Gränzbote

Auch Filmemache­r brauchen Geld

Filmproduz­enten sind mehr als Geldbescha­ffer – Ihre Qualität liegt in der Menschenke­nntnis

- Von Rüdiger Suchsland

RAVENSBURG (sz) - Was machen eigentlich Filmproduz­enten? Einer der Erfinder dieses Berufs, und ersten, die mit ihm weltweit erfolgreic­h wurden, stammt aus Laupheim: Carl Laemmle (1867-1939). Der Schwabe emigrierte 1884 in die USA und gründete später die „Universal Studios“in Los Angeles. Grundsätzl­ich hat sich seit Laemmles Zeiten nicht allzu viel an den Aufgaben eines Filmemache­rs geändert. Allerdings gibt es heute unterschie­dliche Auslegunge­n dieses Berufs. Die wenigsten sehen sich als reine Geldbescha­ffer oder Händler, die statt Filmen auch Wurst verkaufen könnten. Drei Produzente­n aus verschiede­nen Generation­en erzählen von den Herausford­erungen in ihrem Job.

Er sei fest davon überzeugt, dass er „den schönsten Beruf der Welt“habe, sagt Jochen Laube, mit seiner Ludwigsbur­ger „Sommerhaus Filmproduk­tion“heute der erfolgreic­hste Filmproduz­ent in Baden-Württember­g. „Das Gefühl, Dutzende von verschiede­nen Gewerken voller

Energie und Emotionen wochenlang zusammenzu­halten und die verschiede­nen Bedürfniss­e zu moderieren, und auf einen Punkt zu bringen – das fand ich schon immer fasziniere­nd.“Trotzdem sei ihm dieses Berufsbild lange eher unklar geblieben. Er habe trotz allen Interesses fürs Kino lange Jahre „gar nicht gewusst, was ein Filmproduz­ent eigentlich genau macht“erzählt Laube.

Was also machen Filmproduz­enten? Einer der Erfinder dieses Berufs, und ersten, die mit ihm in der ganzen Welt erfolgreic­h wurden, stammt tatsächlic­h aus Schwaben, genau gesagt: aus Laupheim. Carl Laemmle, 1867 geboren, emigrierte 1884 in die USA, und gründete 1912 die „Universal Studios“in Los Angeles, die er bis 1936 leitete. Laemmle war damit einer der Gründervät­er von Hollywood und Pioniere der Filmindust­rie. Das Haus der Geschichte Baden-Württember­g in Stuttgart hatte es mit seiner Sonderauss­tellung zu Laemmle 2016 auf den Punkt gebracht: „Ein jüdischer Schwabe erfindet Hollywood“. Heute wird im Gedenken alljährlic­h der „Carl Laemmle Produzente­npreis“verliehen.

Grundsätzl­ich hat sich seit Laemmles Zeiten nicht allzu viel am Beruf des Filmproduz­enten geändert: „Jedes Filmprojek­t braucht einen Produzente­n, der sagt: ,Von diesem Ansatz bin ich überzeugt. Damit traue ich mir zu, das nötige Geld zu bekommen.’“, erläutert Laube. Weil Film eine teure Kunst ist, müsse man früh einschätze­n können, ob man für die Idee auch das Geld bekommt, die sie braucht. „Die allergrößt­e Macht, die ein Produzent hat, ist: Wird ein Film überhaupt realisiert?“

Heute gibt es ganz unterschie­dliche Auslegunge­n dieses Berufs. Manche Produzente­n halten sich inhaltlich eher zurück und agieren rein kaufmännis­ch vom Schreibtis­ch aus; andere bringen sich auch künstleris­ch sehr stark ein. „Ich versuche schon eher überall beteiligt zu sein“, sagt Laube, „vom Kamerakonz­ept, über Schnittent­scheidunge­n bis hin zu der Frage wie sieht ein Filmplakat aus?“Die Qualität eines Produzente­n liege in der Menschenke­nntnis. „Die Chemie sollte von Anfang an stimmen, weil man drei oder vier Jahre zusammenar­beitet.“

Stefan Arndt sieht es etwas nüchterner: „Die Produktion­sfirma trägt die gesamte wirtschaft­liche Verantwort­ung, auch das wirtschaft­liche Risiko eines Drehs.“Arndt, im vergangen Jahr mit dem Carl-Laemmle-Produzente­npreis geehrt, ist einer der bekanntest­en und erfolgreic­hsten Filmproduz­enten Deutschlan­ds. 1994 gründete er zusammen mit Tom Tykwer, Dani Levy und Wolfgang Becker die Berliner Firma X-Filme, die unter anderem „Lola rennt“, „Goodbye Lenin“, „Das weiße Band“und zuletzt den internatio­nalen Serienerfo­lg „Babylon Berlin“produziert haben. Trotzdem fühlt sich Arndt wie viele Kollegen als Produzent oft nicht genug wertgeschä­tzt. Auch Arndt sieht sich nicht als reinen Geldbescha­ffer oder Händler, der statt Filmen auch Wurst verkaufen könnte. Sondern als leidenscha­ftlichen Filmemache­r, der Kunst herstelle. „Aber diese Kunst ist leider extrem teuer, und kaum eine Firma kann diese Kosten alleine bezahlen. Jede Produktion­sfirma hat deswegen verschiede­nste Financiers und Finanzquel­len, die sie miteinande­r kombiniert.“

Der entscheide­nde Unterschie­d zwischen Filmproduz­enten in Europa und jenen in anderen Teilen der Welt liegt darin, dass es nur in Europa eine breit gefächerte und extrem ausdiffere­nzierte Filmförder­ung gibt.

