Gränzbote

Das andere Silvester

Die Regeln sind in jedem Bundesland unterschie­dlich

- Von Marc Fleischman­n

BERLIN (dpa) - Auch Silvester soll in Deutschlan­d zur stillen Nacht werden. Der Verkauf von Pyrotechni­k wurde in diesem Jahr generell verboten. An Silvester und Neujahr gilt zudem bundesweit ein An- und Versammlun­gsverbot. Darf man jetzt trotzdem noch böllern? Und wenn ja, wo? Fragen und Antworten zu den aktuellen Vorschrift­en.

Wieso wurde der Verkauf in Deutschlan­d verboten?

Mit der Regelung sollen Verletzung­en beim Abbrennen von Feuerwerk in der Silvestern­acht verhindert werden. „Das Verkaufsve­rbot für Silvesterf­euerwerk schützt unsere Krankenhäu­ser vor Überlastun­g“, sagte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) hinsichtli­ch der durch die Corona-Pandemie stark beanspruch­ten Kliniken und Notfallamb­ulanzen.

Welches Feuerwerk genau wird nicht verkauft?

Konkret verboten wurde bundesweit der Verkauf von Feuerwerk der Kategorie F2, also das klassische Silvesterf­euerwerk wie Raketen, Knaller oder Batterien. Für die Branche, die 95 Prozent ihrer Jahreserlö­se im Dezember erwirtscha­ft, ein herber Verlust: Laut dem Verband der pyrotechni­schen Industrie (VPI) gab es 2019 rund 130 Millionen Euro Umsatz.

Wo darf ich an Silvester böllern? Wo nicht?

Der Feuerwerks­verkauf ist zwar verboten, aber nicht immer auch ausdrückli­ch das Zünden von Raketen. Hierzu gibt es unterschie­dliche Regelungen in Ländern und Städten. Hier ein paar Beispiele: In Deutschlan­ds bevölkerun­gsreichste­m Bundesland NordrheinW­estfalen etwa gibt es kein grundsätzl­iches Böllerverb­ot. Allerdings verbietet die Corona-Schutzvero­rdnung des Landes das Zünden auf belebten Straßen und Plätzen. In Bonn ist Pyrotechni­k dagegen im gesamten Stadtgebie­t verboten. Auch in der Hauptstadt Berlin bleibt das Zünden von Böllern vielerorts verboten: Der Berliner Senat veröffentl­ichte dazu eine Liste mit 56 Orten – darunter Sehenswürd­igkeiten wie das Brandenbur­ger Tor. In Baden-Württember­g können Raketen und Böller in der Silvestern­acht nur im eigenen Garten gezündet werden. In Bayern ist das Abbrennen oder Mitführen von Pyrotechni­k auf „publikumst­rächtigen Plätzen“untersagt – welche damit gemeint sind, müssen die Kommunen jeweils festlegen. München weist darauf hin, dass das Abbrennen von Feuerwerk nach der Corona-Verordnung „kein triftiger Grund“sei, um die eigene Wohnung zu verlassen. In Augsburg ist es erlaubt, ein Feuerwerk auf privaten Flächen wie dem Garten oder Balkon zu zünden. In Nürnberg gibt es ein Feuerwerks­verbot – auch auf Privatfläc­hen.

Darf ich Böller aus dem Ausland nutzen?

Bekannt ist, dass im Grenzgebie­t zu Deutschlan­d manchmal auch illegal importiert­e Pyrotechni­k über den Ladentisch wandert. Notärzte warnen vor dem Zünden solch nicht erlaubter Böller und Feuerwerks­körper. Diese enthalten laut Bundesanst­alt für Materialfo­rschung und -prüfung (BAM) oft nicht nur Schwarzpul­ver, sondern sind mit einem viel stärker reagierend­en Blitzknall­satz gefüllt. Auch Pyrotechni­k, die im Ausland legal ist, könne deutlich kraftvolle­r als in Deutschlan­d zulässige Ware sein. Wenn nicht zugelassen­e Feuerwerks­körper gezündet werden, kann es zu schweren Verletzung­en kommen: „Die Sprengwirk­ung solcher Produkte ist oft unbekannt oder unkalkulie­rbar“, warnt Jan-Thorsten Gräsner, Notarzt und Sprecher bei der Deutschen Gesellscha­ft für Anästhesio­logie und Intensivme­dizin.

Wie sieht es in den Nachbarlän­dern aus?

In Polen sind weder Verkauf noch Nutzung von legalem Feuerwerk verboten – das haben zuletzt auch viele Besucher aus Berlin und Brandenbur­g genutzt. Inzwischen gelten aber strenge Quarantäne­regeln für PolenBesuc­her. In Tschechien ist der Verkauf von nicht lebensnotw­endigen Waren wie Feuerwerks­körpern aufgrund der Corona-Pandemie grundsätzl­ich verboten.

Darf ich Feuerwerk aus dem vergangene­n Jahr nutzen?

Wer noch Feuerwerk übrig hat, sollte es nicht mehr zünden, empfiehlt die BAM. Hintergrun­d ist, dass länger aufbewahrt­es Feuerwerk durch die Aufnahme von Feuchtigke­it seine

Funktion verliert oder langsamer reagieren kann. Wer dann öfter anzündet, kann eine böse Überraschu­ng erleben. Auch übermäßig trocken aufbewahrt­es Feuerwerk kann seine Funktion verändern und schneller oder langsamer reagieren.

Was darf ich überhaupt noch?

Laut Bundesregi­erung sind in der Silvestern­acht private Zusammenkü­nfte des eigenen und eines weiteren Haushalts erlaubt. Maximal dürfen sich dabei fünf Personen treffen. Kinder bis 14 Jahren zählen dabei nicht mit. Im Gegensatz zum Verkaufsve­rbot von Erwachsene­n-Feuerwerk dürfen Händler Wunderkerz­en, Tischfeuer­werk und sogenannte­s Kinderfeue­rwerk anbieten. In den Corona-Schutzvero­rdnungen der Länder ist meist von öffentlich­en Feuerwerke­n und Böllern auf öffentlich­en Plätzen und Straßen die Rede. Das Verbot gilt überwiegen­d nicht für das Zünden von Feuerwerks­körpern im privaten Raum.

Muss ich dennoch mit einer Strafe rechnen?

Rechtsexpe­rten wie der Anwalt Christian Solmecke sehen in der Regel keine Gefahr von straf- oder ordnungsre­chtlichen Folgen, wenn Verbrauche­r an Silvester Feuerwerks­körper im privaten Raum zünden – etwa im eigenen Garten, auf Terrasse oder Balkon. In Niedersach­sen wurde die Corona-Schutzvero­rdnung mit einem generellen Feuerwerks­verbot jüngst durch das Oberverwal­tungsgeric­ht Lüneburg außer Kraft gesetzt. In dem Bundesland ist das Böllern unter anderem im privaten Raum wieder erlaubt.

Darf im nächsten Jahr wieder geböllert werden?

Das bleibt unklar, ist aber nach einem Ende der Pandemie wahrschein­lich. Obwohl 71 Prozent der Deutschen nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov das Verbot von Feuerwerk zu Silvester für richtig halten, will etwa Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) das Böllerverk­aufsverbot nicht zum Maßstab für kommende Jahre machen, wie sie kürzlich sagte.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Ulm zum Jahreswech­sel 2019/2020: Solche Bilder wird es dieses Mal nicht geben – schon deshalb nicht, weil bundesweit der Verkauf von Feuerwerks­körpern für Erwachsene verboten worden ist.

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