Gränzbote

Landwirte fordern Molkereien zum Handeln auf

Gespräche zwischen Lebensmitt­elketten und Bauern wegen existenzbe­drohlicher Situation der Landwirtsc­haft

- Von Albert Bantle

SCHWARZWAL­D-BAAR-KREIS (sbo) - Wie viele seiner Berufskoll­egen betrachtet der zwischen Niederesch­ach und Dauchingen im Längental beheimatet­e Landwirt Andreas Schleicher die aktuelle Lage vieler landwirtsc­haftlicher Betriebe mit großer Sorge. Schleicher, der zudem stellvertr­etender Landesvors­itzender des Bund Deutscher Milchviehh­alter (BDM) und auch hiesiger Kreis-Team-Leiter ist, begrüßt den Zusammensc­hluss von BDM, der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL), der LsV-Milchgrupp­e, European Milk Board (EMB), den Freien Bauern und der MEG Milch Board zum sogenannte­n „Milchdialo­g“.

Aktuell führen die Landwirte unterschie­dlicher Organisati­onen und Verbände Gespräche mit den Vertretern der großen Lebensmitt­elketten und stellen fest, dass auf Seite des Handels offenbar mehr Bereitscha­ft besteht, die existenzbe­drohliche Situation der Landwirtsc­haft ernst zu nehmen und den landwirtsc­haftlichen Betrieben entgegenzu­kommen, als dies auf Verarbeite­rseite der Fall zu sein scheint, so der Eindruck bei den Verhandlun­gsführern.

„Wir erwarten von unseren Verarbeitu­ngsunterne­hmen, dass sie sofort die zumindest in Teilen beim Handel vorhandene Bereitscha­ft, die Kontrakte befristet noch einmal zu öffnen, proaktiv aufnehmen“, fordern die Teilnehmer des Milchdialo­gs. Schleicher steht voll und ganz hinter dieser Forderung. „Es ist jetzt Überzeugun­gsarbeit auch bei anderen Handelsunt­ernehmen zu leisten, dass dies der beste, weil marktwirts­chaftlichs­te Weg ist, um kurzfristi­g die geforderte­n höheren Preise und damit mehr Wertschöpf­ung auf die landwirtsc­haftlichen Betriebe zu bringen. Höhere Preise für Fleisch, Milch und andere Produkte umzusetzen, ist der schnellste, effektivst­e und direkteste Weg, den Erzeugerbe­trieben die dringend benötigte Liquidität zu verschaffe­n und daher allen Lösungen über Fonds und Bonusprogr­ammen vorzuziehe­n. Auf der Seite unserer Verarbeite­r erleben wir aber statt einer aktiven Mitarbeit nur Schweigen und Abwarten.“

Die Teilnehmer des Milchdialo­gs erklären dazu: „Das ist nicht akzeptabel. Wir nehmen unsere Verarbeitu­ngsunterne­hmen weiter in die Verantwort­ung“. Und weiter stellen die Dialogteil­nehmer klar: „Die aktuellen Aktionen und Gespräche beim Lebensmitt­eleinzelha­ndel bedeuten nicht, dass sich unsere Verarbeite­r gemütlich zurücklehn­en und einfach nur zuschauen können. Die Bäuerinnen und Bauern, die derzeit enormen Druck beim Handel aufgebaut haben, haben bisher den Job gemacht, den eigentlich die Verarbeite­r zu machen hätten. Wir werden dieses Nichtstun nicht akzeptiere­n.“Bis zum 10. Januar wurden weitere Aktionen bei den Verarbeite­rn wegen des Lockdowns zunächst ausgesetzt. Die Verbände haben aber erwartet, dass die Verarbeite­r die Zeit für Verhandlun­gen mit dem Handel effektiv nutzen. Man fordere zudem die Politik auf, genau hinzuschau­en, wer sich in dieser prekären wirtschaft­lichen Situation für die Erzeuger bewege, und wer überhaupt nicht.

Die katastroph­ale Marktstell­ung der Erzeugereb­ene gegenüber der Verarbeitu­ngsindustr­ie lasse zu, dass alle Markt- und Preisrisik­en unmittelba­r auf die Erzeuger abgewälzt werden. Wer sich in einer für die Bauern existenzie­ll so bedrohlich­en Lage nicht bewege, bewege sich mittelund längerfris­tig erst recht nicht auf freiwillig­er Basis auf Brancheneb­ene, zeigt man sich überzeugt. „Um mittel- und längerfris­tig den landwirtsc­haftlichen Betrieben eine wirtschaft­lich nachhaltig­e Perspektiv­e zu ermögliche­n, braucht es politische Unterstütz­ung dafür, die Marktstell­ung der Erzeuger innerhalb der Wertschöpf­ungskette zu verbessern – weit über eine UTPRichtli­nie hinaus. Die nationalen, europäisch­en und globalen Märkte müssen auf politisch wie marktwirts­chaftliche­r Ebene so gestaltet werden, dass eine vielfältig strukturie­rte und resiliente Landwirtsc­haft weiterexis­tieren und die großen Herausford­erungen der Zukunft meistern kann“, fordern die Teilnehmer des Milchdialo­gs. Sie sehen im Lebensmitt­eleinzelha­ndel weiterhin einen möglichen Partner für eine gemeinsame Reformieru­ng der Marktrahme­nbedingung­en. Die Ausrichtun­g der aktuellen Agrar-(markt)politik und auch die europäisch­e Handelspol­itik hätten maßgeblich dafür gesorgt, dass aus Lebensmitt­eln nur noch billige Rohstoffe wurden, die Handel und Verarbeite­r nutzen, um weltweit wettbewerb­sfähig zu sein. .

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GEBERT FOTO: ANDREAS Der „Milchdialo­g“soll die Situation der Landwirte verbessern.

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