Das Geschäft mit Lagerfläche boomt
Das Geschäft mit Lagerfläche boomt – Auch in der Corona-Krise ist die Nachfrage ungebrochen
ULM/RAVENSBURG (pek) - Im abgelaufenen Jahr wurde in Deutschland so viel Lagerfläche neu gebaut wie noch nie. Wesentliche Treiber des größeren Platzbedarfs sind der rasant gestiegene Onlinehandel und eine Renaissance der Lagerhaltung, nachdem die Corona-Pandemie die globalen Wertschöpfungsketten im Frühjahr zum Erliegen gebracht hat. Von der stetig wachsenden Nachfrage profitieren unterschiedliche Branchen – auch im Südwesten.
ULM/RAVENSBURG - Es braucht nur ein paar Mausklicks und schon setzen sich Tonnen in Bewegung: Direkt unter der Decke der 24 Meter hohen Lagerhalle fährt an Schienen ein Kran, wie man ihn sonst von den großen Häfen dieser Welt kennt. Unter ihm stehen etwa 300 blaue Container. Zielsicher steuert der Kran eine Reihe an, greift sich einen Container und stellt ihn bis vor die Füße von Markus Hagmann. „Das läuft alles vollautomatisch ab,“sagt der Geschäftsführer von Hagmann Umzüge in Ulm. Erst vor wenigen Monaten wurde seine 2100 Quadratmeter große Containerlagerhalle im Ulmer Donautal fertig – die größte ihrer Art in Deutschland, wie Markus Hagmann nicht ohne Stolz sagt.
Zum Bau dieses riesigen Gebäudes hat sich das Familienunternehmen entschieden, weil das Geschäft mit Lagerfläche boomt. „Es gab einen Zuwachs in den vergangenen Jahren. Die Unternehmen haben mehr in Lager investiert, auch in IT-gesteuerte, weil es den entsprechenden Bedarf gab“, bestätigt Daniel Waldschik vom Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Der Verband hat deutschlandweit 800 Mitgliedsunternehmen, von denen viele die Nachfrage nach mehr Lagerfläche bemerken – so wie Hagmann Umzüge.
„Wir haben jedes Jahr zehn bis zwanzig Container dazugekauft, weil der Platzbedarf da war“, sagt Markus Hagmann. „Unser Kerngeschäft sind Umzüge“, ergänzt sein Vater Karl Hagmann, der die Firma vor mehr als 40 Jahren gegründet hat. „Deshalb kennen wir uns bestens mit Lagerung aus – und gewinnen auch die meisten unserer Lagerhallen-Kunden aus dem Umzugsgeschäft.“Es gebe zum Beispiel Kunden, die im Alter in eine kleinere Wohnung ziehen – aber Sachen, für die sie keinen Platz mehr haben, nicht wegwerfen wollen und sie deshalb einlagern.
Bevor es die Halle gab, hatten die Hagmanns ihre Lagercontainer einfach unter freiem Himmel auf dem Firmengelände stehen. Das neue Gebäude hat den Vorteil, dass es klimatisiert und videoüberwacht sowie mit einer Meldeanlage für Einbrüche und Brände ausgestattet ist. Verstaut werden kann prinzipiell alles Mögliche: vom privaten Hausstand bis hin zu Dokumentenakten einer Firma. Ein Kunde aus der IT-Branche lagere in einem Container zum Beispiel Ersatzteile ein, auf die er nur ab und an Zugriff benötigt, erklärt Karl Hagmann.
Doch es geht auch extravaganter: In einem der Container überwintert etwa ein feuerroter Porsche-Oldtimer. Mehr Platzbedarf gibt es außerdem wegen Corona: „Während der
Pandemie haben wir auch Container, in denen Atemmasken oder Handschuhe gelagert werden“, sagt Markus Hagmann. Gerade Unternehmen interessieren sich immer mehr für die Lagerung: „In den Ballungsgebieten steigen die Immobilienpreise in die Höhe. Da macht es für Firmen wenig Sinn, teure Flächen zu bezahlen für Dinge, die man nicht so oft braucht“, erklärt Markus Hagmann.
