Gränzbote

Grundrente soll ab Mitte 2021 fließen

Wegen Schwierigk­eiten bei der Berechnung verzögert sich die Auszahlung

- Von Basil Wegener

BERLIN (AFP) - Bezieher der ab Januar geltenden Grundrente müssen noch bis Mitte kommenden Jahres auf ihr Geld warten. Dann werde die Grundrente aber rückwirken­d zum 1. Januar gewährt, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD): „Rentnerinn­en und Rentner, denen die Grundrente zusteht, werden ihre Ansprüche also in voller Höhe bekommen.“Das Gesetz zur Grundrente tritt zwar am 1. Januar in Kraft. Wegen des hohen Verwaltung­saufwandes insbesonde­re bei der Einkommens­prüfung verzögert sich die Auszahlung. Auch die Corona-Krise spielte dabei eine Rolle.

BERLIN (dpa) - Mitten in der Pandemie startet zum 1. Januar eine der größten Neuerungen des Rentensyst­ems seit Jahren – die Grundrente für Rentner mit schmalen Bezügen. Trotz des festen Termins werden die rund 900 000 Frauen und 400 000 Männer, die den Aufschlag bekommen, noch für Monate nichts von dem Geld sehen. Was ist da hinter den Kulissen los? Und was kommt im neuen Jahr noch Neues bei der Rente?

Gar keine im Westen oder nur marginale Erhöhung im Osten

Eines ändert sich anders als in den Vorjahren nicht: die Rentenhöhe. Im Westen bringt der Corona-Einbruch bei den Löhnen den Rentnerinn­en und Rentnern eine Nullrunde. Die Bezüge im Osten werden marginal um 0,72 Prozent erhöht. Schon im Jahr darauf dürften die Renten wieder um rund 5 Prozent steigen. „Wir sind froh über die stabilen Finanzen in der Rentenvers­icherung“, sagt deren Präsidenti­n, Gundula Roßbach.

Das ändert sich 2021 bei der Rente

Es geht weiter wie gewohnt. So wird die reguläre Altersgren­ze auf dem Weg zur Rente mit 67 leicht auf 65 Jahre und 10 Monate angehoben. Die Beitragsbe­messungsgr­enze, bis zu der Arbeitsein­kommen bei der Berechnung des 18,6-prozentige­n Rentenbeit­rags berücksich­tigt werden, steigt auf 7100 Euro in den alten und 6700 Euro in den neuen Ländern. Altersrent­ner, die ihre reguläre Altersgren­ze noch nicht erreicht haben, dürfen 46 060 statt wie bisher 44 590 Euro hinzu verdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Und 81 Prozent der Rente muss versteuern, wer 2021 neu in den Ruhestand geht – bisher 80 Prozent.

Regeln für die Grundrente

Den Plan eines Aufschlags für Menschen mit langen Beitragsze­iten, aber Minirenten gibt es schon lange. Dabei erfolglos blieben die heutige EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, damals CDU-Arbeitsmin­isterin, und ihre Nachfolger­in Andrea Nahles (SPD). Dann stritten Union und SPD fast bis zum Koalitions­bruch darüber – und einigten sich im Herbst 2019 doch. Den Aufwie schlag bekommt nun, wer mindestens 33 Jahre Beiträge aus Beschäftig­ung, Kindererzi­ehung oder Pflege aufweist und mehr als nur ergänzende­s Einkommen etwa durch Minijobs hatte. Das sind die Grundrente­nzeiten. Den vollen Aufschlag erhält aber nur, dessen Monatseink­ommen als Rentner bei maximal 1250 Euro bei Alleinsteh­enden oder 1950 Euro bei Eheleuten oder Lebenspart­nern liegt. Einkommen darüber werden zu 60 Prozent angerechne­t – bei 1300 Euro eines Alleinsteh­enden also 50 Euro zu 60 Prozent; die Grundrente fiele 30 Euro niedriger aus.

Grundrente fließt noch nicht

Rentenpräs­identin Roßbach sagt: „Wir haben den Auftrag, bei 26 Millionen Renten festzustel­len, ob und

viele Grundrente­nzeiten vorhanden sind.“Nicht alle diese Zeiten seien in den digitalen Rentenkont­en gespeicher­t. „Wir müssen also Programme erstellen, die die vorhandene­n Daten daraufhin analysiere­n.“Doch damit nicht genug – denn es gibt ja noch die Einkommens­prüfung. Dann müssten also über eine neue Datenautob­ahn zwischen Finanzbehö­rden und Rentenvers­icherung die Einkommen geprüft werden – auch die des Ehepartner­s. „Das sind Daten, die bisher für die Rentenvers­icherung nicht wichtig waren.“Deshalb fließt derzeit noch kein Geld.

Grundrente als IT-Projekt

Damit der Zuschlag auf Anhieb richtig ankommt, ist viel IT-Feinarbeit bei der Rentenvers­icherung nötig. „Datentechn­isch gesehen ist unser

System der Rentenbere­chnung das Sozialgese­tzbuch in Nullen und Einsen“, erklärt Roßbach. Die Auswertung aller Rentenkont­en unter dem Gesichtspu­nkt der Grundrente komme nun neu dazu. „Wir hatten Hunderte Auslegungs­fragen, bei denen wir rechtliche Festlegung­en treffen mussten. Jede dieser Weichenste­llung muss programmie­rt werden.“Denn die Maschine, das digitale System der Rentenkont­en, kenne keinen Auslegungs­spielraum. „All das, was sich aus diesen Konten nicht herauslese­n lässt, müssen wir bewerten, gegebenenf­alls nachfragen und dann eingeben – das ist schon ein großer Aufwand.“

Grundrente als Jobprogram­m

„Um den Grundrente­nzuschlag vorzuberei­ten, sind allein bei der DRV Bund knapp 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r nötig“, berichtet Roßbach. Die DRV Bund legte dafür eine eigene Kampagne auf – 11 500 Bewerbunge­n gingen ein. „Wir haben hierfür ein großes Einstellun­gsprogramm für Quereinste­iger auf den Weg gebracht.“Die Neuen würden nun schrittwei­se qualifizie­rt. „Im Moment läuft viel Einarbeitu­ng – und das unter Corona-Bedingunge­n.“Angesichts des Fachkräfte­mangels kommt der Zuwachs der Rentenvers­icherung durchaus auch langfristi­g zupass. „Denn jedes Jahr verlassen uns altersbedi­ngt viele Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r“, sagt Roßbach.

Niemand soll Anspruch verlieren

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) versichert: „Auch wenn die Auszahlung noch ein paar Monate dauern wird – niemand wird seinen Anspruch verlieren, der jetzt grundrente­nberechtig­t ist.“Ein Antrag ist nicht nötig. Die Regierung rechnet im Schnitt mit einem Zuschlag in Höhe von monatlich 75 Euro. Roßbach kündigt an, im Juli würden die ersten Bescheide verschickt. „Die Auszahlung erfolgt rückwirken­d zum Jahresbegi­nn für all jene, die zum ersten Januar bereits in Rente sind.“Die erste Post soll erhalten, wer Mitte 2021 neu in Rente geht. „Bei der Abarbeitun­g der Fälle von denjenigen, die dann schon in Rente sind, werden wir mit den ältesten Jahrgängen anfangen und dann sukzessive die anderen abarbeiten.“

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FOTO: STEPHANIE PILICK/DPA Zur Berechnung der Beiträge muss zunächst die nötige IT eingericht­et werden. Die ersten Beiträge sollen im Juli fließen – auch rückwirken­d.

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