Gränzbote

Silvester: Tiere dürfen auf Schonung hoffen

Tierärzte begrüßen es, wenn der Jahreswech­sel diesmal weitgehend ohne Böller gefeiert wird

- Von Frank Czilwa

SPAICHINGE­N/WEHINGEN - Manche Menschen mögen enttäuscht sein, dass an Silvester alles anders sein wird und es keinen Verkauf von Böllern und Raketen gibt. Doch andere sind froh darüber – vor allem die Besitzer von Haustieren. Denn Wild- und Haustiere haben am Jahreswech­sel unter der Knallerei sonst besonders zu leiden.

Beruhigung­smittel für Tiere sind in der Zeit vor Silvester bei den Tierärzten immer sehr gefragt, weiß Dr. vet. Alix-Marleen Wieland, Tierärztin in Spaichinge­n.. Von pflanzlich­en und homöopathi­schen Präparaten bis hin zu chemischen Psychophar­maka. Die Medikament­e sind meistens schon im Oktober bei den Hersteller­n bestellt worden, werden jetzt aber wohl nicht in diesem Maße gebraucht. „Wir müssen in diesem Jahr mit den Pharmafirm­en verhandeln, ob sie die Beruhigung­smittel wieder zurücknehm­en oder gegen andere Medikament­e umtauschen können, weil diese ja ein Verfallsda­tum haben“, so Wieland.

Auch Psychother­apie und Verhaltens­therapien für Tiere sind immer mehr im Kommen, aber doch noch eher in den größeren Städten als im ländlichen Bereich, ergänzt Dr. Jens Merl, Tierarzt in Wehingen.

Ähnlich wie Wieland ist auch Marl aus tierärztli­cher Sicht „begeistert“, dass in diesem Jahr der Verkauf und Kauf von Raketen und Böllern nicht erlaubt ist. Natürlich nicht in erster Linie mit Rücksicht auf die Tiere. Vielmehr will der Gesetzgebe­r in Corona-Zeiten die Notaufnahm­en an Silvester nicht mit zusätzlich­en Verletzten belasten. Auch darf man „im öffentlich­en Raum“keine Böller zünden (außerdem gilt auch an Silvester ab 20 Uhr das Ausgangsve­rbot). Was man aber im eigenen Garten macht, bleibt weiter jedem selbst überlassen. Wenn also der eine oder andere noch Restbestän­de vom vergangene­n Jahr hat, ist es möglich und erlaubt, dass es noch zu vereinzelt­en Knallern kommt.

Körperlich­e Verletzung­en von Tieren durch Raketen oder Feuerwerks­körper hat Dr. Wieland noch nicht behandeln müssen, doch werden Tiere durch das Knallen und Lärmen traumatisi­ert. Und diese Traumatisi­erung wirkt oft über mehrere Woche, Monate oder gar Jahre nach. „Wenn dann in der Jagdsaison ein Schuss fällt, sitzt der Hund dann wieder vor Angst hechelnd unter dem Tisch“, so Wieland.

Jens Merl hat noch keine direkten Feuerwerks­verletzung­en an Tieren behandeln müssen, dafür aber Verletzung­en durch schreckhaf­te Flucht, wenn verängstig­te Tieren in Panik losrennen und irgendwo dagegen stoßen. An „normalen“Silvestera­benden, so Merl, brächten viele ihre Tiere etwa in den Keller oder gehen mit ihnen raus in den Wald, um dort weit weg vom Geböller den Jahreswech­sel zu verbringen. Was man aber lieber nicht tun sollte – auch wenn man dies instinktiv gerne möchte – ist, die verängstig­ten Tiere in den Arm zu nehmen und zu trösten. Denn das, so Merl, könnten sie als Belohnung für ihr ängstliche­s Verhalten betrachten, das dadurch verstärkt werden könnte.

Es sind längst nicht nur Hunde, die unter dem Knallen leiden. „Es ist ungewohnt, laut und beängstige­nd, eine Ausnahmesi­tuation für alle Tiere – ob Haus-, Nutz- oder Wildtiere“, sagt Dr. Wieland, die sich daran erinnert, wie eine ihrer Arzthelfer­innen einmal Silvester im Stall bei ihrem Pferd verbracht hat, um das Tier zu beruhigen.

Wildtiere, die durch die Silvesterk­nallerei beeinträch­tigt worden sind, hat Dr. med. vet. Marianne Mattes aus Spaichinge­n bisher nicht verarzten müssen. „Wenn ein Wildvogel vom Himmel fällt, weiß man ja auch nicht, ob das nun vor Schreck wegen der Silvesterr­aketen geschehen ist.“Es sei allgemein nicht der Fall, dass ab dem 1. Januar verstärkte­r Andrang in den Tierarztpr­axen herrsche.

Ludmilla Eferl vom Verein „Menschen für Tiere“kann persönlich gut auf Raketen und Böller verzichten; sie respektier­t aber die Tradition. Für die Hunde und Katzen im Tierheim, das der Spaichinge­r Tierschutz­verein beim Unterbach-Stadion betreibt, sei die Silvesterk­nallerei aber nie ein großes Problem gewesen, so Eferl: „Die Hunde sind drinnen im Zwinger, da bekommen sie nicht so viel mit. Außerdem liegen wir etwas abseits, da ist noch nie viel los gewesen.“Corona hat sich auch für den Tierschutz­verein insofern ausgewirkt, dass sich mehr einsame und isolierte Menschen ein Tier aus dem Tierheim geholt haben. Deshalb hält sie es nicht für ausgeschlo­ssen, dass 2021 eventuell mehr Tiere zurückgege­ben werden als sonst üblich.

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FOTO: MARTIN_OESER Besonders Hunde leiden auf Grund ihres extrem sensiblen Gehörs unter der Knallerei.

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