2021 wird alles, nur nicht langweilig!
Was wird uns das kommende Jahr bringen? Das bekannte Medium Gräboheutrozei hat für unsere Leser in die Glaskugel geschaut
Das Jahr beginnt mit einem Paukenschlag: Rücktritt vom politischen Rückzug: Überraschend wird Volker Kauder (CDU) nicht nur zurück auf die politische Bühne steigen, sondern auch am letzten Tag vor Ablauf der Frist für die Wahl des Bürgermeisters in Kolbingen seine Bewerbung abgeben. Der ehemalige Bundespolitiker und Ex-Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Deutschen Bundestag wird sich sodann bei der Wahl am 21. März nicht überraschend mit großer Mehrheit gegen die übrigen Kandidaten durchsetzen – die da heißen: Fridi Miller, Samuel Speitelsbach und Torsten Kelpin.
Und es geht aufregend weiter: Das Kistenmännle verlässt Tuttlingen. Die Fasnet fällt durch die Nachwehen der Pandemie aus. Worauf soll es also noch warten, im dunklen Verlies, mit all seinen Schätzen? Die können andere nach der Krise viel besser gebrauchen, denkt sich der Geist. Daher investiert er an der Börse, spendet gebeutelten Gastronomen und SoloSelbstständigen Geld und füllt die Lager der Tafelläden wieder auf. Mit diesen Wohltaten will das Kistenmännle seine Schuld begleichen. Diese lastet auf ihm, weil es zu Lebzeiten viele Menschen gefangen gehalten und verhungern lassen hatte. 2
021 wird das Jahr der Open-AirVeranstaltungen: Gottesdienste, Gemeinderatssitzungen, Kabarett, Kunst und die Jahrgängertreffen – alles wird ab zweistelligen Temperaturen nach draußen verlegt. Die Stadt Tuttlingen rodet dafür extra ein Stück Stadtwald ab, um Platz für die Zusammenkünfte unter freiem Himmel zu haben. Zum Transport der Menschen werden Rad-Rikschas im großen Stil eingekauft und Hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen. Die Rikschas schonen die Umwelt und verhindern im Gegensatz zum Busverkehr, dass viele Menschen auf kleinsten Raum zusammengepfercht werden.
Die geplante Amazon-Ansiedlung in Trossingen platzt. Stadt und Gemeinderat hören auf die Proteste der Bürger und blasen das Projekt ab. Statt einen ausbeuterischen Arbeitgeber in die Stadt zu holen, soll auf dem geplanten Areal in einem Industriegebiet ein botanischer Garten entstehen – um dem frappanten Flächenverbrauch in der Musikstadt entgegenzuwirken und für einen umfassenden ökologischen Ausgleich zu sorgen. Dessen Chef wird der gescheiterte Trossinger Bürgermeisterkandidat Torsten Kelpin, der sich im Wahlkampf für den Naturschutz stark machte, der dafür seinen Job als Landschaftsgärtner in Tuttlingen kündigt.
In Spaichingen wird das 2020 ausgefallene Jubiläumsfest „50 Jahre Städtepartnerschaft mit Sallanches“2021 groß nachgefeiert. Aus diesem Anlass findet das Gebäude des ehemaligen Modehauses Kimmerl als deutsch-französisches Kulturzentrum endlich eine neue sinnvolle Bestimmung. Nach der glanzvollen Eröffnung mit Präsident Macron und – als eine ihrer letzten Amtshandlungen – Bundeskanzlerin Merkel glaubt man, das Ganze sei nicht mehr zu toppen. Bis dann der Louvre ankündigt, im ehemaligen Kimmerl eine weitere seiner Außenstellen einzurichten ...
Trotz Bemühungen, ihre Ausbreitung in den Griff zu bekommen, wächst die Taubenpopulation ununterbrochen. Daher verleiht die Stadt Tuttlingen den Tieren eine Art Bürger-Status. In der Innenstadt werden für die Tauben Bänke und öffentliche Toiletten aufgestellt. Und im Umläufle entsteht eine Siedlung für die Tiere, mit
Schlafräumen und Futterplätzen. Die Siedlung ist rund um die Uhr als Streichelzoo begehbar. Am Ende des Jahres wünscht sich jedes zweite Kind eine Taube als Haustier zu Weihnachten.
