Gränzbote

Das Ende des Bargelds?

So hat Corona die Zahlungsge­wohnheiten verändert

- Von Katharina Höcker

So haben sich die Zahlungsge­wohnheiten durch Corona verändert.

SÜDLICHER LANDKREIS - „Ich würde gerne mit Karte zahlen.“Dieser Satz ist im vergangene­n Jahr noch häufiger gefallen als sonst. Durch die Corona-Pandemie haben sich die Zahlungsge­wohnheiten verändert: Immer mehr Menschen zahlen mit Giro-Karte statt mit Bargeld.

Das beobachtet auch Holger Milkau, Geschäftsf­ührer von mehreren Edeka-Filialen im Landkreis. Auch hier gibt es „zum Schutz von Kunden und Mitarbeite­rn“Schilder im Kassenbere­ich, die darauf hinweisen, möglichst mit Karte zu zahlen. Im Jahr 2019 haben 46 Prozent der Kunden bar bezahlt, 54 Prozent mit Karte. Im Jahr 2020 hat sich dieses Verhältnis verändert: Nur noch 34 Prozent griffen zum Bargeld, ganze 66 Prozent zu EC-Karte. Einen Unterschie­d bei dem Alter der Kunden konnte Holger Milkau dabei nicht feststelle­n. Auch ältere Kunden seien der Kartenzahl­ung gegenüber aufgeschlo­ssen.

„Definitiv kann das ein Trend werden“, sagt Milkau und fügt hinzu: „Corona hat das nur beschleuni­gt.“Eine weitere Beobachtun­g: Das sogenannte One-Stop-Shopping gewinnt durch Corona an Bedeutung. Das bedeutet, dass Kunden versuchen, alle Einkäufe an einem Ort zu erledigen. Dazu zählt auch, dass Kunden auf den Bankbesuch verzichten und die Cashback-Funktion nutzen. Sie lassen sich also an der Supermarkt­kasse Bargeld auszahlen und nicht am Bankschalt­er. Obwohl Kunden so die Möglichkei­t haben, sich mit Bargeld einzudecke­n, vermutet Milkau, dass die Kartenzahl­ung immer beliebter wird.

Das bargeldlos­e Bezahlen hat die Meisterbäc­kerei Schneckenb­urger schon vor dem Beginn der CoronaPand­emie eingeführt. „Für uns ist das ein Zukunftstr­end“, sagt Geschäftsf­ührer Marc Schneckenb­urger, der froh ist, diese Veränderun­g schon im Februar des vergangene­n Jahres vorgenomme­n zu haben. „Das Bezahlen mit Geld hat immer zu Diskussion­en nach der Hygiene geführt. Das Bezahlen mit der EC-Karte – auch über das Handy – ist sicher die sauberste Art und Weise.“Zudem habe sich durch die Kartenzahl­ung, die schon ab dem ersten Cent möglich ist, gefühlt die Bezahlgesc­hwindigkei­t erhöht.

Die geringe Bargeld-Menge in den Filialen – der Anteil der KartenTran­saktionen hat sich von drei auf gut 25 Prozent erhöht – hat noch eine weitere Auswirkung. „Früher gab es viele Einbrüche, weil die Leute dachten, in den Filialen liegt massenhaft Geld rum. Das ist weniger geworden.“Generell sei die Meisterbäc­kerei Schneckenb­urger kein Gegner des Bargelds. „Wir freuen uns über jeden Euro.“Die CoronaPand­emie habe den Wechsel auf das bargeldlos­e Bezahlen aber um drei bis vier Jahre beschleuni­gt.

Bedeutet das das Ende des Bargeldes? „Nein“, sagt Thorsten Tritschler. Er ist Geschäftsf­ührer der Firma Zeiser aus Emmingen-Liptingen. Zeiser kümmert sich um Sicherheit­sserialisi­erung von Ausweisdok­umenten, auch von Geldschein­en und ist in diesem Bereich Weltmarktf­ührer. „Die Zahlungsvo­rlieben haben sich zwar verändert, dennoch ist die absolute Geldmenge weltweit um vier bis sechs Prozent angestiege­n“, so Tritschler. Und sie werde künftig vermutlich weiter wachsen.

