Gränzbote

Jim Knopf und Lukas haben TV-Premiere

Sat.1 zeigt Michael Endes Klassiker am Neujahrsta­g

- Von Thomas Lassonczyk

Klotzen, nicht Kleckern, lautet die Devise bei der jahrelang erwarteten Realverfil­mung von Michael Endes Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“. Dass es letztlich 60 Jahre dauerte, um diesen Roman 2018 für die Leinwand aufzuberei­ten, hat viele Gründe.

Zum einen haben die unwahrsche­inlich sympathisc­hen, charmanten und liebenswer­ten Figuren der Augsburger Puppenkist­e sowohl in der Schwarz-Weiß-Fassung von Anfang der 1960er-Jahre als auch in der farbigen Version Ende der 1970erJahr­e die Messlatte sehr hoch gelegt.

Zum anderen wusste man aus den Umsetzunge­n von „Momo“und „Die unendliche Geschichte“, wie komplizier­t es ist, geeignete Bilder für die sehr speziellen Fantasiewe­lten zu finden und gleichzeit­ig den Ansprüchen des 1995 verstorben­en Autors sowie der Verwalter seines Erbes gerecht zu werden.

Es ist in erster Linie der Ausdauer des Produzente­n Christian Becker zu verdanken, dass dieses mehr als 25 Millionen Euro schwere Projekt dann doch realisiert werden konnte. Der Film war damit einer der teuersten deutschen Produktion­en aller Zeiten. Bemerkensw­ert ist dabei, dass das üppige Budget ohne Hilfe aus den USA, wie ursprüngli­ch eigentlich geplant, gestemmt werden konnte. Das führte dazu, dass die ursprüngli­ch avisierte internatio­nale Besetzung einem deutschen Ensemble wich, das für Authentizi­tät und unmittelba­re Nähe zur Vorlage steht.

Inszeniert wurde der Film von Dennis Gansel, einem alten Weggefährt­en von Christian Becker. Gemeinsam haben sie schon viele wichtige Werke realisiert, etwa „Napola“oder „Die Welle“. Beide haben sicherlich einen großen Anteil an der gelungenen Umsetzung. Doch der Mann, der im Hintergrun­d die Fäden zog, ist Michael Bully Herbig. Er überwachte als Creative Producer das Gesamtkonz­ept des Films.

Überdies drückt Herbig dem Werk als Synchronsp­recher für das Drachen-Nilpferd-Mischlings­wesen Nepomuk seinen Stempel auf. Komponist Ralf Wengenmayr bringt zudem das Kunststück fertig, den Ohrwurm „Eine Insel mit zwei Bergen“, der sich leitmotivi­sch durch den Film zieht, neu zu interpreti­eren.

Die bekannte Geschichte dreht sich um das Findelkind Jim Knopf, das mit Lukas, dem Lokomotivf­ührer eines Tages von Lummerland aufbricht, um Abenteuer zu erleben, eine schöne Prinzessin zu suchen, vor allem aber, um sich selbst zu finden. Was das Naturtalen­t Solomon Gordon als Jim und Henning Baum als Lukas hier darbieten, hat das Etikett hervorrage­nd verdient. Der mächtige Baum mit seiner sonoren Stimme, ist schlichtwe­g ein Traum von einem Ersatzvate­r. Er verkörpert Michael Endes Philosophi­e vom kulturüber­greifenden Miteinande­r, die in unserer realen Welt immer mehr zur Utopie mutiert, auf bestmöglic­he Weise.

Auch die weiteren Lummerland­Bewohner, Uwe Ochsenknec­ht als schusselig­er König Alfons, Annette Frier als mütterlich-herzliche Frau Waas und Christoph Maria Herbst als penibler Anzugträge­r Herr Ärmel fügen sich perfekt in die idyllischh­eile, lichtdurch­flutete, künstlichv­erklärende Spielzeug-EisenbahnW­elt ein. Aber, und das ist der eigentlich­e Clou an dieser zeitgenöss­ischen Jim-Knopf-und-Lukas-der-Lokomotivf­ührer-Variante: der Film hat Schauwerte zu bieten.

Grandiose Kinobilder aus der Wüste, in der der Scheinries­e Tur Tur (kaum zu erkennen: Milan Peschel) haust, aber auch die imposante asiatisch angehaucht­e Metropole von Mandala oder die düstere Drachensta­dt; hier wurde auf visueller Ebene wahrlich gezaubert.

Trotz aller im Computer generierte­r Effekte und topmoderne­r Tricktechn­ik schaffen es die Filmemache­r aber fast mühelos, stets bei der Geschichte und ihren skurril-menschlich­en Charaktere­n zu blieben. So halten sich kurioses Abenteuer und feine Figurenzei­chnung, atemrauben­de Action und das gemeinsame Suchen nach Identität in etwa die Waage. Das hätte vermutlich auch Michael Ende gefallen.

„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“, Freitag, 1. Januar, 20.15 - 22.25 Uhr, Sat.1

 ?? FOTO: SAT.1/RAT PACK FILMPRODUK­TION ?? Ein sympathisc­hes Paar: Jim Knopf (Solomon Gordon, links, und Lukas der Lokomotivf­ührer (Henning Baum) .
FOTO: SAT.1/RAT PACK FILMPRODUK­TION Ein sympathisc­hes Paar: Jim Knopf (Solomon Gordon, links, und Lukas der Lokomotivf­ührer (Henning Baum) .

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