Nur ein Gasthaus bleibt übrig
Schura und seine Gaststätten: Der „Löwen“schloss vor 50 Jahren, der „Holzwurm“hofft auf bessere Zeiten
TROSSINGEN-SCHURA (ls/pm) - Die Corona-Pandemie trifft die Gastronomie schwer. Für Schuras Ortsvorsteher Wolfgang Schoch ein Grund, einen Blick auf die verbliebenen Gaststätten im Ort und deren Geschichte zu werfen. 50 Jahre ist es her, dass das Traditionslokal „Löwen“geschlossen hat. Während der „Bären“als einziges Gasthaus im Ort verbleibt, hofft „Holzwurm“-Betreiber Uwe Schneckenburger, nach der Pandemie wieder öffnen zu können.
Vor 50 Jahren schloss der legendäre „Löwen“als langjähriges Traditionslokal in Schura seine Pforten. Der ehemalige und in der Mitte des Dorfes liegende Gasthof war mit der Geschichte von Schura und seinen Einwohnern auf das Engste verbunden gewesen. Nach dem Ende des Gasthauses mit Saalbetrieb übernahm ein Pächter die Wirtschaftsräume und führte den Betrieb in den folgenden Jahren als Diskothek „Löwen“weiter. Rund sieben Jahre später, ab 1977 begann mit der Eröffnung des später weit hin bekannten „Holzwurms“eine völlig neue Ära.
Die Kultkneipe „Holzwurm“war als Treffpunkt mit großer Theke und Tanzfläche ein Highlight in der Region. Es herrschte ein regelrechter Boom, der allerdings auch zur Folge hatte, dass zahlreiche junge Menschen auf den Heimwegen verunglückten, viele davon tödlich, wie Schoch feststellt. Jahre später wechselten nicht nur die Pächter, sondern auch die Namen
des Lokals. Aus dem „ Holzwurm“wurde das „ABC“, später das „Weibernest“, ehe 2001 die Diskothek wieder zum „Holzwurm“firmiert wurde. Mit dem Lockdown ab Frühjahr 2020 musste auch der „Holzwurm“schließen und konnte seitdem nicht wieder öffnen - eine „furchtbare Situation“wie Uwe Schneckenburger feststellt. Gerüchte vom Corona-bedingten Aus der Diskothek seien allerdings unwahr.
Vom Gaststättensterben war 20 Jahre zuvor die Kronenstube als direkter Nachfolgebetrieb des ehemaligen Gasthauses „Krone“in der Espachstraße betroffen. Schura war einst mit Gaststätten reich gesegnet. Im Jahr 1865 konnte das Dorf mit seinen damals rund 550 Einwohnern bereits auf drei Gaststätten verweisen: Zwei Schildwirtschaften und eine Schankwirtschaft. Hierbei handelte es sich um das Gasthaus „Löwen“mit eigener Bierbrauerei in der Dorfmitte mit dem Inhaber Paul Pfründer und dem ebenso als Schildwirtschaft geführten Gasthof „Krone“in der Espachstraße mit dem Inhaber Jakob Kohler. Die Dritte im Bunde war die Schankwirtschaft zum „Sternen“an der Ecke (heute) Lange Straße und Eschweg mit dem Gastwirt Johannes Kieß. Der Unterschied zwischen einer Schildwirtschaft und einer Schankwirtschaft lag darin, dass die Schildwirtschaften rechtlich besser gestellt waren. Diese durften nicht nur alkoholische Getränke ausschenken, sondern auch Essen ausgeben und Übernachtungen anbieten. Im „Sternen“hingegen waren nur der Ausschank von Wein, Bier, Branntwein, sowie Obstmost und der Verkauf von Essig erlaubt.
Das Gasthaus „Bären“kam erst Jahre später hinzu. Der frühere Bäcker und Konditor, Christian Link, gab im Jahr 1858 seine Bäckerei im Oberdorf, dem heutigen Landgasthof Bären, auf. Im Erdgeschoß, wo sich bis dahin der Backofen befand, richtete er eine Gastwirtschaft ein. Geschichtlich eng verbunden mit dem Gasthaus „Bären“ist die heutige Bäckerei Link in Trossingen. Die Vorfahren von Frank Link, dem heutigen Inhaber des „Landgasthauses Bären“und von Daniel Link, dem Inhaber der „Bäckerei Link“sind dieselben. Deshalb nannte man früher den Bäcker Link aus Schura den „Bären Beck“und Frank Link, den heutigen Chef des Landgasthofes „BärenFrank“ , wie man auch dessen Mutter die „Bären-Luis“nannte.
Während die Geschichte des „Bären“gut bekannt ist, weiß man über die Gründung der anderen Gasthäuser wenig. Mit wohl eines der ältesten dürfte die „Krone“sein, so Schoch. Als Indiz dafür dient ein „Testamentum Reciprocum“vom 24 März 1789. 1969, wurde die alte „Krone“abgerissen. An deren Stelle wurde ein Mehrfamilienhaus und direkt daneben die Weinstube und Gaststätte „Kronenstube“errichtet. Diese wurde fortan durch die Tochter von Jakob Kohler, Ida Grosbois, geborene Kohler, der „KronenIda“, zusammen mit ihrem Ehemann Jean-Claude bis zu dessen Tod im Jahr 1999 geführt. Im Jahr 2000 gab sie die Kronenstube altershalber auf. Das Haus wurde später an einen Jungunternehmer aus der IT-Branche verkauft.
Alle drei Schildwirtschaften hatten eines gemeinsam: Sie waren Vereinslokale und seit 1949 Austragungsort der alljährlich stattfindenden Bürgerversammlung, die ab dem Jahr 1952 um eine weitere Attraktion, dem kostenlosen Hammeleintopfessen für alle Besucher, erweitert worden war.
Dem Löwen kam mit Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine weitere Bedeutung zu. Mit dem Anbau des großen Saals im Jahr 1903 fanden von da an Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen statt. Damit war der „Löwen“auch ein gefragtes Lokal für die alljährlich stattfindenden Vereinsveranstaltungen mit Theateraufführungen, insbesondere an Weihnachten sowie für Hochzeitsgesellschaften. In der Nachkriegszeit und in den Jahren des Aufschwungs und Wirtschaftswunders behielt der „Löwen“mit seinem Saal weiterhin seine Bedeutung. So auch 1964, als die Wirtsleute im Saal einen der ersten Fernsehapparate aufstellten und so jedem Gast die Möglichkeit bot, die olympischen Spiele von Tokio anzusehen, was gerne angenommen wurde.
Über die frühere Schankwirtschaft zum „Sternen“ist wenig bekannt. Die Gasträume des ehemaligen Gasthauses Sternen in der Lange Straße 1 standen nach dem Krieg lange leer. Das in die Jahre gekommene Haus wurde nach dem Tod des letzten Bewohners in den 60er-Jahren abgerissen. Später errichtete ein Nachfahre des früheren Sternenwirts dort ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem im Erdgeschoss über viele Jahre hinweg die Filiale der Kreissparkasse untergebracht war.
„Von den einstmals vier Gasthäusern übrig geblieben ist nur noch der ,Landgasthof Bären’“, so Schoch, der von Frank und Sabine Link in vierter Generation geführt wird und weit über die Region hinaus bekannt ist.