Wie Pflanzen Fleisch fressen
Mit Klappfallen, Sekreten und zirkusreifen Tricks fangen die Pflanzen ihre Beute und verschlingen sie
LEIPZIG/DÜSSELDORF (dpa) – Eine Pflanze, die Fleisch frisst, klingt paradox und zugleich faszinierend. Man stellt sich Blumen vor, die Insekten verschlingen. Und die Bilder, die der Begriff „fleischfressende Pflanze“im Kopfkino auslöst, werden von der Venusfliegenfalle bestätigt.
Diese zu den sogenannten Karnivoren zählende Pflanze bildet eine Klappfalle mit stachelförmigen Fühlborsten an den Rändern der beiden Fangblätter. „Bei Berührung dieser Borsten schnappt die Falle zu“, erklärt Mario Winkler, Karnivorengärtner und -sammler aus Leipzig. Dank dieses zirkusreifen Tricks ist diese ursprünglich aus Nordamerika stammende Pflanze zu einer beliebten Zimmerpflanze geworden.
Und auch einige andere Arten von fleischfressenden Pflanzen werden wegen ihrer sehr dekorativen Fangorgane gern auf der Fensterbank kultiviert. Winkler bezeichnet diese Pflanzengruppe als Spezialisten. „Sie haben sich an ihren Standort angepasst.“
Als Grund für die ungewöhnliche Nahrungsquelle dieser Pflanzen nennt auch Thomas Gronemeyer den Standort dieser Pflanzen. Sie wachsen durchweg auf nährstoffarmen Böden beziehungsweise in Gewässern oder auf Bäumen. Gronemeyer ist Vorsitzender der Gesellschaft für Fleischfressende Pflanzen im deutschsprachigen Raum. Der Düsseldorfer Experte sagt, dass die fleischfressende Lebensweise den Pflanzen einen Überlebensvorteil verschafft.
In unseren Breiten wachsen beispielsweise verschiedene Arten des Sonnentaus in Mooren. Diese Karnivore lockt Insekten mit einem Sekret an, dass sie an eng nebeneinanderstehenden Tentakeln auf den Blättern absondert. Diese Tröpfchen schillern auffällig im Sonnenlicht.
Wenn ein Beutetier an die Tentakel kommt, bleibt es kleben. Die benachbarten Tentakel beugen sich über die Beute, um sie festzuhalten. Mit Hilfe eines Verdauungsenzyms wird die Beute zersetzt und die begehrten Nährstoffe werden herausgelöst.
„Der Sonnentau zählt zu den winterharten fleischfressenden Pflanzen“, erläutert Winkler und rät dazu, diese Arten tatsächlich im Freien zu halten. „Wer keine Möglichkeit hat, im Garten ein passendes Moorbeet anzulegen, kann auch einen Moorkübel für den Balkon gestalten“, erklärt der Gärtner aus Leipzig.
Robuste Arten der Karnivoren können auf der Fensterbank kultiviert werden. „Das sind Arten, die mit relativ trockener Luft und dauerhafter Wärme zurechtkommen.“Dabei weist Winkler darauf hin, dass gerade die heimischen Karnivoren auch einem jahreszeitlichen Rhythmus unterliegen. „Im Winter muss der Boden dann nicht ganz so nass, sondern sollte maximal klamm sein.“
Typische Arten mit einer Winterruhe sind nach Angabe von Gronemeyer neben der Venusfliegenfalle die Schlauchpflanzen. Er weist auch darauf hin, dass Wassermangel und eine zu trockene Luft beispielsweise beim Sonnentau daran zu erkennen sind, dass sich keine Klebetröpfchen ausbilden.
Entscheidend für den Erfolg mit den gefräßigen Spezialisten ist außerdem die Qualität des Gießwassers. „Sie vertragen Leitungswasser nur kurzzeitig, zum Teil auch gar nicht“, weiß Gronemeyer. Daher rät er dazu, Regenwasser zu verwenden. Ein weiterer Tipp: „Man kann sich auch eine Mischung aus destilliertem Wasser mit einem zehnprozentigen Anteil von Leitungswasser herstellen.“
Neben der Bodenfeuchtigkeit ist die Luftfeuchtigkeit ein wichtiger Standortfaktor. Eine ganze Reihe von Arten stammt aus Nebelwäldern und braucht eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 60 Prozent. Um diesen Wert zu erreichen, kann man die Pflanzen in ein Terrarium setzen. Grundsätzlich raten die Experten davon ab, normale Blumenerde als Substrat zu verwenden. „Besser nimmt man ein Spezialsubstrat, das vorwiegend aus Torf besteht“, rät Winkler und erläutert, dass die Karnivoren in Hinblick auf Nährstoffe sehr empfindlich reagieren. Deshalb ist jedweder Dünger tabu. „Man muss die Pflanzen auch nicht füttern“, sagt Winkler. Natürlich sei es gerade bei der Venusfliegenfalle spannend zu beobachten, wenn die Falle zuschnappt. „Man kann die Falle aber auch mit einem Zahnstocher triggern“, sagt er. Werden die Fallen schwarz, ist das ein Regenerationsprozess. „Nach zwei bis drei Fangzyklen stirbt die Schnappfalle ab und es werden neue gebildet.“