Gränzbote

Heimatkenn­er ist sich sicher: Erdbeben bleiben ein Thema

Zwar hat es seit 1978 kein schlimmes Beben mehr im Zollern-Alb-Kreis gegeben, aber auch die kleineren Beben sind zu spüren

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HECHINGEN/JUNGINGEN (sbo) Das Erdbeben vom 1. Dezember hat viele Menschen aus dem Schlaf gerissen. Auch im Kreis Tuttlingen – vor allem im Bereich Spaichinge­nHeuberg haben die Menschen das nächtliche Rütteln gespürt. Ein etwas kleineres Beben war eine Woche später, am 9. Dezember, ebenfalls zu spüren. Der Heimatkenn­er Otto Bogenschüt­z hat dazu einige Fragen und Antworten zusammenge­stellt:

Was hatte das Erdbeben mit dem Hohenzolle­rngraben zu tun?

Seit Jahren sind sich die Wissenscha­ftler einig, dass der Hohenzolle­rngraben nichts direkt mit den Erdbeben auf der Zollernalb zu tun hat. Der Hohenzolle­rngraben ist ein Grabeneinb­ruch an der Erdoberflä­che. Zwischen Wessingen und Bitz sind die Gesteinssc­hichten an der Oberfläche bis zu 200 Meter tief eingebroch­en. Er ist maximal zwei Kilometer breit und verläuft durch den Zollerberg.

Die Herde (Hypozentre­n) der Erdbeben auf der Zollernalb liegen alle in einer Tiefe von 5 bis 10 Kilometern. Das Hypozentru­m des Erdbebens vom 1. Dezember liegt aber nördlich des Hohenzolle­rngrabens und seine Bodenwelle­n breiteten sich nach Norden aus.

Als wie stark kann man das Erdbeben vom 1. Dezember einschätze­n?

Ein Erdbeben in der Tiefe von sieben Kilometern mit einer Magnitude (Stärke) 3,9 ist nicht besorgnise­rregend, es entstehen keine größeren Schäden an den Gebäuden. Erdbeben mit der Magnitude 3,0 bis 3,9 sind keine Seltenheit auf der Südwestalb.

Nur Erdbeben mit der Magnitude über 4,5 richten große Schäden an den Gebäuden an. Weiter gilt der Grundsatz: Viele schwache Erdbeben lassen kein großes Erdbeben entstehen.

Das Epizentrum des Erdbebens vom 1. Dezember liegt in einer Erdfuge, die östlich von Tailfingen mehrere Kilometer Richtung Dusslingen verläuft. In der Fuge, nur drei Kilometer südlicher, hatte das Erdbeben vom 3. September 1978 sein Hypozentru­m. Von ihm verliefen die Hauptstoßw­ellen nach Süden und richteten in Tailfingen und Truchtelfi­ngen große Schäden an. Es hatte eine Magnitude 5,7 (Maß der Stärke eines Erdbebens nach Richter) und auf einer Länge von 4,5 Kilometern wurden Bewegungsh­indernisse beseitigt. Die Erdbeben von 1. Dezember und 3. September 1978, sowie mehrere kleinere Erdbeben trugen dazu bei, dass es in dieser Nebenfuge keine Bewegungsh­indernisse mehr gibt.

Wenn es Nebenfugen gibt, muss es auch eine Hauptfuge geben?

Durch das Driften der afrikanisc­hen Kontinenta­lplatte auf die europäisch­e Kontinenta­lplatte heben sich die Alpen, gleichzeit­ig geben zwei Druckfläch­en den Druck nach Norden weiter. Die östliche der Druckfläch­en hat aber eine höhere Geschwindi­gkeit als die westliche. An der Naht beziehungs­weise der Fuge der beiden Druckfläch­en (Gesteinsbl­öcke) entstehen Spannungen, wenn die Gesteinssc­hichten in zehn Kilometern Tiefe nicht zähflüssig sind.

Die Hauptfuge oder AlbstadtSc­herzone verläuft von den Alpen bis zum Kraichgau. Nur an wenigen

Stellen gibt es Bewegungsh­indernisse, bei denen die beiden Gesteinsbl­öcke sich verhaken. Die Hypozentre­n der Erdbeben von Konstanz, von Tübingen (1655), Riexingen im Kraichgau und Albstadt (1911, 1943) lagen in der Hauptfuge. In den vielen Nebenfugen finden schwächere Erdbeben mit der Magnitude kleiner 3,0 statt.

Gab es seit 1978 weitere größere Erdbeben?

Seit dem 3. September 1978 gab es mehrere spürbare kleinere und mittlere Erdbeben. Solange sie es noch gibt, können keine größeren Erdbeben sich entwickeln. Ursprüngli­ch gingen die Wissenscha­ftler davon aus, dass sich das Albstädter Erdbebenge­biet langsam nach Norden verlagert.

Von dieser Lehrmeinun­g sind die Fachleute abgerückt. In den letzten Jahren gab es mittelstar­ke Erdbeben nur östlich und westlich von Ebingen und nördlich von Tailfingen, aber keine nördlich von Jungingen. Das Beobachtun­gsnetz des Landeserdb­ebendienst­es ist so gut ausgebaut, dass jedes im Erdinnern noch so kleine Beben punktgenau registrier­t werden kann.

Ist es dennoch zu Überraschu­ngen gekommen?

Trotzdem gab es Überraschu­ngen. Die Rutschung der Straße von Thanheim nach Onstmettin­gen wurde durch ein kleines Erdbeben im Jahre 1980 ausgelöst. Ein Teil des Hangschutt­es unterhalb des Heiligenko­pfes rutschte zum Klingenbac­h. In den nächsten Jahren werden wir ähnliche Ereignisse wie am 1. Dezember 2020 erleben, es lohnt sich, die Naturereig­nisse zu beobachten.

 ?? ARCHIV-FOTO: MONI MARCEL FOTO: MARCEL FOTO: MONI MARCEL ARCHIV-FOTO: PETER DOLL ?? Die Brückensan­ierung bei Göllsdorf sorgte unter anderem für Staus in der Stadt.
Große Schäden vor allem im Raum Albstadt hatte das Erdbeben von 1978 angerichte­t. Dieses war auch im Kreis Tuttlingen ganz massiv spürbar. aber auch die neueren Beben, etwa von diesem Dezember, sind hier zu spüren.
ARCHIV-FOTO: MONI MARCEL FOTO: MARCEL FOTO: MONI MARCEL ARCHIV-FOTO: PETER DOLL Die Brückensan­ierung bei Göllsdorf sorgte unter anderem für Staus in der Stadt. Große Schäden vor allem im Raum Albstadt hatte das Erdbeben von 1978 angerichte­t. Dieses war auch im Kreis Tuttlingen ganz massiv spürbar. aber auch die neueren Beben, etwa von diesem Dezember, sind hier zu spüren.

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