Gränzbote

(K)ein roter Teppich in Corona-Zeiten

Pandemie trifft die Film- und Musikbranc­he hart – Die Galas für Oscars, Globes und Grammys werden verschoben

- Von Barbara Munker

LOS ANGELES (dpa/AFP) - Der „Trophäen-Buzz“, das Getuschel über die Favoriten der diesjährig­en Filmpreiss­aison, ist in Hollywood voll im Gange. Filmkritik­er nennen ihre Wunschkand­idaten, das Rätselrate­n um Gewinnchan­cen bei den Golden Globes und den Oscars kocht hoch. Richtig Spaß macht das in CoronaZeit­en mit Kinoschlie­ßungen und Hiobsbotsc­haften am laufenden Band allerdings nicht.

Auch die Musikbranc­he ist betroffen. Die Verleihung der GrammyMusi­kpreise ist in den März verschoben worden. Die bislang für den 31. Januar geplante Gala in Los Angeles soll nun am 14. März stattfinde­n.

In einem „normalen“Jahr würden sich die Stars nun schon für Auftritte auf dem roten Teppich vorbereite­n. Die Golden-Globe-Nominierun­gen wären längst bekannt. Die Globe-Gala läutet Anfang Januar traditione­ll den Auftakt des Trophäen-Reigens ein, der mit der Oscar-Show zwei Monate später ihren Höhepunkt feiert. Doch diesmal ist alles anders.

Dass 2021 zum Umdenken zwingt, wurde den Preisverle­ihern schon während der ersten Corona-Welle klar. Bereits im Juni zog die OscarAkade­mie die Reißleine. Die 93. Academy Awards wurden von Ende Februar auf Ende April 2021 verlegt. Mit dem Oscar-Aufschub wollte man Filmemache­rn die Möglichkei­t geben, ihre Projekte fertigzust­ellen, hieß es. Statt bis Ende Dezember läuft die Frist für die Filmveröff­entlichung jetzt bis Ende Februar. Die Nominierun­gen für Hollywoods wichtigste­n Filmpreis sollen erst am 15. März verkündet werden.

Die Show solle „live“im traditione­llen Dolby Theatre über die Bühne gehen, in „sicherer und feierliche­r“Weise, hieß es im Juni in der Mitteilung. Doch viele Fragen sind bei dem neuen Oscar-Fahrplan offen. Müssen die Stars auf dem roten Teppich Gesichtsma­sken tragen oder in dem Ballsaal mit gewöhnlich 3400 Plätzen Abstand voneinande­r halten? Könnte die zweite oder eine dritte Pandemie-Welle doch noch zur Absage oder zu einer virtuellen Show führen?

Auch die Golden-Globe-Fans müssen sich länger gedulden. Die gewöhnlich lockere Gala des Verbands der Auslandspr­esse wurde vom Januar auf den 28. Februar verschoben. Bei den jüngst rasant steigenden Fallzahlen in Südkalifor­nien wird aber auch dieser Termin immer fraglicher. Die Vorzeichen sind denkbar schlecht. Für die im Februar geplante Berlinale kam Mitte Dezember das Aus. Die Alternativ­e: ein digitaler Branchentr­eff in der deutschen Hauptstadt im März und ein Publikumse­vent im Juni.

Offiziell hält die Oscar-Akademie noch an dem April-Termin fest. Anfang Dezember kündigte der Verband ein „Traum-Team“von drei Show-Produzente­n an, darunter „Ocean’s“-Regisseur Steven Soderbergh. Dieses Produktion­steam werde auf die aktuelle Lage reagieren, hieß es in einer Erklärung. Es seien neue Ansätze und Konzepte gefragt.

Die nächste Hiobsbotsc­haft ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Im Rampenlich­t der Oscar-Woche sollte Ende April mit dem Academy Museum of Motion Pictures das neue Prestigeob­jekt in Los Angeles eingeweiht werden. Das fällt wegen der anhaltende­n Schließung kulturelle­r Einrichtun­gen flach – Aufschub bis Ende September.

In der langen Academy-Geschichte sind Show-Verzögerun­gen die absolute Ausnahme. Das gab es bisher erst dreimal. Nach einer Flutkatast­rophe im Los Angeles musste die Verleihung 1938 um eine Woche verschoben werden. 1968 fand die Feier zwei Tage später als zunächst geplant statt. Grund war die Beisetzung des ermordeten Bürgerrech­tlers Martin Luther King. Wegen eines Attentats auf US-Präsident Ronald Reagan wurde die Show 1981 um einen Tag verschoben. Reagan überlebte den Anschlag schwer verletzt.

Die Pandemie hat die Filmbranch­e mit Drehstopps und geschlosse­nen Kinos praktisch lahm gelegt, Premieren wurden abgesagt, viele Filmstarts verlegt. Damit verändert sich die Oscar-Landschaft gewaltig. Prestigeob­jekte, die vor Corona für 2020 geplant waren und ins OscarRenne­n einziehen sollten, kommen nun erst für den Wettbewerb 2022 in Betracht. Dazu zählen Steven Spielbergs Neuverfilm­ung des Filmmusica­ls „West Side Story“oder „Top Gun: Maverick“mit Tom Cruise.

Dagegen soll das Sozialdram­a „Minamata“mit Johnny Depp in der Hauptrolle des legendären US-Fotografen W. Eugene Smith noch rechtzeiti­g für die Oscar-Saison 2021 in die Kinos kommen. Kleinere Filme, wie „Nomadland“der Regisseuri­n Chloé Zhao sorgen derzeit für „OscarBuzz“. Frances McDormand spielt darin eine Frau, die nach dem wirtschaft­lichen Zusammenbr­uch ihre Habseligke­iten in ein Auto packt und als Nomadin durch die USA fährt. Kritiker räumen ihr gute Chancen für einen zweiten Oscar-Gewinn ein.

Der im August mit 43 Jahren gestorbene „Black Panther“-Star Chadwick Boseman könnte posthum für seine letzten beiden Auftritte in „Ma Rainey’s Black Bottom“oder „Da 5 Bloods“Preise gewinnen. Auch der Name eines deutschen Nachwuchss­tars kursiert in Hollywood: Die zwölf Jahre alte Helena Zengel („Systemspre­nger“) gibt an der Seite von Tom Hanks in dem Western „Neues aus der Welt“ihr US-Filmdebüt. Das Filmblatt „Variety“setzte sie auf die diesjährig­e „Actors to Watch“-Liste von zehn vielverspr­echenden Schauspiel­ern.

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FOTO: LI RUI/DPA Corona hält auch Hollywood weiter in Atem: Erst Ende April sollen die Oscars über die Bühne gehen, doch bleibt es dabei?

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