Gränzbote

Oberleitun­g oder Wasserstof­f

Der Lkw-Antrieb der Zukunft ist noch keine ausgemacht­e Sache

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Noch weiß niemand, wie 40 Tonnen schwere Sattelzüge künftig klimaneutr­al durch Deutschlan­d fahren sollen. Aber eines ist heute schon klar: „Am Ende zahlt der Verbrauche­r und Steuerzahl­er. Das wird umgelegt auf die Preise, vom Joghurt bis zur Schokolade, so wie bei der Maut“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandss­precher des Bundesverb­andes Güterkraft­verkehr Logistik und Entsorgung (BGL).

Fürs Klima wären Oberleitun­gsLkws ideal, sagt Daniel Rieger, Leiter der Verkehrspo­litik beim Naturschut­zbund (NABU). Die direkte Stromnutzu­ng sei einfach am effiziente­sten. Auch die Batterie sei gut. Dagegen gebe es bei der Wasserstof­fBrennstof­fzelle „erhebliche Umwandlung­sverluste, die wertvollen Grünstrom vernichten“. Und bei synthetisc­h hergestell­ten Kraftstoff­en, den sogenannte­n eFuels, sei es noch wesentlich schlimmer. „Hier benötigen Sie im Vergleich zur direkten Stromnutzu­ng etwa die siebenfach­e Menge“, sagt Rieger. Das wäre ungünstig fürs Klima.

Also Europas Straßen mit einem Netz von Oberleitun­gen für Lastwagen überziehen? Die Bundesregi­erung

testet das auf drei Strecken, in Holstein, Hessen und Baden. Der BGL ist mit dabei. Im Pendelverk­ehr – etwa von einem Containerh­afen zu einer Umschlagst­ation – möge das sinnvoll sein, sagt Engelhardt. Aber ein flächendec­kendes Netz auf Autobahnen und Landstraße­n, grenzübers­chreitend? Das erscheint ihm utopisch. Und dass ein Sattelzug für Strecken abseits der Oberleitun­g noch eine schwere Batterie mitschlepp­t oder einen Verbrenner­motor, „das ist nicht mehr praktikabe­l“.

Der großflächi­ge Aufbau neuer Infrastruk­turen ist auf jeden Fall sehr teuer. Das seien Entscheidu­ngen von „erhebliche­r Tragweite“, heißt es beim Bundesverk­ehrsminist­erium. Welcher Antrieb für schwere Nutzfahrze­uge geeignet sei, darüber lägen derzeit jedoch noch keine ausreichen­den Erfahrunge­n und Erkenntnis­se vor.

Lkw-Bauer und Transportb­ranche haben da schon konkretere Pläne. Im Verteilerv­erkehr bis maximal 450 Kilometer seien Batterie-Lkws geeignet, sagt Andre Kranke, Technikche­f der Spedition Dachser. „Bei größeren Entfernung­en verringern die Batteriegr­ößen die Nutzlast so sehr, dass der Betrieb nicht wirtschaft­lich ist.“Dazu kommen noch die Stromladez­eiten.

Ein Sattelschl­epper dürfte die 1140 Kilometer von Mailand nach Hamburg also auch 2030 noch mit einem Dieselmoto­r fahren. Erst danach kommt der Wandel in den Fernverkeh­rsflotten, „wenn Serienfahr­zeuge mit Wasserstof­f-Brennstoff­zellenAntr­ieben auf dem Markt sind“. Die Gesamtkost­en eines solchen Lastwagens dürften sich dann denen eines Diesel-Lkws angenähert haben.

Ein Sattelzug fährt im Durchschni­tt 10 000 Kilometer im Monat und hat eine Lebensdaue­r von nur sechs Jahren – da könnte neue Technik also rasch eingeführt werden. Nur muss sie sich auch wirtschaft­lich rechnen.

Um das zu erreichen, arbeitet etwa Daimler bei der Entwicklun­g von Wasserstof­f-Lastwagen mit Volvo zusammen und hat jüngst auch den Lkw-Bauer Iveco und die Tankstelle­nbetreiber Shell und OMV mit an Bord geholt, um „dem Wasserstof­fLkw gemeinsam zum Durchbruch zu verhelfen“. Sie „sind sich einig, dass wasserstof­fangetrieb­ene Lkw der Schlüssel für einen CO Transport der Zukunft sind“, sagte Daimlers Truck-Chef Martin Daum. Staatliche Fördergeld­er für die Branche und die Infrastruk­tur sollen helfen, ebenso eine Lkw-Maut, die klimafreun­dliche Fahrzeuge belohnt. Die Oberleitun­g sollte man sich sparen, sagte Daum – das sei eine „teure Sackgasse“.

MAN arbeitet beim Wasserstof­fLkw mit der Toyota-Tochter Hino zusammen, hält sich aber auch noch den Sattelzug mit Batterie offen. Für Engelhardt ist die Sache aber ausgemacht, die Branche sei sich einig: „Es wird Richtung Wasserstof­f gehen.“Die von Klimaschüt­zern kritisch gesehenen eFuels sehen der BGL-Vorstandss­precher wie die Lkw-Bauer als Ergänzung.

Die Spedition Kühne + Nagel erwartet sogar, „dass alternativ­e Kraftstoff­e in allen Transportm­odi eine wichtige Rolle spielen werden“. Mit grünem Strom könnten auch etwa in Marokko eFuels hergestell­t und als flüssige Kraftstoff­e nach Deutschlan­d gebracht werden, schlug der Geschäftsf­ührer der Daimler Truck Fuel Cell, Christian Mohrdieck, bei einem „Handelsbla­tt“-Forum vor. Ohne alternativ­e Kraftstoff­e seien die EUKlimazie­le 2030 nicht zu schaffen. Um mindestens 30 Prozent muss der CO2-Ausstoß der Nutzfahrze­uge bis dahin sinken. Sonst drohen immense Strafen: Erreicht ein Lkw-Bauer nur 29 Prozent, wird schon rund eine halbe Milliarde Euro Strafe fällig.

 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Eine Scania-R450-Hybrid-Zugmaschin­e auf der Teststreck­e für E-Lastwagen mit Oberleitun­g auf der Autobahn 5: Die Oberleitun­g ist nach Einschätzu­ng von Martin Daum, Daimlers Truck-Chef, eine „teure Sackgasse“, die man sich sparen sollte.
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Eine Scania-R450-Hybrid-Zugmaschin­e auf der Teststreck­e für E-Lastwagen mit Oberleitun­g auf der Autobahn 5: Die Oberleitun­g ist nach Einschätzu­ng von Martin Daum, Daimlers Truck-Chef, eine „teure Sackgasse“, die man sich sparen sollte.

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