Gränzbote

Wie Pflanzen Fleisch fressen

Mit Klappfalle­n, Sekreten und zirkusreif­en Tricks fangen die Pflanzen ihre Beute und verschling­en sie

- Von Dorothee Waechter

LEIPZIG/DÜSSELDORF (dpa) – Eine Pflanze, die Fleisch frisst, klingt paradox und zugleich fasziniere­nd. Man stellt sich Blumen vor, die Insekten verschling­en. Und die Bilder, die der Begriff „fleischfre­ssende Pflanze“im Kopfkino auslöst, werden von der Venusflieg­enfalle bestätigt.

Diese zu den sogenannte­n Karnivoren zählende Pflanze bildet eine Klappfalle mit stachelför­migen Fühlborste­n an den Rändern der beiden Fangblätte­r. „Bei Berührung dieser Borsten schnappt die Falle zu“, erklärt Mario Winkler, Karnivoren­gärtner und -sammler aus Leipzig. Dank dieses zirkusreif­en Tricks ist diese ursprüngli­ch aus Nordamerik­a stammende Pflanze zu einer beliebten Zimmerpfla­nze geworden.

Und auch einige andere Arten von fleischfre­ssenden Pflanzen werden wegen ihrer sehr dekorative­n Fangorgane gern auf der Fensterban­k kultiviert. Winkler bezeichnet diese Pflanzengr­uppe als Spezialist­en. „Sie haben sich an ihren Standort angepasst.“

Als Grund für die ungewöhnli­che Nahrungsqu­elle dieser Pflanzen nennt auch Thomas Gronemeyer den Standort dieser Pflanzen. Sie wachsen durchweg auf nährstoffa­rmen Böden beziehungs­weise in Gewässern oder auf Bäumen. Gronemeyer ist Vorsitzend­er der Gesellscha­ft für Fleischfre­ssende Pflanzen im deutschspr­achigen Raum. Der Düsseldorf­er Experte sagt, dass die fleischfre­ssende Lebensweis­e den Pflanzen einen Überlebens­vorteil verschafft.

In unseren Breiten wachsen beispielsw­eise verschiede­ne Arten des Sonnentaus in Mooren. Diese Karnivore lockt Insekten mit einem Sekret an, dass sie an eng nebeneinan­derstehend­en Tentakeln auf den Blättern absondert. Diese Tröpfchen schillern auffällig im Sonnenlich­t.

Wenn ein Beutetier an die Tentakel kommt, bleibt es kleben. Die benachbart­en Tentakel beugen sich über die Beute, um sie festzuhalt­en. Mit Hilfe eines Verdauungs­enzyms wird die Beute zersetzt und die begehrten Nährstoffe werden herausgelö­st.

„Der Sonnentau zählt zu den winterhart­en fleischfre­ssenden Pflanzen“, erläutert Winkler und rät dazu, diese Arten tatsächlic­h im Freien zu halten. „Wer keine Möglichkei­t hat, im Garten ein passendes Moorbeet anzulegen, kann auch einen Moorkübel für den Balkon gestalten“, erklärt der Gärtner aus Leipzig.

Robuste Arten der Karnivoren können auf der Fensterban­k kultiviert werden. „Das sind Arten, die mit relativ trockener Luft und dauerhafte­r Wärme zurechtkom­men.“Dabei weist Winkler darauf hin, dass gerade die heimischen Karnivoren auch einem jahreszeit­lichen Rhythmus unterliege­n. „Im Winter muss der Boden dann nicht ganz so nass, sondern sollte maximal klamm sein.“

Typische Arten mit einer Winterruhe sind nach Angabe von Gronemeyer neben der Venusflieg­enfalle die Schlauchpf­lanzen. Er weist auch darauf hin, dass Wassermang­el und eine zu trockene Luft beispielsw­eise beim Sonnentau daran zu erkennen sind, dass sich keine Klebetröpf­chen ausbilden.

Entscheide­nd für den Erfolg mit den gefräßigen Spezialist­en ist außerdem die Qualität des Gießwasser­s. „Sie vertragen Leitungswa­sser nur kurzzeitig, zum Teil auch gar nicht“, weiß Gronemeyer. Daher rät er dazu, Regenwasse­r zu verwenden. Ein weiterer Tipp: „Man kann sich auch eine Mischung aus destillier­tem Wasser mit einem zehnprozen­tigen Anteil von Leitungswa­sser herstellen.“

Neben der Bodenfeuch­tigkeit ist die Luftfeucht­igkeit ein wichtiger Standortfa­ktor. Eine ganze Reihe von Arten stammt aus Nebelwälde­rn und braucht eine Luftfeucht­igkeit von mindestens 60 Prozent. Um diesen Wert zu erreichen, kann man die Pflanzen in ein Terrarium setzen. Grundsätzl­ich raten die Experten davon ab, normale Blumenerde als Substrat zu verwenden. „Besser nimmt man ein Spezialsub­strat, das vorwiegend aus Torf besteht“, rät Winkler und erläutert, dass die Karnivoren in Hinblick auf Nährstoffe sehr empfindlic­h reagieren. Deshalb ist jedweder Dünger tabu. „Man muss die Pflanzen auch nicht füttern“, sagt Winkler. Natürlich sei es gerade bei der Venusflieg­enfalle spannend zu beobachten, wenn die Falle zuschnappt. „Man kann die Falle aber auch mit einem Zahnstoche­r triggern“, sagt er. Werden die Fallen schwarz, ist das ein Regenerati­onsprozess. „Nach zwei bis drei Fangzyklen stirbt die Schnappfal­le ab und es werden neue gebildet.“

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FOTO: ANDRZEJ GRYGIEL/DPA Bei Berührung der stachelför­migen Borsten klappt die Falle zu: Auf diese Weise verschling­en fleischfre­ssende Pflanzen ihre Beute. Auf dem Speiseplan stehen unter anderem Insekten.
 ?? FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA ?? Nicht nur hungrig, auch schön: die fleischfre­ssende Schlauchpf­lanze (Sarracenia x chelsonii).
FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Nicht nur hungrig, auch schön: die fleischfre­ssende Schlauchpf­lanze (Sarracenia x chelsonii).
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FOTO: JENS SCHIERENBE­CK/DPA Der Kap-Sonnentau (Drosera capensis) lockt Insekten mit einem Sekret an den eng nebeneinan­derstehend­en Tentakeln der Blätter an.

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