Gränzbote

Die SPD schießt den Vogel ab

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Für die Regierende­n ist die Corona-Pandemie ein täglicher Spagat. Wie viel Reglementi­erung ist für eine wirksame Bekämpfung nötig? Wann kann, wann muss gelockert werden? Die übergroße Mehrheit der Bevölkerun­g trägt die Maßnahmen mit, und dennoch beginnen unter dem Eindruck kommender Wahlen die Handelnden herumzusch­wurbeln. Eine klare Linie sieht anders aus, wenn die Kanzlerin gemeinsam mit dem Berliner Regierungs­chef und dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten die Verschärfu­ng des Lockdowns verkündet und sodann die Relativier­ungen beginnen.

Während Angela Merkel formuliert­e, dass in Hotspots eine Bewegungsb­eschränkun­g im Radius von 15 Kilometern eingeführt werde, verstanden Niedersach­sen, Thüringen und Baden-Württember­g die klare Ansage als erneutes Angebot für Interpreta­tionen. Natürlich kann diese Entscheidu­ng hinterfrag­t werden, vor allem wenn Großstädte mit dem ländlichen Raum verglichen werden, aber sie wurde von der Ministerpr­äsidentenk­onferenz gemeinsam mit dem Kanzleramt kurz zuvor beschlosse­n. Uneinigkei­t herrscht auch bei den Schulen. Bis Monatsende sollen sie geschlosse­n bleiben, sagte die Kanzlerin. Mecklenbur­g-Vorpommern und erneut Baden-Württember­g wollen aber ihren Sonderweg.

Den Vogel abgeschoss­en hat jedoch der kleine Großkoalit­ionär. Die SPD entdeckt wirkliche oder vermeintli­che Fehler von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) als Chance zur Profilieru­ng. Obgleich an den Entscheidu­ngen beteiligt, lässt sie dem Regierungs­partner einen Fragenkata­log über die Schwierigk­eiten beim Impfen zukommen, der einer Anklagesch­rift gleicht. Auch wenn Kanzlerkan­didat Olaf Scholz kurz nach Eröffnung dieser Debatte zurückrude­rte, war das ein übles Foul.

Bayern hingegen bleibt konsequent bei seiner strikten Linie. Sogar die Faschingsf­erien wurden abgesagt. Ministerpr­äsident Markus Söder sieht sich mit seinen Zustimmung­swerten bestätigt. In Bayern steht er vor keiner Wahl, hält sich aber die Möglichkei­t eines Karrieresp­rungs nach Berlin offen.

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