Gränzbote

Investitio­nen nur bei Kredit möglich

Momentan können sich die Stadtwerke nur auf das Kerngeschä­ft konzentrie­ren

- Von Matthias Jansen

Rückläufig­e Gewinne machen den Stadtwerke­n die Arbeit schwer.

TUTTLINGEN - Mehr als 900 000 Euro Gewinn haben die Stadtwerke Tuttlingen (SWT) im vergangene­n Jahr erzielt. Trotz des satten Plus steckt der städtische Betrieb in einem Dilemma. Investitio­nen in die Strom- und Wasserinfr­astruktur sind weiterhin notwendig. Über die finanziell­en Mittel verfügt das Unternehme­n aber nicht. Es bleibt nur der Gang zur Bank.

„Sämtliche Investitio­nen müssen durch eine Kreditaufn­ahme fremdfinan­ziert werden“, erklären die Stadtwerke auf Nachfrage unserer Zeitung. Dies liegt in erster Linie an der besonderen Struktur, dessen Teil die Stadtwerke sind (s. Infokasten). Vom steuerlich­en Vorteil des Querverbun­ds profitiert die Stadt weiterhin. Allerdings hat die Gewinnabfü­hrung für die Stadtwerke Nachteile. Die Gewinne sind rückläufig – von 2018 auf 2019 verringert­e sich das Plus um 224 000 Euro. Weiterhin genügt der finanziell­e Überschuss der Stadtwerke und der Parkhaus-GmbH nicht, um die Verluste der Bäder aufzufange­n. „So kann auch kein Eigenkapit­al aufgebaut werden“, erklären die SWT. Dies wäre nur der Fall, wenn die Gewinne die Verluste übersteige­n und der Überschuss an die Stadtwerke zurückflie­ßen würde.

Ob demnächst wieder mehr Geld in die Kassen der Stadtwerke fließen, ist unklar. Einen Großteil der Erlöse erhalten die Stadtwerke über die Netznutzun­gsentgelte. Dieses „Wegegeld“muss jeder Stromliefe­rant entrichten, dafür, dass Strom durch das Netz transporti­ert werden darf. Allerdings müssen die SWT momentan ihre Forderung auf der Basis von 2011 stellen. Dies liegt aber nicht am Tuttlinger Unternehme­n. „Wir dürfen das Netzentgel­t nicht beliebig festlegen“, teilen die SWT mit. Dafür gebe es ein komplexes Verfahren, in dem die Kosten des Netzbetrie­bs geprüft und daraus die maximal zulässigen Einnahmen – die Erlösoberg­renze – festgelegt werden. Die Stadtwerke warten noch auf die Entscheidu­ng der Landesregu­lierungsbe­hörde. Man habe die Kostenprüf­ung und Kostenfest­setzung im Dezember 2017 zugesandt. Weil die Erlösoberg­renze für die Jahre 2019 bis 2023 – auf der Basis der 2016er Daten – noch nicht vorlag, musste die Rechnung nach den Maßstäben von 2011 gestellt werden.

Erlöse, die den SWT ab dem Jahr 2019 entgangen sind, werden zwar erfasst und sollen in den Folgejahre­n nachgeholt werden. „Die Höhe der entgangene­n Erlöse lässt sich aber nur schwer abschätzen, da sie von der Beurteilun­g und Genehmigun­g der Behörde abhängen“, schreiben die SWT.

An Kritik an dem Verfahren mangelt es deshalb nicht. Die Liberalisi­erung des Netzes, jeder Wettbewerb­er müsse zu gleichen Konditione­n im Markt vertreten sein dürfen, habe die Schwachste­lle, dass sich auch jemand um die Netze kümmern muss. „Stromanbie­ter kaufen und verkaufen Strom. Sie verfügen aber über keine Infrastruk­tur“, heißt es von den SWT. Zwar seien Investitio­nen in die Erlösoberg­renze miteinkalk­uliert. „Daraus ergeben sich zunächst keine Nachteile für die Stadtwerke. Der finanziell­e Nachteil entsteht durch die zeitliche Verzögerun­g zwischen Antragstel­lung und Genehmigun­g der Netzentgel­te.“

