Langsamer Abschied eines Pianisten
Solo-Improvisationen von Keith Jarrett sind immer ein Ereignis. Nachdem jetzt aber bekannt wurde, dass der Pianist schon 2018 zwei Schlaganfälle hatte und wohl nie wieder auf die Bühne zurückkehren wird, kommt dieser Aufnahme von 2016 aus der Béla Bartok National Concert Hall, die als „Budapest Concert“(ECM/Universal) erscheint, eine besondere Aufmerksamkeit zu. „Meine linke Seite ist immer noch teilweise gelähmt“, erklärte der 75-Jährige der „New York Times“. Er fühle sich derzeit nicht wie ein Pianist. „Das Beste, was ich von meiner linken Hand erwarten kann“, so Jarrett, „ist möglicherweise die Fähigkeit, eine Tasse zu halten.“
Das Konzert aus Budapest wäre ein würdiger Abschied. Keith Jarrett selbst spricht von „Gold Standard“. Und es ist in der Tat das beste Solokonzert seit dem Mitschnitt aus Rio von 2011 oder gar seit den Konzerten in Paris und London 2009. Schwere Mollakkorde dominieren. Als habe der Musiker eine Vorahnung gehabt von dem, was da kommen sollte. Lediglich das letzte Stück vor den zwei Zugaben macht als lebensfroher Boogie eine Ausnahme. Die restlichen elf Improvisationen sind dunkel, weniger atonal und sehr viel harmonischer als zuletzt, beispielsweise noch bei dem auf der gleichen Tournee zwei Wochen später aufgenommenen Konzert 2016 in München, das vor einem Jahr erschienen ist.
Lange schon schneidet das ECM-Label jedes Konzert von Keith Jarrett mit. Budapest wird also nicht das letzte sein, das veröffentlicht wird. Man darf gespannt sein, welche Schätze das Archiv noch birgt. Wehmut bleibt trotzdem. Es wird ein langsamer Abschied werden.