Die Aufregung um die Corona-Impfungen ebbt Mitte des Jahres plötzlich ab: In Tuttlingen gelingt völlig unerwartet der Durchbruch im Kampf gegen das Virus. Bei einem Laborversuch findet ein Unternehmen heraus, dass das Verdampfen einer KamilleBrennnessel-Mischung überaus positive Effekte auf die Atmung Erkrankter hat. Dabei zeigt das Virus sogar menschlich Züge. Genauso wie manch Kind früher schon beim Gedanken an das Trinken eines Kamillen-Tees mit Blitzheilung das Krankenbett verließ, sucht nun auch das Virus bei Kamille-Dämpfen schlagartig das Weite.
Das Ganze ist nicht zu haben, das halbe ist nicht gewollt. Also geht Tuttlingen in Sachen Donau auf den ersten Blick in die Rolle des demütigen Verlierers: Die weiße Flagge wird gehisst, das Donauwehr am Scala-Kino komplett das ganze Jahr heruntergefahren. Wer jetzt bei einem Grünen-Politiker ein siegesgewisses Dauerlachen erwartet oder dies unterstellen wollte, der irrt. Denn die Stadtverwaltung verfolgt mit der scheinbaren Aufgabe einen Plan. Auf dem Fluss wird auf Pontons ein schwimmfähiger Sandkasten als mobiler Strand angebracht. So können die Tuttlinger vom grünen Ufer direkt an den Donau-Beach schlendern. Es entsteht eine Promenade mit unzähligen Geschäften und Mitbringseln für die Verwandtschaft. Die Verwaltung überlegt sogar, mit einer Kurtaxe das Stadtsäckel zu füllen. Und das Wasser? Kein Problem. Im Sommer ohnehin kaum vorhanden, fließt es seicht am mobilen Strand vorbei. Das nasse Plätschern eignet sich sogar für Kneippanwendungen.
Tuttlingen, Weltzentrum der Medizintechnik! Mit diesem Slogan wirbt die Stadt seit Jahrzehnten. Doch 2021 ändert sich das. Als Reminiszenz an die Gründer des Unternehmens „Storz & Bickel“, Weltmarktführer in der Herstellung von Cannabinoid-Verdampfern, hat Tuttlingen nun den offiziellen Beinamen „High-City“bekommen. Dampfen ist das neue Kiffen, denn heute konsumiert man Cannabis per Vaporisator. Jürgen Bickel und Markus Storz haben ihr Unternehmen Ende 2018 zwar für 145 Millionen Euro an die kanadische Canopy Growth Corporation verkauft. Doch in der Szene ist man sich sicher: Die Wiege des Cannabis-Dampfens wurde in Tuttlingen gelegt! OB Beck und sein Gemeinderat wehren sich anfangs mit Händen und Füßen gegen diese Ehrung. Aus inoffizieller Quelle ist aber zu hören, dass nach einer Firmenbesichtigung samt anschließendem Come-Together der Widerstand irgendwie verdampft sein soll.
Die Installation „Wertpapiere“der Künstlerin Anja Luithle, die auf dem Weg zu den öffentlich zugänglichen Toiletten der Stadtgalerie zu sehen ist, findet Nachahmer. Die Tuttlinger finden die Idee so toll, dass sie in einer Kunstaktion eine Open-Air-Ausstellung mit den „Wertpapieren“– Toilettenpapier aus aller Welt – organisieren. Die Stadt wird mit Klopapier-Skulpturen regelrecht zugepflastert. Die Kunstwerke aus dem Papier hängen auch an Bäumen, Hauswänden, zieren Straßenschilder, Ruhebänke und Wegkreuze. Bundesweit sorgt das für einen WC-Papier-Lockdown, denn das teure Kunstmaterial ist flächendeckend ausverkauft. Während sich ganz Deutschland mit verkniffener Miene durch den Alltag bewegt, herrscht in der Donaustadt entspannte Lässigkeit: Ist ja alles vorhanden – in Massen. Denn Kunst ist vergänglich ....
