Viele Ausflügler trotz Winterwetter
Der Schnee lässt nach wie vor zahlreiche Menschen in die winterlichen Ausflugsgebiete Baden-Württembergs strömen – Nicht alle halten sich dabei an die Regeln
STUTTGART/MÜNCHEN (dpa/sz) Am Wochenende haben sich wieder viele Tagestouristen auf den Weg zu den Winterausflugszielen in Bayern und im Südwesten gemacht. Viele Parkplätze waren voll. Nicht immer hielten sich die Besucher an die Corona-Regeln. Straßen musste die Polizei nur wenige sperren. Der Zugverkehr wurde im Allgäu streckenweise unterbrochen, es kam infolge des Schneefalls zu Weichenstörungen. Am Feldberg sorgte eine Lawine für Aufregung. Nach Schneerutschen gab es im Zugspitzgebiet eine Hubschrauber-Suchaktion der Polizei. Es wurden aber weder Verschüttete gesichtet, noch gingen Vermisstenmeldungen ein.
- Der Ortskern des kleinen Fleckchens Donnstetten auf der Schwäbischen Alb wirkt an diesem Samstag wie ausgestorben. Keine Menschenseele ist auf den Straßen unterwegs, die großen weißen Schneemassen reflektieren die Sonnenstrahlen. Doch in der Ferne sind Geräusche zu hören: Fröhliches Gelächter und Kindergeschrei paaren sich mit Motorenlärm. Sie kommen vom Ortsrand. Dort liegen, wofür Donnstetten dieser Tage ganz besonders bekannt ist: der Skihang und die Rodelpiste. Schon am Vormittag haben sich hier zahlreiche Menschen eingefunden. Man schnallt sich, im Kofferraum sitzend, die Skier an, nippt an der Thermoskanne, steht gemütlich beisammen. Auf dem großen Parkplatz am Fuß des Hügels ist schon viel los, doch es gibt auch Lücken – noch.
Gut möglich, dass sie sich schnell füllen werden. Denn Donnstetten war, wie viele andere Ausflugsorte in Baden-Württemberg, in den vergangenen Tagen und Wochen stets regelrecht überlaufen. Mit dem Schneefall in den Weihnachtsferien kamen auch die Familien, Tagestouristen und Wintersportfans. Donnstetten ist ein Ortsteil der Gemeinde Römerstein. Dessen Bürgermeister Matthias Winter zeigt sich vor dem Wochenende besorgt. Für den Samstag ist bestes Wetter gemeldet, die Ausflügler dürften wieder in Scharen kommen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das als Bürgermeister von Römerstein mal sage, aber ich bin nicht glücklich über die vielen Menschen“, sagt er.
Besucher seien in der Gemeinde sonst immer willkommen, betont Winter. „Und was wir derzeit haben, ist eigentlich ein ganz normales Aufkommen an Tagesausflüglern.“Das Problem: Wenn sich so viele an einem Ort treffen, kommt es fast zwangsläufig zu Verstößen gegen die gängigen Corona-Regeln. Beim gemütlichen Plaudern an der Rodelpiste werden Abstandsregeln gern mal vergessen. „Natürlich ist lange nicht alles, was hier passiert, verboten. Aber unter epidemiologischer Sicht wäre es trotzdem sinnvoller, wenn die Leute zu Hause bleiben würden“, sagt Winter. Zugleich kann er die Besucher verstehen, die aus den umliegenden Landkreisen und der großen Stadt kommen: „In Stuttgart gibt es eben keine Wintersportbedingungen. Aber trotzdem frage ich mich, ob das gerade wirklich sein muss.“
Am meisten aber ärgert sich der Bürgermeister über die Rücksichtslosigkeit mancher Besucher. Unerfreuliche Anekdoten fallen ihm eine Menge ein: „Vor Kurzem sind zum Beispiel Leute mit ihrem Auto Feldwege rauf und runter gerast und hinten ließ sich einer auf Skiern ziehen – wie beim Wasserki.“Andere Besucher hätten mit ihrem Cabrio Kreise auf eine Wiese gedriftet. Weil Gaststätten und öffentliche Toiletten geschlossen sind, verrichteten außerdem viele Menschen ihre Notdurft einfach in der Natur, so Winter. Ähnlich arglos gingen viele mit ihrem Müll um.
Es sind Probleme, mit denen aktuell zahlreiche verschneite Gemeinden zu kämpfen haben. In Sonnenbühl auf der Schwäbischen Alb etwa gab es seit den Weihnachtsferien statt Winteridylle Staus, zugeparkte Straßen und Rettungswege, achtlos weggeworfener Müll und zerstörte Loipen. Als Reaktion bittete die Gemeinde per Videobotschaft die Menschen, auf Tagesausflüge nach Sonnenbühl zu verzichten. Zu chaotischen Szenen auf Parkplätzen und vielen Staus kam es in den vergangenen Wochen auch im Nordschwarzwald, worauf die Polizei mit Straßensperrungen reagierte.
Seither wiederholen sich die Appelle und Warnungen aus der Politik: „Die Menschen müssen wissen, dass wir sie wieder nach Hause schicken, wenn es im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb zu voll wird“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Um Menschenmassen im Schnee einen Riegel vorzuschieben, sollen die Behörden vor Ort eng mit der Polizei zusammenarbeiten, wie ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilt: „Mit jedem Tag, an dem sich die Menschen unvernünftig verhalten, lernen die Behörden dazu. Wir sind mittlerweile so gut vorbereitet, dass wir jederzeit Maßnahmen ergreifen können.“Maßnahmen, das können sein: Sperrungen, Kontrollen, Bußgelder.
