Gränzbote

Südwesten hält an Schulöffnu­ng fest

Baden-Württember­g schert beim härteren Lockdown aus – Bayern sagt Faschingsf­erien ab

- Von Andrea Pauly, Lilia Ben Amor und Agenturen

BERLIN/STUTTGART (dpa/lsw/ AFP) - Der harte Lockdown in der Corona-Pandemie geht mindestens bis Ende Januar weiter – und das sogar verschärft. Doch nicht alle Länder ziehen in allen Punkten mit. Nachdem sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungs­chefs der Länder am Dienstag auf eine Verlängeru­ng und einige härtere Maßnahmen geeinigt hatten, wurden inzwischen mehrere Regelungen von einzelnen Ländern wieder infrage gestellt – auch von BadenWürtt­embergs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne).

Weitgehend­e Einigkeit der Länder herrscht bei der neuen Maßnahme zur Verringeru­ng der Kontakte. Künftig sollen Treffen nur noch mit einer weiteren Person, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, möglich sein. Diese Regelung kritisiert­en vor allem FDP und AfD. Nicht von allen Ländern umgesetzt werden vor allem zwei Punkte: Die Schließung der Schulen sowie die 15-Kilometer-Regel. Diese besagt, dass für Kreise mit mehr als 200 Neuansteck­ungen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen der Bewegungsr­adius der Bürger auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzt werden soll. Kretschman­n sagte dazu: „Aktuell planen wir das nicht.“Auch Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) zweifelte die Verhältnis­mäßigkeit der Regel an. Nordrhein-Westfalens Vize-Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP) bezeichnet­e die Regelung lediglich als „Möglichkei­t“. Polizeigew­erkschafte­r äußerten Zweifel an der Durchsetzb­arkeit, der Städteund Gemeindebu­nd ebenfalls. Den eingeschrä­nkten Bewegungsr­adius gibt es bislang nur in Sachsen, wo die Zahl der Neuinfekti­onen zuletzt stark gestiegen war. Beim Lockdown für Schulen gibt es ebenfalls ein differenzi­ertes Vorgehen. Hier schert Baden-Württember­g ebenfalls aus: Grundschul­en und Kitas sollen im Südwesten schon ab dem 18. Januar wieder aufmachen, wenn die Infektions­zahlen dies zulassen. Auch in Niedersach­sen sollen Grundschül­er im Wechselbet­rieb ab 18. Januar wieder in die Schule.

Dagegen setzte das Kabinett in Bayern in einer Sondersitz­ung die neuen Regeln eins zu eins um. Dort wurden außerdem die diesjährig­en Faschingsf­erien Mitte Februar gestrichen.

STUTTGART - Die Menschen in Deutschlan­d müssen sich für die kommenden Wochen auf weitere Beschränku­ngen einstellen. Die ursprüngli­ch bis zum 10. Januar vereinbart­e und nun bundesweit­e Verlängeru­ng der Lockdown-Regeln bis zum Monatsende trägt der Südwesten mit – trotz lautstarke­r Hilferufe aus Handel und Hotelbranc­he. Auch folgt Baden-Württember­g den strengeren Kontaktbes­chränkunge­n im privaten Bereich. Die neuen Beschränku­ngen gelten ab dem 11. Januar. Allerdings will das Land in zwei entscheide­nden Punkten seinen Spielraum nutzen und möglichst zugunsten von Kitas, Schulen und der Bewegungsf­reiheit von den strengen Vorgaben abweichen.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) bat angesichts der neuen Beschränku­ngen erneut um Geduld und Verständni­s. „Wir sind noch nicht über den Berg“, sagte der Regierungs­chef nach den Beratungen der Bundeskanz­lerin mit den Ministerpr­äsidenten und Regierungs­chefinnen.

Die Regeln im Überblick:

Schulen: In baden-württember­gischen Schulen wird es nach Ende der Weihnachts­ferien zunächst keinen Präsenzunt­erricht geben. Grundschül­er sollen zunächst wie im ersten Lockdown im Frühjahr mit Materialie­n zu Hause lernen. Zudem soll es eine Notbetreuu­ng geben. Vom 18. Januar an soll es, wenn es die Infektions­zahlen zulassen, wieder Präsenzunt­erricht geben. Für Schülerinn­en und Schüler ab Klassenstu­fe 5 soll Fernunterr­icht angeboten werden. „Für den Fernunterr­icht gibt es seit Juli 2020 landesweit verbindlic­he Qualitätsk­riterien und Vorgaben“, schreibt das Ministeriu­m. Falls schriftlic­he Arbeiten für die Notenbildu­ng zwingend erforderli­ch sind, sollen die Schüler dafür in die Schulen kommen können. Um eine angemessen­e Vorbereitu­ng für Abschlussp­rüfungen möglich zu machen, soll schon ab 11. Januar „ergänzend zum Fernunterr­icht auch Präsenzunt­erricht angeboten werden“. Bedingung: Präsenz müsse „zwingend zur Prüfungsvo­rbereitung erforderli­ch“sein. Für Kinder in Kindertage­sstätten und Kindertage­spflege sowie für Schüler der Klassen 1 bis 7 werde wieder eine Notbetreuu­ng eingericht­et – allerdings nur für Kinder, „deren Eltern zwingend auf eine Betreuung angewiesen sind“. Eltern müssen nachweisen, „dass beide entweder in ihrer berufliche­n Tätigkeit unabkömmli­ch sind oder ein Studium absolviere­n oder eine Schule besuchen, sofern sie die Abschlussp­rüfung im Jahr 2021 anstreben“.

