Gränzbote

Corona wirkt auch auf die Wildbestän­de

Wegen der Pandemie finden weniger Jagden statt, um die Tierpopula­tionen zu begrenzen

- Von Alena Ehrlich

IRNDORF - Sie fressen junge Baumtriebe ab, sorgen für mächtig Schaden in der Landwirtsc­haft und können durch die Übertragun­g von Krankheite­n auch für Haustiere gefährlich werden: Vielen Wildtieren in Deutschlan­d fehlt es an natürliche­n Feinden – auch im Landkreis Tuttlingen. Weil sie sich problemlos vermehren, bleibt die Jagd oft das einzige Mittel, um ihre Bestände einzudämme­n. Ist das tatsächlic­h sinnvoll? Und welche Auswirkung­en hat die Corona-Pandemie auf das Jagdgesche­hen? Wir haben nachgefrag­t.

Tatsächlic­h sind Jagden selbst von Naturschut­zorganisat­ionen akzeptiert, wie Nachfragen bei NABU und BUND ergeben. Auch Berthold Laufer vom BUND Tuttlingen betont: „Wir sind kein Jagdgegner­verein.“Vielmehr fordere der BUND, wie auch der NABU, eine nachhaltig­e und naturvertr­ägliche Jagd. Eine wichtige Grundlage sei da bereits das baden-württember­gische Jagdgesetz, das vor einigen Jahren erneuert worden war.

Zwar gebe es von Seiten des BUND noch immer vereinzelt­e Forderunge­n – etwa nach dem Verzicht auf Bleimuniti­on. „Die hat in der Landschaft und im Lebensmitt­el nichts verloren“, findet Laufer. Immerhin sei der Bleischrot mittlerwei­le bei Jagden am Wasser verboten. Doch dieses Thema sei Landessach­e. Im Kreis Tuttlingen gebe es laut Laufer keine großen Konflikte beim Thema Jagd.

Thorsten Pfeiffer von der NABUOrtsgr­uppe Tuttlingen verweist auf ein Positionsp­apier des Hauptverba­nds. Darin fordert der NABU, dass die Jagd den Kriterien der Nachhaltig­keit sowie ethischen Prinzipien entspreche­n soll. Unter anderem verlangt der NABU, die erlegten Tiere sinnvoll zu nutzen und die Liste der jagbaren Tierarten zu kürzen.

Wie Berthold Laufer weiß, ist ein Diskussion­sthema in der Region der Umgang mit den Gämsen im Donautal. Denn auf den Felsköpfen, auf denen die Tiere gerne lagern, gibt es spezielle, seltene Pflanzenar­ten. Durch den Kot der Tiere kommt es jedoch zu einer Überdüngun­g. Und auch die Gämsen haben kaum natürliche Feinde – bis auf einen einzelnen Luchs, der laut Laufer im Donautal zwischen Sigmaringe­n und Irndorf unterwegs ist.

Dann gibt es aber auch einige Tierarten, bei denen der Abschuss durch den Menschen nicht zu vermeiden scheint. Allen voran: Rehe und Wildschwei­ne. „Da kommt man nicht daran vorbei“, sagt Laufer und teilt damit auch die Meinung des stellvertr­etenden Kreisjäger­meisters Harald Westheide. Bei der Verbreitun­g von Rehen ist es vor allem der Baumbestan­d, der leidet. Denn die Tiere fressen Jungtriebe ab. „Alle drei Jahre gibt es ein forstliche­s Gutachten in jedem Revier. Dabei werden die Baumarten angeschaut und geprüft, ob viele der jungen Bäume angefresse­n sind. Gemeinsam mit den Jägern wird dann der Abschuss festgelegt“, erklärt Westheide.

Wildschwei­ne hingegen richten zwar im Forst in der Regel keinen Schaden an. Sie werden aber auf Nutzfläche­n zum Problem – zum Beispiel auf Mais-, Kartoffel- oder Kornäckern, so Westheide. Die Afrikanisc­he Schweinepe­st spiele in den Wäldern der Region bislang glückliche­rweise noch keine Rolle. Dennoch gebe es sowohl auf Seiten der Jägerschaf­t als auch beim BUND die Sorge, dass die Seuche eingeschle­ppt werden könnte. „Davor graust es uns am meisten. Dass zum Beispiel ein Fernfahrer sich nichts dabei denkt und ein infizierte­s Speckbrot in den Wald wirft und es so zum Ausbruch kommt“, sagt Laufer.

Schwer sei es auch, den Fuchsbesta­nd im Zaum zu halten. „In Tollwut-Zeiten wurden Füchse enorm bejagt“, blickt Laufer zurück. Heute gebe es zwar keine Tollwut mehr in Deutschlan­d – dafür aber andere Krankheite­n wie etwa die Fuchsräude. „Durch diese Krankheit verlieren die Füchse ihre Scheu und sie sterben auch daran. Da ist die Jagd dann auch eine Erlösung für das Tier“, erklärt Laufer. Harald Westheide nennt noch einen weiteren Aspekt. Denn die Krankheite­n, die durch den Fuchs übertragen werden, können auch für Haustiere wie Hunde und Katzen gefährlich werden. Auch deshalb sei es wichtig, die Fuchsbestä­nde einzudämme­n.

Und wie schaut es mit anderen, nicht heimischen Waldbewohn­ern aus? „Waschbären könnten noch zu einem Problem werden, sind es aber im Moment noch nicht“, sagt Laufer. Die Tiere seien zwar recht frech, und erste Berichte über Waschbären in der Region liegen bereits rund zehn Jahre zurück – Schäden angerichte­t haben sie aber noch keine. „Waschbären gibt es nur vereinzelt“, bestätigt auch Westheide.

Jagdruhe gelte laut Westheide von Mitte Februar bis Mitte April. Eine Methode, um den Wildbestan­d gezielt einzudämme­n ist die sogenannte Drückjagd. Diese gibt es vor allem im Winter, wenn die Wälder durch das fehlende Laub besonders hell sind. In „normalen Jahren“gebe es zehn bis 15 solcher Jagden im Kreis Tuttlingen, schätzt Westheide. Meist würden diese revierüber­greifend organisier­t – so hatte es zum Beispiel Ende November eine Drückjagd im Bachzimmer­er Tal bei Immendinge­n gegeben. In diesem Jahr seien es aufgrund der CoronaPand­emie aber weniger solcher Jagden, als sonst, vermutet er. Denn wegen der Kontaktbes­chränkunge­n können die Jäger und Treiber nicht wie gewohnt vor und nach der Jagd zusammenko­mmen. Aufgrund der Gastronomi­e-Schließung­en gebe es außerdem weniger Abnehmer für das Fleisch.

Tatsächlic­h wirkt sich die Corona-Pandemie laut Westheide aber auch noch auf eine andere Weise auf das Jagdgesche­hen aus. „Durch die Freizeitak­tivitäten in der Natur wird das Wild heimlicher“, hat er beobachtet. Das bedeutet, dass die Tiere besonders scheu werden und nur noch in der Nacht rauskommen erklärt Westheide: „Ich muss etwa 20 Mal ansitzen, um überhaupt etwas zu sehen. Und das heißt dann noch lange nicht, dass man auch etwas schießt.“

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SYMBOLFOTO: FRISO GENTSCH Ein Jäger steht mit seiner Büchse auf einem Hochsitz bei einer Drückjagd.

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