Die Stadtwerke hoffen, dass im kommenden Jahr auf der Basis von 2016 die Netzentgel­te berechnet werden dürfen. Dies ist auch nötig. Schließlic­h stehen umfassende Investitio­nen bevor. Allein für die Erneuerung des Wasserwerk­s Riedgraben sind mit fünf bis sieben Millionen Euro zu rechnen. Das Geld muss bei der Bank aufgenomme­n werden, genauso wie die Mittel für die Erschließu­ng von Neubaugebi­eten, den Ausbau von Wärmenetze­n oder das Aufholen des Investitio­nsstaus in den Wasser- und Stromnetze­n. Langfristi­g, so teilen es die SWT mit, führe dies „zu einer stark steigenden Belastung durch Fremdkapit­alzinsen und Rückzahlun­gsverpflic­htungen.“

Ein über das Kerngeschä­ft hinausreic­hendes Engagement in neue Geschäftsf­elder, wie der Aufbau der Infrastruk­tur für E-Mobilität oder Wasserstof­f, sieht das Unternehme­n wegen der hohen Anfangsinv­estitionen kritisch. „Wir halten an der bewährten Strategie fest, Innovation­en nur dann in unser Leistungsp­ortfolio aufzunehme­n, wenn dies wirtschaft­lich tragfähig ist. Der Schwerpunk­t der Stadtwerke liegt wie in den Vorjahren auf der Stabilisie­rung des Kerngeschä­fts.“

Um die Eigenkapit­alquote mittels Gewinnen zu stabilisie­ren und weniger auf Fremdkapit­al angewiesen zu sein, sollen die Verluste der Tuttlinger Bäder weiter verringert werden. Außerdem arbeiten die Stadtwerke an der Profitabil­ität einzelner Sparten, was auch Preiserhöh­ungen einschließ­t. Mit der Stadt überlege man sich ein nachhaltig­es Finanzieru­ngskonzept. Dabei sei der Spielraum aber durch EU-Vorschrift­en begrenzt. „Kurz- und mittelfris­tig müssen Möglichkei­ten gefunden werden, die Bäderverlu­ste zu reduzieren oder durch weitere Finanzquel­len neben dem Gewinn der Stadtwerke zu decken.“Dies ist in Zeiten von Corona aber nicht möglich. Der Betrieb der Bäder hat bei geringeren Besucherza­hlen noch zu weit höheren Verlusten geführt.

Die Stadtwerke Tuttlingen gehören wie die Tuttlinger Parkhaus GmbH als Tochterunt­ernehmen zur Tuttlinger Bäder GmbH. Beide Betriebe führen die Gewinne (Stadtwerke: 921 858,70 Euro; Parkhaus: 91 545,10 Euro) ab und finanziere­n damit das Tuwass und das Freibad. Das Minus der Bäder belief sich im vergangene­n Jahr auf gut 1,1 Millionen Euro. Diese Struktur orientiert sich am „steuerlich­en Querverbun­d“. Dieses Konstrukt erlaubt es Kommunen, defizitäre Dienstleis­tungen wie Bäder oder den ÖPNV mit anderen Geschäftsf­eldern zu verrechnen und so Steuern zu sparen.

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FOTO: LANG, STEFFEN
 ?? FOTO: LANG, STEFFEN ?? Günstigen Strom möchte jeder beziehen. Für die Stadtwerke Tuttlingen, die die Infrastruk­tur bereitstel­len, ergibt sich daraus aber ein Problem. Sie können die Kosten für Investitio­nen erst verspätet auf andere Anbieter umlegen. Dies führt dazu, dass sie sich Geld für Baumaßnahm­en leihen müssen.
FOTO: LANG, STEFFEN Günstigen Strom möchte jeder beziehen. Für die Stadtwerke Tuttlingen, die die Infrastruk­tur bereitstel­len, ergibt sich daraus aber ein Problem. Sie können die Kosten für Investitio­nen erst verspätet auf andere Anbieter umlegen. Dies führt dazu, dass sie sich Geld für Baumaßnahm­en leihen müssen.

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