen aufs Amt ein -, erwarten die meisten ein enges Rennen zwischen Irion und Sulzmann. Sogar ein möglicher zweiter Wahlgang ist bei einigen im Gespräch.
Dazu kommt es dann aber nicht. Am spannenden Nikolausabend geht Susanne Irion schnell in Führung und gewinnt die Wahl mit 56 Prozent klar und deutlich. 39 Prozent der Stimmen entfallen auf Ralf Sulzmann. Trewer erhält drei Prozent und Kelpin, der im Vorfeld auf ein zweistelliges Ergebnis hoffte, ein Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei 50,27 Prozent.
Eine strahlende Susanne Irion nimmt auf dem Balkon des Rathauses im zarten Schneegestöber den obligatorischen Blumenstrauß von Bürgermeister-Stellvertreter Betzler entgegen und richtet einige Worte an die trotz Corona und Winterwetter auf dem Schultheiß-Koch-Platz erschienenen Trossinger. Bei ihrem Konkurrenten Sulzmann bedankt sie sich für den fairen Wahlkampf und betont gleich, sich auf eine gute künftige Zusammenarbeit zu freuen. Sulzmann ist seinerseits einer der ersten Gratulanten der neuen künftigen Bürgermeisterin.
Versöhnliche Töne sind nach der Wahl auch von den Fraktionen zu hören. Betzler versichert Irion, dass seine Fraktion als gute Demokraten hinter dem Wahlergebnis stehe und gemeinsam mit ihr die Stadt voranbringen und weiterentwickeln wolle. CDU-Fraktionssprecher Clemens Henn zeigt sich zuversichtlich, dass die Verwerfungen im Gemeinderat keine großen Narben hinterlassen werden.
Auf ein streitendes Gremium muss sich Susanne Irion also nicht einstellen, wenn sie am 1. Februar die Amtsgeschäfte in Trossingen übernimmt. Bis dahin ist sie aber noch in Holzmaden voll eingebunden.