Von wegen, dem Innenstadthandel droht der Kollaps! Ab Mitte des Jahres wird der Spieß umgedreht und all die Internet-Giganten, die während Lock-, Shut- und sonstigen Downs mächtig profitiert haben, geben ein Stück ihrer Einnahmen zurück. Sie kooperieren mit den örtlichen Händlern und liefern für sie kostenlos aus, gleichzeitig öffnen sie eigene Shops vor Ort, direkt im Herzen der Städte. In Tuttlingen wird bekannt, dass sich Zalando in die Gewerberäume am Union-Areal einmieten will, gefolgt von einem Elektromarkt, der gleichzeitig technisch mit der Stadtbibliothek kooperieren will, die ebenfalls in das Areal zieht. Da ist Systemgastronomie nicht weit: Auch „Hans im Glück“zählt zu den künftigen Mietern von Riess’ Prestigeprojekt. En Guete!
Das Klinikum meldet im September den letzten entlassenen Corona-Patienten. Zuvor haben die Impfaktionen in der Bevölkerung voll angeschlagen. Bis zum Sommer haben sich mehr als 80 Prozent aller Bürger in der Region gegen das Virus impfen lassen. Das tritt resigniert den Rückzug an. Die Maskenpflicht wird aufgehoben. Rasierapparate und -klingen finden reißenden Absatz, nachdem sich Männer über viele Monate nur verhüllt in der Öffentlichkeit zeigen durften und unförmige Bärte hatten wuchern lassen.
Andreas Thuresson, Joacim Eriksson, Niklas Sundblad – An den Schwedenhappen der Schwenninger Wild Wings in Sturm, Tor und Trainerbank verschlucken sich die Gegner in der Deutschen Eishockey Liga reihenweise. Auch wenn es nicht zum Meistertitel reicht, wird der skandinavische Markt auf die siegenden Schwäne aufmerksam. Ein großes Möbelhaus aus Schweden mit den vier blauen Buchstaben steigt als Investor ein. Künftig laufen die Wild Wings in der IKEA-Arena zum Bully auf. Eine Namensänderung des Teams setzt sich nicht durch. Wobei die Skallerstork Schwenningen den neuen Besitzern samt dem Klapperstorch als Maskottchen schon gut gefallen hätten. Der Einfluss der schwedischen Bosse ist dennoch unverkennbar. Die Tore sind eckiger, aus hellem Buchenholz und mit winzigen Inbusschlüsseln leicht zu montieren. Und auch die Kabinen der Mannschaften erhalten einen neuen Namen: Umkleida.
Endlich ist wieder Urlaub möglich – ohne großen CoronaStress und Reisebeschränkungen. Doch nanu? Statt die Koffer zu packen und nach Mallorca zu fliegen, bleiben die Deutschen zum Urlaub machen tatsächlich freiwillig in Deutschland! Das macht sich auch besonders im Donaubergland bemerkbar. Denn die Schönheit der Region hat sich durch die vielen Wanderer und Radfahrer im Corona-Jahr offenbar herumgesprochen. So steckt das Donaubergland Allgäu, Schwarzwald und Ostsee locker in die Tasche. Hoteliers und Gastronomen erleben den Sommer ihres Lebens – und können damit die Verluste aus dem Vorjahr locker wegstecken. Investoren zeigen plötzlich riesiges Interesse in der Region und wollen Hotelanlagen, WellnessTempel und Freizeitparks zwischen die Felsenlandschaft bauen. Das kommt Walter Knittel von Donaubergland Marketing und Tourismus aber nicht in die Tüte – schließlich soll die Region ihren Charme behalten. So bringt der unerwartete Tourismus-Boom nur eine kleine Schattenseite mit sich: Weil die deutschen Touristen jeden Stein und jede Bank entlang der Donau mit ihren Handtüchern reservieren, wird zusätzliches Personal eingestellt, das dort für Ordnung sorgt – mit einem freundlichen Lächeln, versteht sich.