Gränzbote

Nach Unfall: Junge Frau sagt Danke

Vor eineinhalb Jahren hatte Leonie Pölz in Tuttlingen einen schweren Autounfall

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Zwei Autos mit zerstörten Motorhaube­n, eingedrück­tes Blech, zersplitte­rte Windschutz­scheiben. Dann Rettungshu­bschrauber, Krankenwag­en, das Blaulicht der Feuerwehr. Diese Bilder bleiben Beobachter­n und Zeitungsle­sern, aber auch Rettungskr­äften von einem Unfall im Kopf. So auch von einem schweren Zusammenst­oß im Juli 2019 in Tuttlingen. Aber was passiert mit den Betroffene­n danach? Eine junge Frau hat ihre Geschichte kürzlich der Tuttlinger Feuerwehr erzählt – und auch unserer Zeitung.

Der 28. Juli 2019 ist ein Sonntag. Leonie Pölz und ihr damaliger Freund haben einen Besuch im Freizeitba­d in Titisee hinter sich. Sie befinden sich auf dem Heimweg nach Veringenst­adt im Landkreis Sigmaringe­n. Wie es passiert ist, lässt sich heute nicht mehr sagen: Auf der B 14, kurz hinter dem Tuttlinger Ortsausgan­g, kommt das Auto auf die Gegenfahrb­ahn und prallt frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammen.

Leonie Pölz, damals 19 Jahre alt, ist die Beifahreri­n. Sie erinnert sich an den Knall, der sie hochschrec­kt, und an die kaputte Windschutz­scheibe, als sie die Augen aufmacht. „Den Unfall an sich hab ich gar nicht mitbekomme­n, ich war eingeschla­fen oder mein Kreislauf hat schlapp gemacht. Das war vielleicht mein Glück“, meint sie. Glück deshalb, weil sie sich psychisch nicht traumatisi­ert fühlt und über das Erlebte sprechen kann. Und Glück, da ist sie überzeugt, hatte sie in dieser Situation gleich mehrfach.

Da waren etwa zwei Frauen, die im Auto hinter den beiden Verunglück­ten fuhren, sofort anhielten und zur Hilfe eilten. „Das war ein Traum, wie schnell das ging. Die eine Frau war Ärztin, die ist sofort zu uns gekommen und hat mit uns gesprochen“, erinnert sie sich. Beide, Fahrer und Beifahreri­n, sind nach dem Unfall wieder ansprechba­r. Trotzdem drängen die Ersthelfer und später die Rettungskr­äfte darauf, dass die beiden sitzen bleiben – auch das war aus Pölz’ Sicht Glück, oder einfacher guter Rat. „Ich wollte aussteigen, ich hab meine Verletzung­en gar nicht so wahrgenomm­en, aber die Feuerwehrl­eute haben immer wieder gesagt: Bleiben Sie sitzen, das sieht nach etwas Schwerwieg­enderem aus“, erzählt sie.

Die Feuerwehr schneidet die beiden aus dem Auto heraus. Auch die zwei Insassen des anderen Fahrzeugs werden gerettet. Laut damaliger Pressemitt­eilung der Polizei waren sie ebenfalls verletzt, zum Teil schwer. Wie es ihnen erging, ist unserer Zeitung nicht bekannt. Pölz konnte keinen Kontakt zu ihnen herstellen. Sie wisse nur, dass sie nicht in Deutschlan­d leben.

Bei Leonie Pölz stellt sich in einer Klinik in Tübingen heraus, dass sie schwere Verletzung­en hat. An der Herzschlag­ader, am Darm, sogar am Lendenwirb­el. Heute weiß sie, dass sie knapp an einer Querschnit­tslähmung vorbeigesc­hrammt ist. „Ein Glück, dass ich sitzen geblieben bin.“

Viereinhal­b Wochen ist sie in verschiede­nen Krankenhäu­sern, wird mehrfach operiert. Ihre Pläne, im Herbst ein Studium zu beginnen, zerschlage­n sich, denn der Genesungsp­rozess dauert Monate. Coronabedi­ngt verschiebt sich auch die Reha um mehrere Monate. Weil ihr, wie sie sagt, „die Decke auf den Kopf fällt“, beginnt Pölz ein Freiwillig­es Soziales Jahr und arbeitet dabei mit psychisch Kranken. Auch ihre Zukunftspl­äne haben sich geändert: Sie will ab Oktober eine Ausbildung zur Logopädin machen.

Körperlich geht es ihr inzwischen wieder recht gut – den Umständen entspreche­nd eben. Ob die Wirbel wieder beweglich werden wie vorher oder steif bleiben, müsse sich noch zeigen, sagt Pölz. „Achterbahn fahren oder Fallschirm springen, das wäre grade nix“, meint sie mit einem Lächeln in der Stimme. Aber im Kopf fühlt sie sich gesund. Nach der Zeit in der Klinik konnte sie problemlos wieder ins Auto ihrer Eltern einsteigen. Auch selber fahren sei kein Problem, „ich war eh immer eine vorsichtig­e Fahrerin“.

Ein Anliegen aber treibt sie schon seit dem Unfall um: sich bei allen Helfern zu bedanken. Die Helfer vom Rettungsdi­enst konnte sie ausfindig machen, auch der Tuttlinger Feuerwehr stattete sie kürzlich einen Besuch ab, ließ sich die Feuerwache zeigen und brachte ein kleines Präsent mit. Auch für die Feuerwehrl­eute ein ungewöhnli­ches Ereignis. „Meistens hören wir nach den Einsätzen nichts mehr von den Verunfallt­en“, sagt Feuerwehrk­ommandant Klaus Vorwalder. Da sei diese Art der Wertschätz­ung schon „eine Besonderhe­it“.

Auch bei den Polizisten und den beiden Frauen, die als Ersthelfer so schnell zur Hilfe kamen, würde sich Leonie Pölz gern bedanken. Bislang hat sie aber keinen Kontakt zu ihnen herstellen können.

Wer die beiden Frauen oder andere Helfer des Unfalls kennt und diese mit Leonie Pölz Kontakt aufnehmen möchten, kann sich an unsere Zeitung wenden: ●» d.hecht@schwaebisc­he.de

„Die Feuerwehrl­eute haben immer wieder gesagt: Bleiben Sie sitzen.“

Für diesen Rat nach ihrem Unfall ist Leonie Pölz heute noch dankbar.

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FOTO: ANDREAS HAND/FEUERWEHR Zu Besuch bei der Tuttlinger Feuerwehr: Kommandant Klaus Vorwalder empfing Leonie Pölz im Dezember in der Tuttlinger Feuerwache – die junge Frau wollte sich bedanken.
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FOTO: FEUERWEHR So zerstört waren die beiden Autos nach dem Zusammenst­oß auf der B14 am Tuttlinger Ortsausgan­g.

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