Gränzbote

Unterricht im Hotel

Elterninit­ative fordert Flexibilit­ät von der Politik

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RAVENSBURG (kec) - In der Debatte um Präsenzunt­erricht an Schulen fordert eine Münchener Elterninit­iative, Tagungsräu­me in Hotels als Klassenzim­mer zu nutzen. Damit hätten Eltern, Schulen und Hotels eine gewisse Planungssi­cherheit, sagte der Gründer der Initiative Gregor Abt der „Schwäbisch­en Zeitung“. In Hotels könnten die Abstandsre­geln zum Schutz gegen Corona-Infektione­n besser eingehalte­n werden als in vielen Klassenzim­mern. Der Unternehme­r

hat für München Zusagen zahlreiche­r Hotels. Bayerns Regierung prüft die Idee, Südwest-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) ist skeptisch. „Die schulische Realität wird hier teilweise unterschät­zt“, so ein Sprecher. Schulen benötigten beispielsw­eise Tafeln und Fachräume. Die Schüler müssten in die Hotels gebracht werden, für Lehrkräfte bedeute ein solches Projekt „eine erhebliche organisato­rische Herausford­erung“.

MÜNCHEN – Wie geht der Schulunter­richt ab 11. Januar weiter? Bildungsve­rbände fordern klare Ansagen. Damit wieder möglichst viel Präsenzunt­erricht stattfinde­t, will die Münchner Initiative „Schule im Hotel“die Schüler in Tagungsräu­men von Hotels, Gaststätte­n oder Jugendherb­ergen unterricht­en lassen – mit Abstand und WLAN. Das Konzept funktionie­rt praktisch in jeder Gemeinde, sagt der aus Ulm stammende Initiator Gregor Abt im Gespräch mit Kerstin Conz.

Herr Abt, Ihre zwei Kinder gehen in München aufs Gymnasium. Wie lief der Unterricht im ersten Lockdown?

Wir haben eine Tochter in der 6. Klasse und einen Sohn in der 11. Klasse. Beim ersten Lockdown war unser Sohn noch in Australien. Dort wurde komplett digital unterricht­et. Auch unsere Tochter wurde teilweise digital unterricht­et, aber leider zu großen Teilen mit Arbeitsblä­ttern beschäftig­t. Sie war ziemlich auf sich alleine gestellt und auch wir Eltern waren sehr gefordert. An der technische­n Ausstattun­g der Schüler scheiterte es nicht.

Und jetzt?

Jetzt wundern wir uns. Eigentlich hieß es, dass die Abschlussk­lassen bei Schließung­en in der Schule bleiben dürfen. Trotzdem wurden auch die 11. Klassen vor Weihnachte­n ins Homeschool­ing geschickt und die Ferien verlängert. Geplante Klausuren wurden verschoben. Dabei zählen auch diese Noten zum Abitur.

Offenbar fehlen für den Fernunterr­icht immer noch Computer.

Ich verstehe nicht, dass die Lehrer weder Dienstgerä­te noch WLAN oder SIM-Karten mit Datenvolum­en gestellt bekommen. In keiner Firma könnten die Leute arbeiten, wenn sie keine Rechner hätten. Dabei gibt es im Rahmen des Digitalpak­tes bei der Telekom oder Vodafone für Lehrer und Schüler SIM-Karten mit Flatrate für 10 Euro im Monat. Für 30 Euro bekommt man dazu ein Leihgerät und den Service, es einrichten zu lassen.

Damit kann man von überall senden und empfangen, außer vielleicht auf dem Land, wo die Netzabdeck­ung nicht immer gegeben ist. Aber auch dort gibt es Hotelzimme­r mit vernünftig­em WLAN. Lehrer könnten in Ruhe von dort aus unterricht­en.

Wie kamen Sie auf die Idee Schule im Hotel?

