Investitionen nur bei Kredit möglich
Momentan können sich die Stadtwerke nur auf das Kerngeschäft konzentrieren
Rückläufige Gewinne machen den Stadtwerken die Arbeit schwer.
TUTTLINGEN - Mehr als 900 000 Euro Gewinn haben die Stadtwerke Tuttlingen (SWT) im vergangenen Jahr erzielt. Trotz des satten Plus steckt der städtische Betrieb in einem Dilemma. Investitionen in die Strom- und Wasserinfrastruktur sind weiterhin notwendig. Über die finanziellen Mittel verfügt das Unternehmen aber nicht. Es bleibt nur der Gang zur Bank.
„Sämtliche Investitionen müssen durch eine Kreditaufnahme fremdfinanziert werden“, erklären die Stadtwerke auf Nachfrage unserer Zeitung. Dies liegt in erster Linie an der besonderen Struktur, dessen Teil die Stadtwerke sind (s. Infokasten). Vom steuerlichen Vorteil des Querverbunds profitiert die Stadt weiterhin. Allerdings hat die Gewinnabführung für die Stadtwerke Nachteile. Die Gewinne sind rückläufig – von 2018 auf 2019 verringerte sich das Plus um 224 000 Euro. Weiterhin genügt der finanzielle Überschuss der Stadtwerke und der Parkhaus-GmbH nicht, um die Verluste der Bäder aufzufangen. „So kann auch kein Eigenkapital aufgebaut werden“, erklären die SWT. Dies wäre nur der Fall, wenn die Gewinne die Verluste übersteigen und der Überschuss an die Stadtwerke zurückfließen würde.
Ob demnächst wieder mehr Geld in die Kassen der Stadtwerke fließen, ist unklar. Einen Großteil der Erlöse erhalten die Stadtwerke über die Netznutzungsentgelte. Dieses „Wegegeld“muss jeder Stromlieferant entrichten, dafür, dass Strom durch das Netz transportiert werden darf. Allerdings müssen die SWT momentan ihre Forderung auf der Basis von 2011 stellen. Dies liegt aber nicht am Tuttlinger Unternehmen. „Wir dürfen das Netzentgelt nicht beliebig festlegen“, teilen die SWT mit. Dafür gebe es ein komplexes Verfahren, in dem die Kosten des Netzbetriebs geprüft und daraus die maximal zulässigen Einnahmen – die Erlösobergrenze – festgelegt werden. Die Stadtwerke warten noch auf die Entscheidung der Landesregulierungsbehörde. Man habe die Kostenprüfung und Kostenfestsetzung im Dezember 2017 zugesandt. Weil die Erlösobergrenze für die Jahre 2019 bis 2023 – auf der Basis der 2016er Daten – noch nicht vorlag, musste die Rechnung nach den Maßstäben von 2011 gestellt werden.
Erlöse, die den SWT ab dem Jahr 2019 entgangen sind, werden zwar erfasst und sollen in den Folgejahren nachgeholt werden. „Die Höhe der entgangenen Erlöse lässt sich aber nur schwer abschätzen, da sie von der Beurteilung und Genehmigung der Behörde abhängen“, schreiben die SWT.
An Kritik an dem Verfahren mangelt es deshalb nicht. Die Liberalisierung des Netzes, jeder Wettbewerber müsse zu gleichen Konditionen im Markt vertreten sein dürfen, habe die Schwachstelle, dass sich auch jemand um die Netze kümmern muss. „Stromanbieter kaufen und verkaufen Strom. Sie verfügen aber über keine Infrastruktur“, heißt es von den SWT. Zwar seien Investitionen in die Erlösobergrenze miteinkalkuliert. „Daraus ergeben sich zunächst keine Nachteile für die Stadtwerke. Der finanzielle Nachteil entsteht durch die zeitliche Verzögerung zwischen Antragstellung und Genehmigung der Netzentgelte.“
Die Stadtwerke hoffen, dass im kommenden Jahr auf der Basis von 2016 die Netzentgelte berechnet werden dürfen. Dies ist auch nötig. Schließlich stehen umfassende Investitionen bevor. Allein für die Erneuerung des Wasserwerks Riedgraben sind mit fünf bis sieben Millionen Euro zu rechnen. Das Geld muss bei der Bank aufgenommen werden, genauso wie die Mittel für die Erschließung von Neubaugebieten, den Ausbau von Wärmenetzen oder das Aufholen des Investitionsstaus in den Wasser- und Stromnetzen. Langfristig, so teilen es die SWT mit, führe dies „zu einer stark steigenden Belastung durch Fremdkapitalzinsen und Rückzahlungsverpflichtungen.“
Ein über das Kerngeschäft hinausreichendes Engagement in neue Geschäftsfelder, wie der Aufbau der Infrastruktur für E-Mobilität oder Wasserstoff, sieht das Unternehmen wegen der hohen Anfangsinvestitionen kritisch. „Wir halten an der bewährten Strategie fest, Innovationen nur dann in unser Leistungsportfolio aufzunehmen, wenn dies wirtschaftlich tragfähig ist. Der Schwerpunkt der Stadtwerke liegt wie in den Vorjahren auf der Stabilisierung des Kerngeschäfts.“
Um die Eigenkapitalquote mittels Gewinnen zu stabilisieren und weniger auf Fremdkapital angewiesen zu sein, sollen die Verluste der Tuttlinger Bäder weiter verringert werden. Außerdem arbeiten die Stadtwerke an der Profitabilität einzelner Sparten, was auch Preiserhöhungen einschließt. Mit der Stadt überlege man sich ein nachhaltiges Finanzierungskonzept. Dabei sei der Spielraum aber durch EU-Vorschriften begrenzt. „Kurz- und mittelfristig müssen Möglichkeiten gefunden werden, die Bäderverluste zu reduzieren oder durch weitere Finanzquellen neben dem Gewinn der Stadtwerke zu decken.“Dies ist in Zeiten von Corona aber nicht möglich. Der Betrieb der Bäder hat bei geringeren Besucherzahlen noch zu weit höheren Verlusten geführt.
Die Stadtwerke Tuttlingen gehören wie die Tuttlinger Parkhaus GmbH als Tochterunternehmen zur Tuttlinger Bäder GmbH. Beide Betriebe führen die Gewinne (Stadtwerke: 921 858,70 Euro; Parkhaus: 91 545,10 Euro) ab und finanzieren damit das Tuwass und das Freibad. Das Minus der Bäder belief sich im vergangenen Jahr auf gut 1,1 Millionen Euro. Diese Struktur orientiert sich am „steuerlichen Querverbund“. Dieses Konstrukt erlaubt es Kommunen, defizitäre Dienstleistungen wie Bäder oder den ÖPNV mit anderen Geschäftsfeldern zu verrechnen und so Steuern zu sparen.