Damit das den Ausflüglern bewusst ist, zeigt die Polizei Präsenz – auch am Skihang in Donnstetten. Gemütlich rollt am Mittag im Schritttempo ein blau-weißer Kastenwagen über den Parkplatz. „Aufpassen, Leute“scheinen die Beamten mit ihren Blicken zu sagen. Wirklich zu beanstanden gibt es aber nichts, die meisten größeren Grüppchen an den Autos sind Familien. Auf der Skipiste herrscht ohnehin wenig Betrieb, da die Lifte derzeit nur von einzelnen Haushalten gemietet werden können. Viel los ist hingegen auf der angrenzenden Rodelpiste. Doch der breite Hang bietet ausreichend Platz und die meisten Schlitten-, Ski- oder Snowboardfahrer halten Abstand.
Doch es bleiben andere Probleme, etwa der „Schlitten-Friedhof “am Fuß der Rodelpiste. Hier wurden mehrere kaputte Plastikschlitten einfach zurückgelassen. „Wegen solcher Trottel werden dann Hänge gesperrt“, ärgert sich ein Vater. Wenige Meter entfernt steht eine große Tanne, die bisweilen als Ersatztoilette herhalten muss. „Das ist der PipiBaum“, scherzt eine junge Mutter.
Von den Mahnungen aus der Politik, zu Hause zu bleiben, halten die Besucher hier wenig. „Ich fühle mich draußen beim Rodeln deutlich sicherer, als beim Einkaufen im Supermarkt,“sagt ein Mann. Seine Frau pflichtet ihm bei und ergänzt: „Ich finde, man sollte gerade den Kindern den Spaß gönnen.“Wenn es vor Ort klappe, dass die Regeln eingehalten werden, sei das doch kein Problem. Eine ältere Dame, die den Skihang in Donnstetten schon lange kennt, sieht das ähnlich: „In den vergangenen Jahren lag hier nie so viel Schnee. Deshalb muss man das doch ausnutzen.“
Ohnehin ist in Donnstetten an diesem Samstag deutlich weniger los als noch in den Wochen zuvor. „Es scheint so, als würden die Leute die Appelle aus der Politik doch ernst nehmen“, schätzt Bürgermeister Matthias Winter. Rund 50 Kilometer weiter, in Sonnenbühl, hat sich die Lage ähnlich positiv entwickelt. „Wir haben nicht weniger Gäste, aber das Geschehen hat sich wunderbar verteilt“, sagt Ulrike Müller, die den Tourismus in der Gemeinde leitet. Anfang Januar hatte sie eine Videobotschaft aufgenommen, um die Ausflügler zu sensibilisieren. „Ich verstehe ja den Drang, den Tag im Schnee zu verbringen. Aber wir müssen der Natur und den Feldern eine Verschnaufpause gönnen“, so Müller. Sie mache sich jeden Tag ein Bild von der Situation und sei begeistert davon, wie achtsam die Besucher inzwischen seien.
Auch auf dem Witthoh, dem südlich von Tuttlingen gelegenen beliebten Erholungsgebiet, hielt sich der Besucherandrang am Samstag und Sonntag in Grenzen. Gegen Mittag waren dort etwa 150 bis 200 Personen zugegen. Der Skilift, der seit einigen Jahren in Privatbesitz ist, ist ebenso wenig in Betrieb wie die Skihütte. Da die Parkplätze nicht vom Schnee geräumt waren, konnten Autofahrer dort nicht parken und fuhren wieder heim. Augenzeugen berichten von einer Schlägerei, deren Beteiligte die Polizei verwarnen und auseinanderhalten musste. Einzig auf den Loipen kamen Langläufer auf ihre Kosten. Aber auch dort waren nur wenige Menschen unterwegs.
Anders im Schwarzwald: Dorthin zog es am Samstag erneut zahlreiche Ausflügler. Die Schwarzwaldhochstraße musste am Vormittag für etwa eine Stunde gesperrt werden, sagte eine Sprecherin der Polizei in Offenburg am Samstag. Allerdings gab es auch dort nicht derartig chaotische Zustände wie in den Wochen zuvor: Die Parkplätze seien zwar relativ voll, ansonsten sei aber alles im grünen Bereich gewesen, so die Sprecherin.
Immer voller wird am Samstagnachmittag auch der Parkplatz in Donnstetten. Freie Lücken gibt es jetzt nur noch wenige und die Autofahrer parken immer abenteuerlicher. Ein findiger Geschäftsmann nutzt die Situation und fährt mit einem roten Transporter langsam durch die Reihen der Autos. „Wollen Sie einen Sack Kartoffeln kaufen“, fragt er breit grinsend jeden Menschen, den er passiert. Und siehe da: Die Taktik geht auf. Viele der Wintersportler greifen gern zu.
Der Bürgermeister von Römerstein, Matthias Winter, zieht am Abend ein verhalten positives Fazit. „So wie es heute lief, war es okay“, sagt er. Für sein persönliches Empfinden, seien es immer noch zu viele Menschen gewesen, aber die Besucher hätten sich überwiegend an die Regeln gehalten. „Das Konzept, den Skilift stundenweise zu vermieten, scheint auch aufzugehen“, so Winter weiter. Der besondere Corona-Betrieb des Lifts sorge dafür, dass auf der Skipiste nur wenig los sei und sich der Rest auf dem breiten Hang daneben verteile. Vor dem Wochenende hatte Winter noch mit dem Gedanken gespielt, im Zweifelsfall Orte in seiner Gemeinde sperren zu lassen. Doch das sei vorerst nicht nötig: „Wenn es zukünftig so bleibt, sehe ich keinen Anlass für schärfere Maßnahmen.“