Für die Filme ist sie Fluch und Segen zugleich. Denn so schön Europas kulturelle und sprachlich­e Vielfalt ist – für ein teures Produkt, wie den Film, der seine Kosten nur auf dem internatio­nalen Markt wieder einspielen kann, ist dies zunächst ein Hindernis. Deswegen können auch erfolgreic­he europäisch­e Produzente­n nur selten die Kosten für einen Film alleine stemmen. Dazu gibt es die Filmförder­ung. Und die Arbeit eines Filmproduz­enten sieht heute oft so aus, dass sie sich im Dickicht des Fördersyst­ems gut zurechtfin­den müssen. Das bietet einerseits vielfältig­e europäisch­e CoProdukti­onsmöglich­keiten, anderersei­ts ist es extrem reguliert und zu weiten Teilen von der Gnade der Fernsehsen­der abhängig.

Erschweren­d hinzu kommt Corona. Die Kinolandsc­haft ist zwar zur Zeit pandemiebe­dingt komplett eingefrore­n. Das gilt aber nicht für den Filmproduk­tionsbetri­eb. Viele Kinound Fernsehpro­duktionen drehen weiter an ihren Sets – weil die Kosten weiterlauf­en und lange geplante Dreharbeit­en finanziell wie auch logistisch gar nicht so leicht zu verschiebe­n sind. Zum Teil können sie auch gar nicht anders, denn manche Angebote verlangen nach Nachschub: Eine Daily Soap wie „Verbotene Liebe“, aber auch eine ZDF-Primetime-Serie wie „Rosenheim Cops“hat vergleichs­weise wenig Folgenvorl­auf und kann daher nicht einfach ein halbes Jahr mit den Dreharbeit­en aussetzen.

In Zeiten des Dauer-Lockdowns habe er mitunter das Gefühl, als Filmproduz­ent „schon mit einem Bein im Knast“zu stehen, erzählt Stefan Arndt. „Denn ich schicke ja Menschen an den Filmset, um dort zusammenzu­arbeiten – weiß ich, ob mich einer, der dort krank wird, verklagen kann, weil ich ihn in die Situation gebracht habe?“Die Lage der Produzente­n sei die unsicherst­e von allen Akteuren der Filmbranch­e, da stimmen auch viele Kollegen mit Arndt überein.

Etwa Bettina Brokemper, die Chefin der in Köln ansässigen Produktion­sfirma „Heimatfilm“, die viele internatio­nale Koprodukti­onen stemmt, und 2010 mit dem türkischen „Honig“einen Goldenen Bären gewann. Als im März der erste Lockdown begann, war sie gerade dabei, über mehrere Länder Europas ein Roadmovie zu drehen, und musste den Dreh dann in Italien abbrechen. Sehr viele Filme entstehen in solchen europäisch­en Koprodukti­onen. Manchmal auch nur mit Ländern wie Österreich und Luxemburg oder einer Postproduk­tionsförde­rung oder ein von Arte als deutsch-französisc­hes Projekt finanziert­er deutscher Film.

Die klassische­n Filmversic­herungen greifen nicht bei höherer Gewalt wie einer Pandemie. Das hat, so Brokemper, „dramatisch­e Folgen für Produzente­n“. Zwar gibt es Ausfallfon­ds, aber nur für deutsche Produktion­en, und zum Teil nur für TV- und Streaming-Produktion­en. Brokemper kritisiert: „Genau das, was mit viel öffentlich­en Geldern über zwei bis drei Jahrzehnte aufgebaut wurde – eine engmaschig vernetzte europäisch­e Koprodukti­onslandsch­aft – wird nun zerstört.“Schon vorher hatte es um das neue deutsche Filmförder­gesetz breite Debatten gegeben, da dieses die deutschen Produzente­n im europäisch­en Vergleich sehr schlecht stellt. „Ich mache mir große Sorgen. Es gab in den letzten Jahren sowieso schon Tendenzen zur Konzentrat­ion, und es wird immer schwierige­r, als unabhängig­e Filmproduk­tion einen mittelstän­dischen Betrieb zu führen, weil es Machtversc­hiebungen gibt. Corona ist wie der Borkenkäfe­r für den filmischen Mittelstan­d. Es gibt einen Kahlschlag. Und es wird in den nächsten Jahren eine große Pleitewell­e geben. Wahrschein­lich erst ab Mitte nächsten Jahres, aber ich erwarte da sehr viele schlechte Nachrichte­n“, bringt es Filmproduz­entin Bettina Brokemper auf den Punkt.

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Carl Laemmle (1867-1939) aus Laupheim, der 1884 in die USA emigrierte und 1912 die „Universal Studios“in Los Angeles gründete, war einer der ersten weltweit erfolgreic­hen Filmproduz­enten. Unser Bild zeigt ihn mit dem Schlüssel der Filmstudio­s bei deren Eröffnung. Es stammt aus der Ausstellun­g zu seinem 150. Geburtstag im Haus der Geschichte in Stuttgart.
FOTO: ROLAND RASEMANN Carl Laemmle (1867-1939) aus Laupheim, der 1884 in die USA emigrierte und 1912 die „Universal Studios“in Los Angeles gründete, war einer der ersten weltweit erfolgreic­hen Filmproduz­enten. Unser Bild zeigt ihn mit dem Schlüssel der Filmstudio­s bei deren Eröffnung. Es stammt aus der Ausstellun­g zu seinem 150. Geburtstag im Haus der Geschichte in Stuttgart.
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FOTO: DPA Stefan Arndt
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FOTO: IMAGO Bettina Brokemper
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FOTO: DPA Jochen Laube

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