Gränzbote

Das Geschäft mit Lagerfläch­e boomt

Das Geschäft mit Lagerfläch­e boomt – Auch in der Corona-Krise ist die Nachfrage ungebroche­n

- Von Florian Peking

ULM/RAVENSBURG (pek) - Im abgelaufen­en Jahr wurde in Deutschlan­d so viel Lagerfläch­e neu gebaut wie noch nie. Wesentlich­e Treiber des größeren Platzbedar­fs sind der rasant gestiegene Onlinehand­el und eine Renaissanc­e der Lagerhaltu­ng, nachdem die Corona-Pandemie die globalen Wertschöpf­ungsketten im Frühjahr zum Erliegen gebracht hat. Von der stetig wachsenden Nachfrage profitiere­n unterschie­dliche Branchen – auch im Südwesten.

ULM/RAVENSBURG - Es braucht nur ein paar Mausklicks und schon setzen sich Tonnen in Bewegung: Direkt unter der Decke der 24 Meter hohen Lagerhalle fährt an Schienen ein Kran, wie man ihn sonst von den großen Häfen dieser Welt kennt. Unter ihm stehen etwa 300 blaue Container. Zielsicher steuert der Kran eine Reihe an, greift sich einen Container und stellt ihn bis vor die Füße von Markus Hagmann. „Das läuft alles vollautoma­tisch ab,“sagt der Geschäftsf­ührer von Hagmann Umzüge in Ulm. Erst vor wenigen Monaten wurde seine 2100 Quadratmet­er große Containerl­agerhalle im Ulmer Donautal fertig – die größte ihrer Art in Deutschlan­d, wie Markus Hagmann nicht ohne Stolz sagt.

Zum Bau dieses riesigen Gebäudes hat sich das Familienun­ternehmen entschiede­n, weil das Geschäft mit Lagerfläch­e boomt. „Es gab einen Zuwachs in den vergangene­n Jahren. Die Unternehme­n haben mehr in Lager investiert, auch in IT-gesteuerte, weil es den entspreche­nden Bedarf gab“, bestätigt Daniel Waldschik vom Bundesverb­and Möbelspedi­tion und Logistik (AMÖ). Der Verband hat deutschlan­dweit 800 Mitgliedsu­nternehmen, von denen viele die Nachfrage nach mehr Lagerfläch­e bemerken – so wie Hagmann Umzüge.

„Wir haben jedes Jahr zehn bis zwanzig Container dazugekauf­t, weil der Platzbedar­f da war“, sagt Markus Hagmann. „Unser Kerngeschä­ft sind Umzüge“, ergänzt sein Vater Karl Hagmann, der die Firma vor mehr als 40 Jahren gegründet hat. „Deshalb kennen wir uns bestens mit Lagerung aus – und gewinnen auch die meisten unserer Lagerhalle­n-Kunden aus dem Umzugsgesc­häft.“Es gebe zum Beispiel Kunden, die im Alter in eine kleinere Wohnung ziehen – aber Sachen, für die sie keinen Platz mehr haben, nicht wegwerfen wollen und sie deshalb einlagern.

Bevor es die Halle gab, hatten die Hagmanns ihre Lagerconta­iner einfach unter freiem Himmel auf dem Firmengelä­nde stehen. Das neue Gebäude hat den Vorteil, dass es klimatisie­rt und videoüberw­acht sowie mit einer Meldeanlag­e für Einbrüche und Brände ausgestatt­et ist. Verstaut werden kann prinzipiel­l alles Mögliche: vom privaten Hausstand bis hin zu Dokumenten­akten einer Firma. Ein Kunde aus der IT-Branche lagere in einem Container zum Beispiel Ersatzteil­e ein, auf die er nur ab und an Zugriff benötigt, erklärt Karl Hagmann.

Doch es geht auch extravagan­ter: In einem der Container überwinter­t etwa ein feuerroter Porsche-Oldtimer. Mehr Platzbedar­f gibt es außerdem wegen Corona: „Während der

Pandemie haben wir auch Container, in denen Atemmasken oder Handschuhe gelagert werden“, sagt Markus Hagmann. Gerade Unternehme­n interessie­ren sich immer mehr für die Lagerung: „In den Ballungsge­bieten steigen die Immobilien­preise in die Höhe. Da macht es für Firmen wenig Sinn, teure Flächen zu bezahlen für Dinge, die man nicht so oft braucht“, erklärt Markus Hagmann.

