Landwirte fordern Molkereien zum Handeln auf
Gespräche zwischen Lebensmittelketten und Bauern wegen existenzbedrohlicher Situation der Landwirtschaft
SCHWARZWALD-BAAR-KREIS (sbo) - Wie viele seiner Berufskollegen betrachtet der zwischen Niedereschach und Dauchingen im Längental beheimatete Landwirt Andreas Schleicher die aktuelle Lage vieler landwirtschaftlicher Betriebe mit großer Sorge. Schleicher, der zudem stellvertretender Landesvorsitzender des Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) und auch hiesiger Kreis-Team-Leiter ist, begrüßt den Zusammenschluss von BDM, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der LsV-Milchgruppe, European Milk Board (EMB), den Freien Bauern und der MEG Milch Board zum sogenannten „Milchdialog“.
Aktuell führen die Landwirte unterschiedlicher Organisationen und Verbände Gespräche mit den Vertretern der großen Lebensmittelketten und stellen fest, dass auf Seite des Handels offenbar mehr Bereitschaft besteht, die existenzbedrohliche Situation der Landwirtschaft ernst zu nehmen und den landwirtschaftlichen Betrieben entgegenzukommen, als dies auf Verarbeiterseite der Fall zu sein scheint, so der Eindruck bei den Verhandlungsführern.
„Wir erwarten von unseren Verarbeitungsunternehmen, dass sie sofort die zumindest in Teilen beim Handel vorhandene Bereitschaft, die Kontrakte befristet noch einmal zu öffnen, proaktiv aufnehmen“, fordern die Teilnehmer des Milchdialogs. Schleicher steht voll und ganz hinter dieser Forderung. „Es ist jetzt Überzeugungsarbeit auch bei anderen Handelsunternehmen zu leisten, dass dies der beste, weil marktwirtschaftlichste Weg ist, um kurzfristig die geforderten höheren Preise und damit mehr Wertschöpfung auf die landwirtschaftlichen Betriebe zu bringen. Höhere Preise für Fleisch, Milch und andere Produkte umzusetzen, ist der schnellste, effektivste und direkteste Weg, den Erzeugerbetrieben die dringend benötigte Liquidität zu verschaffen und daher allen Lösungen über Fonds und Bonusprogrammen vorzuziehen. Auf der Seite unserer Verarbeiter erleben wir aber statt einer aktiven Mitarbeit nur Schweigen und Abwarten.“
Die Teilnehmer des Milchdialogs erklären dazu: „Das ist nicht akzeptabel. Wir nehmen unsere Verarbeitungsunternehmen weiter in die Verantwortung“. Und weiter stellen die Dialogteilnehmer klar: „Die aktuellen Aktionen und Gespräche beim Lebensmitteleinzelhandel bedeuten nicht, dass sich unsere Verarbeiter gemütlich zurücklehnen und einfach nur zuschauen können. Die Bäuerinnen und Bauern, die derzeit enormen Druck beim Handel aufgebaut haben, haben bisher den Job gemacht, den eigentlich die Verarbeiter zu machen hätten. Wir werden dieses Nichtstun nicht akzeptieren.“Bis zum 10. Januar wurden weitere Aktionen bei den Verarbeitern wegen des Lockdowns zunächst ausgesetzt. Die Verbände haben aber erwartet, dass die Verarbeiter die Zeit für Verhandlungen mit dem Handel effektiv nutzen. Man fordere zudem die Politik auf, genau hinzuschauen, wer sich in dieser prekären wirtschaftlichen Situation für die Erzeuger bewege, und wer überhaupt nicht.
Die katastrophale Marktstellung der Erzeugerebene gegenüber der Verarbeitungsindustrie lasse zu, dass alle Markt- und Preisrisiken unmittelbar auf die Erzeuger abgewälzt werden. Wer sich in einer für die Bauern existenziell so bedrohlichen Lage nicht bewege, bewege sich mittelund längerfristig erst recht nicht auf freiwilliger Basis auf Branchenebene, zeigt man sich überzeugt. „Um mittel- und längerfristig den landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive zu ermöglichen, braucht es politische Unterstützung dafür, die Marktstellung der Erzeuger innerhalb der Wertschöpfungskette zu verbessern – weit über eine UTPRichtlinie hinaus. Die nationalen, europäischen und globalen Märkte müssen auf politisch wie marktwirtschaftlicher Ebene so gestaltet werden, dass eine vielfältig strukturierte und resiliente Landwirtschaft weiterexistieren und die großen Herausforderungen der Zukunft meistern kann“, fordern die Teilnehmer des Milchdialogs. Sie sehen im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin einen möglichen Partner für eine gemeinsame Reformierung der Marktrahmenbedingungen. Die Ausrichtung der aktuellen Agrar-(markt)politik und auch die europäische Handelspolitik hätten maßgeblich dafür gesorgt, dass aus Lebensmitteln nur noch billige Rohstoffe wurden, die Handel und Verarbeiter nutzen, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. .