Eine weitere Branche, die vom Trend zu mehr Lagerfläche profitiert, ist die Logistik. Denn die Logistikunternehmen fahren die Waren ihrer Kunden nicht nur aus, sie lagern sie auch mehr und mehr ein, um sie zu einem späteren Zeitpunkt auszuliefern. Laut dem Analyseunternehmen Bulwiengesa zählen Logistikimmobilien in der Corona-Pandemie deshalb zu den klaren Krisengewinnern. Bulwiengesa wertet jedes Jahr die Daten von bestehenden, in Bau befindlichen und geplanten Logistikobjekten aus. Das Ergebnis für 2020: Während bei Einzelhandelsund Hotelimmobilien, und selbst auf den Büro- und Wohnungsmärkten Unsicherheit herrscht, steigt die Nachfrage nach Lagerflächen weiter. Deshalb wird fleißig gebaut: In diesem Jahr ist laut Bulwiengesa bundesweit erstmals eine Fläche von mehr als fünf Millionen Quadratmeter fertiggestellt geworden.
„Als wesentlicher Treiber muss der Onlinehandel gesehen werden. Gerade in Pandemiezeiten ist das Bestellvolumen rasant angestiegen“, teilt das Analyseunternehmen auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Doch auch in den vergangenen Jahren sei der Onlinehandel bereits die treibende Kraft der Flächennachfrage gewesen. „Deutlich wird die steigende Bedeutung des ECommerce an dessen Anteil an den Flächenumsätzen in Logistikimmobilien. Lag dieser bezogen auf alle Nutzersektoren im Jahr 2010 noch bei 5,4 Prozent, so stieg er im vergangenen Jahr bereits auf 17,5 Prozent“, schreibt Bulwiengesa. Zukünftig dürfte dieser Anteil sogar auf 20 Prozent oder mehr wachsen.
Das macht sich auch in Oberschwaben bemerkbar: Beim Transportunternehmen Grieshaber Logistik aus Weingarten nehmen die Flächen für die Internetgeschäfte ebenfalls zu – allerdings mit Abstrichen: „Von den Warenströmen des Onlinehandels sind wir in Oberschwaben eher auf der ’letzten Meile’, da wir weit weg von den internationalen Seehäfen und den Verkehrsknotenpunkten sind, die eine extreme Relevanz
für die zahlreichen Importe sind“, erklärt ein Sprecher von Grieshaber Logistik auf Anfrage.
Insgesamt verfügt das Unternehmen, das neben Standorten in Ravensburg und Weingarten auch in Nordrhein-Westfalen und Slowenien vertreten ist, über eine Lagerfläche von 170 000 Quadratmetern. Förmlich explodiert sei die Nachfrage von Unternehmen, die relativ wenig Fläche für ihre Produkte benötigen, dafür aber eine hohe Wertschöpfung auf den Produkten haben, zum Beispiel Pharmaunternehmen, Health-Care-Betriebe und der Werkzeugbau. Aber auch die Corona-Pandemie hat Auswirkungen darauf, wie die Lagerhallen derzeit genutzt werden: „In Nordrhein-Westfalen benötigen wir aktuell sehr viel Lagerfläche für unseren Foodbereich – insbesondere für den Bereich Snacks. Hier ist die Nachfrage deutlich angestiegen“, erklärt der Sprecher. In Corona-Zeiten lagerten mehr verpackte Lebensmittel ein – offenbar, weil sich das Konsumverhalten der Menschen verändert habe: „Vermutlich gibt es statt Kantinenessen eine Tüte Chips zum Mittag“; sagt der Sprecher.
Nur auf manche Sparten der Logistik hatte die Pandemie laut Bulwiengesa
auch negative Effekte. Der Rückgang des weltweiten Handels und die zeitweisen Stillstände in den Produktionsstätten hätten in einigen Bereichen Einbußen verursacht. „Anderseits wurden dadurch Rufe nach einer verstärkten Lagerhaltung lauter, um Lieferengpässe in der Supply Chain zu vermeiden. Dies würde wiederum einen zusätzlichen Flächenbedarf befördern“, schreiben die Experten des Analyseunternehmens.
Bei Grieshaber Logistik geht man ebenfalls davon aus, dass die Nachfrage nach Logistik- und Lagerflächen weiter nach oben geht: „Wir rechnen mit einem weiteren Wachstum durch einen erhöhten Sicherheitsbestand und weiter wachsende Flächen für den Onlinehandel“, teilt das Unternehmen mit. Und auch im Bereich der Containerlagerung gibt es laut Markus Hagmann noch viel Potenzial. Seine Lagerhalle sei so geplant, dass zusätzlich zu den 300 Containern, die aktuell dort stehen, noch mal 200 Stück hineinpassen. Und falls das nicht reicht, wäre es auch kein Problem, sagt Hagmann: „Theoretisch ist unsere Halle sogar noch verlängerbar.“Dann hätte das Gebäude sogar noch einmal Platz für mehrere Hundert weitere Container.