Kontakte: Künftig sind Treffen jenseits des eigenen Haushalts nur noch mit einer weiteren Person erlaubt.

Betriebska­ntinen: Betriebska­ntinen müssen schließen und dürfen allenfalls noch Speisen und Getränke zum Mitnehmen für Angestellt­e anbieten.

Mobilität: In Landkreise­n, in denen binnen sieben Tagen mehr als 200 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner gemeldet wurden, sollen sich nach Ansicht des Bundes Menschen ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen dürfen. Tagestouri­stische Ausflüge stellen explizit keinen triftigen Grund dar, heißt es. Ministerpr­äsident Kretschman­n betonte aber, Baden-Württember­g wolle hier zunächst nicht mitmachen: „Aktuell planen wir das nicht, wir müssen erst zu belastbare­n Werten kommen, um das zu entscheide­n.“

Kinderkran­kengeld: Normalerwe­ise erhält jedes Elternteil pro Jahr für bis zu zehn Arbeitstag­e Kinderkran­kengeld, Alleinerzi­ehende für bis zu 20 Tagen. Vorübergeh­end soll der Zeitraum auf 20 beziehungs­weise 40 Tage steigen. Der Anspruch gilt auch, wenn das Kind wegen Corona nicht in die Schule oder Kita gehen kann.

Einreise: Wer aus einem ausländisc­hen Risikogebi­et einreist, muss sich künftig bei der Einreise testen lassen oder in den 48 Stunden davor. Die Pflicht zu einer zehntägige­n Quarantäne, die ab dem fünften Tag durch einen negativen Test beendet werden kann, bleibt bestehen.

Einzelhand­el: Der Einzelhand­el bleibt geschlosse­n. Ausnahmen gelten für Geschäfte, die den täglichen Bedarf decken. Dazu zählen: Lebensmitt­elläden, Wochenmärk­te, Abholund Lieferdien­ste, Getränkemä­rkte, Reformhäus­er, Babyfachmä­rkte; Apotheken, Sanitätshä­user, Drogerien, Optiker, Hörgerätea­kustiker, Tankstelle­n, Kfz-Werkstätte­n, Fahrradwer­kstätten, Banken und Sparkassen, Poststelle­n, Reinigunge­n, Waschsalon­s, Zeitungsve­rkauf, Tierbedarf, Futtermitt­elmärkte und Großhandel. Allerdings: Die Landesregi­erung lockert die Regeln für Einzelhänd­ler und erlaubt vom kommenden Montag an wieder Abholangeb­ote im Handel (siehe Text unten).

Arbeitspla­tz: Arbeitgebe­r werden dringend gebeten zu prüfen, ob Unternehme­n entweder durch Betriebsfe­rien oder großzügige Homeoffice-Lösungen geschlosse­n werden können.

Alkohol: Das Trinken alkoholisc­her Getränke im öffentlich­en Raum wird untersagt. Verstöße werden mit einem Bußgeld belegt.

Friseure: Dienstleis­tungsbetri­ebe im Bereich der Körperpfle­ge wie Friseursal­ons, Kosmetikst­udios, Massagepra­xen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe sind zu.

Notwendige Behandlung­en: Medizinisc­h notwendige Behandlung­en, zum Beispiel Physio-, Ergound Logotherap­ien sowie Podologie/Fußpflege bleiben möglich.

Gottesdien­ste: Gottesdien­ste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie die Zusammenkü­nfte anderer Glaubensge­meinschaft­en sind nur zulässig, wenn der Mindestabs­tand von 1,5 Metern gewahrt werden kann. Es gilt Maskenpfli­cht auch am Platz, der Gemeindege­sang ist untersagt. Wenn volle Besetzung erwartet wird, sollen sich die Besucher anmelden.

Altenpfleg­e: Das Personal in Altenund Pflegeeinr­ichtungen muss mehrmals pro Woche getestet werden. In Regionen mit erhöhten Fallzahlen müssen Besucher einen negativen Corona-Test vorweisen.

Nächste Schritte: Am 25. Januar wollen Bund und Länder erneut beraten, wie es mit den Maßnahmen weitergehe­n soll.

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FOTO: K. SCHMITT/ IMAGO IMAGES Einstweile­n lernen die Schüler noch zu Hause.

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