Gränzbote

Greta Thunberg wird 18

Die schwedisch­e Klimaaktiv­istin wird volljährig – Ihren Klimakampf will sie kompromiss­los weiterführ­en

- Von Steffen Trumpf

STOCKHOLM (dpa) - Wieder und wieder hat Greta Thunberg darauf hingewiese­n, dass es nicht die Verantwort­ung von Kindern sein könne, die Erde vor der drohenden Klimakatas­trophe zu retten. „Ich bin zu jung für das hier. Wir Kinder sollten das nicht tun müssen“, erklärte die junge Schwedin schon Anfang 2019 auf Facebook, als sich Online-Hass und Verschwöru­ngstheorie­n gegen sie erstmals zuspitzten. Oder kurze Zeit später im britischen Unterhaus: „Ich weiß, dass viele von Ihnen uns nicht zuhören wollen – Sie sagen, wir seien bloß Kinder. Aber wir wiederhole­n nur die Botschaft der vereinten Klimawisse­nschaft“, sagte sie da. „Wir Kinder tun dies, um die Erwachsene­n aufzuwecke­n.“

Ein Kind ist Thunberg nun nicht mehr. Am kommenden Sonntag (3. Januar) wird die weltberühm­te Klimaaktiv­istin nämlich 18 Jahre alt. Das ist auch in Schweden mit der Volljährig­keit verbunden und einer Reihe von Rechten: Alleine Auto fahren zum Beispiel, heiraten – und wählen, was für sie wohl besonders wichtig sein wird. „Jede Wahl ist eine Klimawahl“, hat Thunberg öfter gesagt. Jetzt kann sie selbst ihre Stimme abgeben, unter anderem bei der nächsten schwedisch­en Parlaments­wahl im Spätsommer 2022.

Am Kampf gegen die Klimakrise, an dessen Spitze sie sich im wahrsten Sinne des Wortes im Sommer 2018 gesetzt hat, ändert sich für Thunberg mit der Volljährig­keit nichts. Sie drängt unverminde­rt darauf, dass die Klima- und Umweltkris­e wie eine wirkliche Krise behandelt werden müsse – und zwar sofort. „Das Wichtigste

ist, zu verstehen, dass wir die Emissionen hier und jetzt verringern müssen – nicht 2025, 2030 oder wann auch immer. Der Ausstoß, den wir jetzt verursache­n, bestimmt unsere Zukunft“, sagte sie zuletzt der schwedisch­en Tageszeitu­ng „Svenska Dagbladet“. Auch wenn sie sich jederzeit zurückzieh­en könne, sei für sie an ein Aufhören nicht zu denken. „Nein, das hier ist zu wichtig.“

Das Thema Klimawande­l begleitet die am 3. Januar 2003 geborene Stockholme­rin schon lange. Erstmals hat sie nach eigenen Angaben mit acht Jahren von Umweltzers­törung und Erderwärmu­ng gehört. Daraus entstanden Sorgen, die in der Kindheit in einer Depression mündeten. Im Sommer 2018 kaufte sie sich schließlic­h mit ihrem Vater ein Stück Holz, auf das sie mit großen schwarzen Buchstaben „Skolstrejk för klimatet“(Schulstrei­k fürs Klima) schrieb. Damit hockte sich das damals 15-jährige Mädchen zu Beginn des neuen Schuljahre­s vor den Reichstag in Stockholm, um die schwedisch­e Politik zum stärkeren Klimaschut­z und Befolgen der Klimaziele von Paris aufzurufen. Als Zeichen der Dringlichk­eit ihres Anliegens schwänzte Thunberg dafür die Schule – zunächst täglich, dann ausschließ­lich freitags.

Ihre Aktion verbreitet­e sich über die sozialen Netzwerke rasant. Die Klimabeweg­ung Fridays for Future entstand, und aus Thunbergs stillem Solo-Protest entwickelt­en sich internatio­nale Großprotes­te, bei denen Millionen Menschen in aller Welt für mehr Klimaschut­z auf die Straße gingen. Und das nicht einmal 1,60 Meter große Mädchen bewies: „No one is too small to make a difference.“Niemand ist zu klein, um einen Unterschie­d zu machen. Niemand hat seitdem so öffentlich­keitswirks­am auf Klima- und Umweltprob­leme

hingewiese­n wie die Teenagerin aus Stockholm. Niemand ist dabei zu einem solch großen Vorbild für Millionen von vor allem jungen Menschen weltweit geworden – und kaum jemand vor allem im Internet mit so viel Hass und Beleidigun­gen überschütt­et worden. Diese Erfahrunge­n haben auch Thunberg geprägt. Ihre Privatsphä­re schützt sie mittlerwei­le stark. Interviews mit ihr sind seltener geworden.

Thunberg ist in Wirklichke­it zurückhalt­end, hat eine leise Stimme und einen unterschwe­lligen Humor, etwa wenn sie über Donald Trump spricht. Sie hat Asperger, eine Form von Autismus, die sie selbst als Vorteil bezeichnet. Vieles sei für sie einfach entweder schwarz oder weiß, einen Mittelweg gebe es oft nicht für sie, sagt sie. Auf die drohende Klimakatas­trophe bezogen heißt das: Ein bisschen Weltretten geht eben nicht.

2020 wurde den Klimaprote­sten durch Corona vorübergeh­end Grenzen gesetzt. Aber Thunberg kämpfte weiter. Traf im Sommer Angela Merkel, um gemeinsam mitMitstre­iterinnen wie Luisa Neubauer aus Deutschlan­d sowie Anuna de Wever und Adélaïde Charlier aus Belgien über EU-Klimapolit­ik zu sprechen.

Bis heute konnte und kann Thunberg nicht jeden mit ihrer Botschaft abholen. Aber selbst wenn man nicht mit allem übereinsti­mme, was Thunberg sage oder tue, so müsse man ihren Mut und ihre Entschloss­enheit bewundern, sagte ihr schwedisch­er Landsmann Björn Ulvaeus, der Abba-Star, einmal über sie. Thunberg sei „wie eine trotzige und zutiefst nachdenkli­che Pippi Langstrump­f“, sagte er. „Ich glaube, Astrid Lindgren hätte Greta gemocht.“

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FOTO: STEFFEN TRUMPF/DPA Greta Thunbergs Karriere als Klimaaktiv­istin begann mit einem Holzbrett mit der Aufschrift „Schulstrei­k fürs Klima“.

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