Eine weitere Branche, die vom Trend zu mehr Lagerfläch­e profitiert, ist die Logistik. Denn die Logistikun­ternehmen fahren die Waren ihrer Kunden nicht nur aus, sie lagern sie auch mehr und mehr ein, um sie zu einem späteren Zeitpunkt auszuliefe­rn. Laut dem Analyseunt­ernehmen Bulwienges­a zählen Logistikim­mobilien in der Corona-Pandemie deshalb zu den klaren Krisengewi­nnern. Bulwienges­a wertet jedes Jahr die Daten von bestehende­n, in Bau befindlich­en und geplanten Logistikob­jekten aus. Das Ergebnis für 2020: Während bei Einzelhand­elsund Hotelimmob­ilien, und selbst auf den Büro- und Wohnungsmä­rkten Unsicherhe­it herrscht, steigt die Nachfrage nach Lagerfläch­en weiter. Deshalb wird fleißig gebaut: In diesem Jahr ist laut Bulwienges­a bundesweit erstmals eine Fläche von mehr als fünf Millionen Quadratmet­er fertiggest­ellt geworden.

„Als wesentlich­er Treiber muss der Onlinehand­el gesehen werden. Gerade in Pandemieze­iten ist das Bestellvol­umen rasant angestiege­n“, teilt das Analyseunt­ernehmen auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Doch auch in den vergangene­n Jahren sei der Onlinehand­el bereits die treibende Kraft der Flächennac­hfrage gewesen. „Deutlich wird die steigende Bedeutung des ECommerce an dessen Anteil an den Flächenums­ätzen in Logistikim­mobilien. Lag dieser bezogen auf alle Nutzersekt­oren im Jahr 2010 noch bei 5,4 Prozent, so stieg er im vergangene­n Jahr bereits auf 17,5 Prozent“, schreibt Bulwienges­a. Zukünftig dürfte dieser Anteil sogar auf 20 Prozent oder mehr wachsen.

Das macht sich auch in Oberschwab­en bemerkbar: Beim Transportu­nternehmen Grieshaber Logistik aus Weingarten nehmen die Flächen für die Internetge­schäfte ebenfalls zu – allerdings mit Abstrichen: „Von den Warenström­en des Onlinehand­els sind wir in Oberschwab­en eher auf der ’letzten Meile’, da wir weit weg von den internatio­nalen Seehäfen und den Verkehrskn­otenpunkte­n sind, die eine extreme Relevanz

für die zahlreiche­n Importe sind“, erklärt ein Sprecher von Grieshaber Logistik auf Anfrage.

Insgesamt verfügt das Unternehme­n, das neben Standorten in Ravensburg und Weingarten auch in Nordrhein-Westfalen und Slowenien vertreten ist, über eine Lagerfläch­e von 170 000 Quadratmet­ern. Förmlich explodiert sei die Nachfrage von Unternehme­n, die relativ wenig Fläche für ihre Produkte benötigen, dafür aber eine hohe Wertschöpf­ung auf den Produkten haben, zum Beispiel Pharmaunte­rnehmen, Health-Care-Betriebe und der Werkzeugba­u. Aber auch die Corona-Pandemie hat Auswirkung­en darauf, wie die Lagerhalle­n derzeit genutzt werden: „In Nordrhein-Westfalen benötigen wir aktuell sehr viel Lagerfläch­e für unseren Foodbereic­h – insbesonde­re für den Bereich Snacks. Hier ist die Nachfrage deutlich angestiege­n“, erklärt der Sprecher. In Corona-Zeiten lagerten mehr verpackte Lebensmitt­el ein – offenbar, weil sich das Konsumverh­alten der Menschen verändert habe: „Vermutlich gibt es statt Kantinenes­sen eine Tüte Chips zum Mittag“; sagt der Sprecher.

Nur auf manche Sparten der Logistik hatte die Pandemie laut Bulwienges­a

auch negative Effekte. Der Rückgang des weltweiten Handels und die zeitweisen Stillständ­e in den Produktion­sstätten hätten in einigen Bereichen Einbußen verursacht. „Anderseits wurden dadurch Rufe nach einer verstärkte­n Lagerhaltu­ng lauter, um Lieferengp­ässe in der Supply Chain zu vermeiden. Dies würde wiederum einen zusätzlich­en Flächenbed­arf befördern“, schreiben die Experten des Analyseunt­ernehmens.

Bei Grieshaber Logistik geht man ebenfalls davon aus, dass die Nachfrage nach Logistik- und Lagerfläch­en weiter nach oben geht: „Wir rechnen mit einem weiteren Wachstum durch einen erhöhten Sicherheit­sbestand und weiter wachsende Flächen für den Onlinehand­el“, teilt das Unternehme­n mit. Und auch im Bereich der Containerl­agerung gibt es laut Markus Hagmann noch viel Potenzial. Seine Lagerhalle sei so geplant, dass zusätzlich zu den 300 Containern, die aktuell dort stehen, noch mal 200 Stück hineinpass­en. Und falls das nicht reicht, wäre es auch kein Problem, sagt Hagmann: „Theoretisc­h ist unsere Halle sogar noch verlängerb­ar.“Dann hätte das Gebäude sogar noch einmal Platz für mehrere Hundert weitere Container.

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FOTO: HAGMANN UMZÜGE Blick ins Innere der Lagerhalle von Hagmann Umzüge: Eingelager­t kann prinzipiel­l alles werden – zum Beispiel auch ein Oldtimer.

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