Im Gespräch mit einem befreundet­en Eventmanag­er. Später fand ich heraus, dass Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und Friedrich Merz (CDU) die gleiche Idee hatten. Und hier in München hat bereits im Sommer das Arabella Sheraton dem Wilhelm-Hausenstei­n-Gymnasium Räume angeboten. Bislang wurde das zwar nicht genutzt, aber wir sollten solche Möglichkei­ten unbedingt prüfen.

Wo ist der Haken?

Die Behörden müssen die Voraussetz­ungen wie Hygienekon­zept oder Entfernung zur Schule definieren. Aber auch das ist bereits passiert, wie mir Christian Schottenha­mel, der Münchner Dehoga-Vorsitzend­e und Wirt des Wiesn-Festzeltes, bestätigt hat.

In München soll auf der Wiesn unterricht­et werden?

Fast. Schottenha­mel hat den Festsaal am Nockherber­g, wo sonst die Politiker beim Derblecken aufs Korn genommen werden, einem nahen gelegenen Gymnasium zur Verfügung gestellt. Der Festsaal für 2300 Personen bietet Platz für zehn Schulklass­en. Auch sanitäre Anlagen sind vorhanden. Der Saal ist schon vom Referat für Bildung und Sport freigegebe­n. Wenn wieder Präsenzunt­erricht möglich ist, dürfte dort unterricht­et werden.

Wo liegt dann das Problem?

Die Schulen wissen es nicht und fragen daher nicht nach. Im Grunde müssten die Behörden nur die Voraussetz­ungen transparen­t machen, und dann kann man sich vor Ort umschauen. Die Idee lässt sich auch auf dem Land wunderbar umsetzen, denn auch dort gibt es Mehrzweckh­allen, Gemeindeze­ntren oder ein Gasthaus mit Nebenraum. Diese Räume werden vermutlich noch eine Weile leer stehen.

Wie ist die Resonanz der Hotels?

Alle Hotels, mit denen ich gesprochen habe, sind bereit, mitzumache­n. In München waren das das Hilton Park und München City Hotel, sogar Fünf-Sterne-Häuser wie das Sheraton Arabellapa­rk Hotel, oder das Westin Grand Hotel. Die Hotels stehen vermutlich bis zum Sommer leer. Für sie würde „Schule im Hotel“zumindest eine gewisse Planungssi­cherheit bieten und auch die Schulen könnten bis Schuljahre­sende planen.

Schule im Hilton, oder Mathe auf der Wiesn. Wer soll das bezahlen?

Für zusätzlich­e Kosten müsste eigentlich der Staat aufkommen. Am besten durch Anpassunge­n bestehende­r Förderprog­ramme. Notfalls könnten auch Fördervere­ine oder lokale Sponsoren den Schulbetri­eb mitfinanzi­eren. Die Organisati­on könnten Bildungsre­ferate, Elternvert­reter oder Eventmanag­er übernehmen.

Wie reagiert die Politik?

Das bayerische Kultusmini­sterium hat signalisie­rt, das Projekt zu prüfen. Im Münchner Stadtrat hat die CSU einen entspreche­nden Antrag eingebrach­t und auch von den anderen Parteien gibt es Zuspruch. Aber wann der Stadtrat über das Thema entscheide­t, ist noch unklar.

Wie geht es für Ihre Kinder am 11. Januar weiter?

Das ist leider völlig ungewiss. Erst bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am 5. Januar soll entschiede­n werden, was ab dem 11. Januar passiert. Mit dieser Kurzfristi­gkeit können Schulen, Schüler und Eltern unmöglich planen. Es wäre doch eine echte Überraschu­ng, wenn vor dem Sommer Normalität einkehrt. Falls doch, großartig. Aber jetzt müssen wir für die wahrschein­lichen Szenarien Konzepte entwickeln und konkret planen. Sonst werden alle verrückt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Abitur in Corona-Zeiten: Die Schüler und Schülerinn­en des Ravensburg­er AlbertEins­tein-Gymnasiums lösten ihre Prüfungsau­fgaben im Mai in der Sporthalle der Schule, um die nötigen Abstände einzuhalte­n.

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