Mit Stallpflicht gegen die Vogelgrippe
Im Kreis Tuttlingen darf Geflügel nicht mehr ins Freie – Bayern schon länger betroffen
STUTTGART - Vor einem Monat hat es Bayern erwischt, nun ist die Vogelgrippe im Südwesten angekommen. Nach zwei bestätigten Fällen haben die Landratsämter von Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis Regeln erlassen, um die Seuche einzudämmen. Was das für Geflügelhalter und Verbraucher bedeutet:
Was ist die Vogelgrippe?
Die Vogelgrippe oder Geflügelpest ist eine Viruserkrankung, die viele verschiedene Erregertypen der Influenzaviren umfasst. Bei Hunderten toten Wildvögeln an den deutschen Küsten wurde das Virus bereits in diesem Herbst und Winter nachgewiesen, einige Funde gab es zudem in Bayern. Zuletzt kämpfte Deutschland vor drei Jahren mit einer Epidemie: Im Winter 2016/2017 musste Geflügel auch in Baden-Württemberg über Wochen im Stall bleiben.
Wie ist die Geflügelpest in den Südwesten gekommen?
Das Virus wurde bei einem toten Mäusebussard an einem Weiher nahe Donaueschingen gefunden, wie das Agrarministerium am ersten Weihnachtsfeiertag erklärte. Nun ist klar: Es handelt sich um den hoch ansteckenden Erregertyp H5N8. Auch bei einem Höckerschwan wurde Vogelgrippe inzwischen nachgewiesen. Die Landratsämter des Schwarzwald-Baar-Kreises und Tuttllingens haben am Montag sogenannte Allgemeinverfügungen erlassen. Diese regeln, was nun zu tun ist. Sie treten am Dienstag in Kraft.
Was müssen Geflügelhalter tun?
Für Geflügel gilt zum Schutz vor einer Infektion absolute Stallpflicht zunächst bis zum 15. März. Das betrifft nicht nur Landwirte, die etwa Hühner oder Gänse halten, sondern auch Hobby-Züchter und Privatleute, die Vögel besitzen. In die Ställe dürfen keine Wildvögel eindringen können. Wer den Stall betritt, muss besondere Hygiene- und Desinfektionsvorschriften beachten. „Die Gefahr ist groß“, sagt Wilhelm Schöndienst, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Rottweil-Tuttlingen. „Denn wenn der Erreger im Bestand auftaucht, muss der ganze Bestand gekeult werden.“Heißt: Alle Tiere werden getötet, erkrankte Tiere zu behandeln ist verboten. Die Halter müssen zudem jeden Werktag in ein Register eintragen, wie viele ihre Tiere gestorben sind. Sterben zu viesetzen. le, muss ein Tierarzt die toten Tiere auf das Virus untersuchen.
In Bayern gilt Stallpflicht im Landkreis Rottal-Inn und in weiten Teilen des Kreises Passau, wo einige infizierte Tiere gefunden worden waren. Die Stallpflicht werde erst aufgehoben, wenn die zuständigen Behörden vor Ort kein Risiko mehr für Nutz- und Haustiere sehen, erklärt ein Sprecher des zuständigen Umweltministeriums auf Anfrage.
Setzen die Regeln Geflügelhalter unter Druck?
Hygienemaßnahmen seien eingeübt, sagt Bauernvertreter Schöndienst. „Die größten Probleme haben die Betriebe mit Legehennen mit Auslauf.“Auch Betreibern von mobilen Ställen könnten die Maßnahmen zuSchöndienst befürwortet aber die Maßnahmen. „Da ist jeder zur Vorsicht aufgerufen, dass die Vorkehrungen strikt umgesetzt werden.“Wichtig sei aber, dass die Tiere und ihre Eier weiterhin als Freilandprodukte verkauft werden dürfen. Zwölf Wochen lang war das früher möglich. Weil die Stallpflicht vor drei Jahren länger gedauert hatte, hatte Agrarminister Peter Hauk (CDU) diese für einen Tag ausgesetzt und dann wieder ausgesprochen – so startete die Frist von neuem. Die EU hat den Zeitraum inzwischen auf 16 Wochen ausgedehnt. „Solange nur Wildgeflügel betroffen ist und keine Keulungen ausgesprochen werden müssen, ist das für die Landwirtschaft kein großes Problem“, so Schöndienst. Hobby-Halter hätten den Behörden vor drei Jahren eher Probleme gemacht, sagt er.
Ist das erst der Anfang?
Das werde sich in den kommenden drei bis vier Tagen zeigen, sagt Wolfgang Fiedler, Experte am MaxPlanck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. Bisher seien noch kaum gefiederte Wintergäste am Bodensee – wegen der wärmer werdenden Winter blieben sie in nordöstlicheren Winterquartieren. „Es kann aber sein, dass es nun auch bei uns losgeht.“Nun entsprechende Vorbereitungen zu treffen sei daher richtig.
„Es ist mit weiteren Geflügelpestausbrüchen bei Wildvögeln zu rechnen“, heißt es derweil vom SüdwestAgrarministerium. Minister Hauk betont: „Geflügelhalterinnen und Geflügelhalter werden aufgerufen, ihre Tiere bestmöglich vor einem Seucheneintrag über Wildvögel zu schützen.“Hygienemaßnahmen seien daher strikt einzuhalten. Es steht einiges auf dem Spiel: In BadenWürttemberg gibt es laut Ministerium 28 790 Geflügelbetriebe mit insgesamt rund acht Millionen Tieren. Besonders viel Geflügel wird unter anderem in den Kreisen Alb-Donau, Ostalb und Biberach gehalten.
Kann die Vogelgrippe für Menschen gefährlich werden?
Möglich ist das theoretisch. „Das weiß man bei Grippeviren nie“, sagt der Wissenschaftler Fiedler und verweist auf den Vogelgrippe-Erreger H5N1, der von Vögel auf Menschen übergesprungen ist. Laut Weltgesundheitsorganisation sind seit 2003 weltweit mehr als 2300 Menschen an Vogelgrippe erkrankt – die meisten davon, nämlich rund 850, an H5N1. Mehr als die Hälfte starb. „Natürlich kann sich wieder ein Virentyp so ändern, dass er auf Menschen überspringt“– so wie das Coronavirus Sars-CoV-2. Von den nun in Deutschland an toten Tieren nachgewiesenen Erregern habe das aber bislang noch keiner geschafft.
Was sollten Menschen – etwa beim Gassigehen – beachten?
Zunächst gibt es für Hunde- und Katzenbesitzer keine Einschränkungen. Als die Vogelgrippe des Typs H5N1 im Frühjahr 2006 am Bodensee grassierte, mussten Katzen im Haus und Hunde an der Leine bleiben. Wer nun beim Spaziergang einen toten oder kranken Vogel findet, darf ihn nicht anfassen, sondern muss das Veterinäramt der Stadt oder des Landkreises verständigen.