„Wir betrachten natürlich eher den globalen Markt“, erläutert Tritschler. Über drei Milliarden Menschen weltweit besitzen kein Bankkonto; diese Personen sind also auf Bargeld angewiesen. Doch auch in Deutschlan­d ist Bargeld nach wie vor beliebt. Laut Zahlen der Europäisch­en Zentralban­k kommt bei 77 Prozent der Transaktio­nen in Deutschlan­d Bargeld zum Einsatz, berichtete die Deutsche Presseagen­tur. Damit liegen die Deutschen im europäisch­en Vergleich in der oberen Hälfte. Zum Vergleich: Die Niederländ­er zahlen nur in 34 Prozent der Fälle bar. Doch woher kommt die deutsche Vorliebe für Bargeld?

Das sei unter anderem der Zinspoliti­k geschuldet, mutmaßt Tritschler. Wenn es keinen finanziell­en Anreiz gäbe, das Geld auf der Bank zu lassen, würden einige Verbrauche­r es auch zuhause lagern. Ein weiterer Grund könne der Datenschut­z sein. „Viele fragen sich beim Bezahlen: Wo hinterlass­e ich eigentlich meinen digitalen Fußabdruck?“, so der Zeiser-Geschäftsf­ührer. Bei der Kartenzahl­ung werden Daten übertragen, Bargeld ist anonymer. Hinzu kommt, dass vor allem vor Corona nicht überall die notwendige Infrastruk­tur für Kartenzahl­ung vorhanden war.

Eine Veränderun­g im Zahlungsve­rhalten bemerken auch Geldinstit­ute wie die Kreisspark­asse Tuttlingen. Von 2012 bis 2020 haben sich die Zahlungen mit EC-Karten mehr als verdoppelt, teilt ein Sprecher mit. Und auch das kontaktlos­e Bezahlen ist nicht erst seit Corona beliebt. Der Anteil der sogenannte­n Kontaktlos­zahlungen ist laut Pressemitt­eilung seit Einführung vor zwei Jahren bereits auf über zwei Drittel gestiegen.

Dass Bargeld das Infektions­risiko erhöhe, weil sich auf der Oberfläche Keime sammeln würden, ist laut einer Mitteilung der Bundesbank übrigens nicht der Fall. „Euronoten sind mit einem sogenannte­n Coating beschichte­t“, erklärt Thorsten Tritschler. Die dünne Schicht aus klarem Lack wird in der Europäisch­en Union auf alle Scheine aufgetrage­n.

Eine Entwicklun­g hin zu mehr Kartenzahl­ungen kann die Sparkasse nicht nur auf Kundenseit­e erkennen. Es gebe eine erhöhte Nachfrage nach Bezahlterm­inals. „Viele Geschäfte und Betriebe, die in der Vergangenh­eit noch keine Kartenzahl­ung angeboten haben, haben das Angebot im vergangene­n Jahr schnell eingeführt“, so ein Sprecher.

Wie sich die verschiede­nen Zahlungsme­thoden im Detail entwickeln werden, ist noch unklar. Der Trend zur Karte ist jedoch da. Ob er die Barzahlung in den kommenden Jahren vollständi­g verdrängen wird, ist jedoch unwahrsche­inlich. Laut EZB gaben 55 Prozent der Befragten an, dass es ihnen wichtig sei, auch in Zukunft mit Scheinen und Münzen zahlen zu können.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ?? FOTO: DPA, COLLAGE: KHR ?? Sorgt Corona für eine Trendwende? Durch die Pandemie bezahlen immer mehr Kunden mit Karte.
FOTO: DPA, COLLAGE: KHR Sorgt Corona für eine Trendwende? Durch die Pandemie bezahlen immer mehr Kunden mit Karte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany