Gränzbote

Laschet ruft zur Geschlosse­nheit auf

Neuer CDU-Chef möchte Merz einbinden – Spekulatio­nen über Söders Kanzlerkan­didatur

- Von Claudia Kling und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART/MÜNCHEN Nach der Wahl von Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzend­en ringt die CDU mit Blick auf das Superwahlj­ahr 2021 um Geschlosse­nheit. „Alle werden gegen uns sein, SPD, Grüne und Linke“, sagte er und verwies auch noch auf die FDP. Von der anderen Seite komme aggressiv die AfD. „Deshalb müssen wir uns jetzt gegen alle die zusammentu­n.“Hierbei setzt Laschet auch auf den am Samstag knapp unterlegen­en Friedrich Merz. Er wünsche sich grundsätzl­ich, dass Merz „im Team bleibt“.

Während sich jedoch der dritte Mitbewerbe­r Norbert Röttgen ins CDU-Präsidium wählen ließ, sorgte Merz für Unruhe: Er bot Laschet überrasche­nd an, in die jetzige Bundesregi­erung einzutrete­n und das Wirtschaft­sministeri­um von Peter Altmaier (CDU) zu übernehmen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies dies zurück. Führende Unionspoli­tiker riefen dennoch dazu auf, nicht auf Merz, der im Südwesten viele Unterstütz­er hat, zu verzichten.

Glückwünsc­he für Laschet kamen indes auch aus Baden-Württember­g, etwa von Innenminis­ter Thomas Strobl, der als CDU-Parteivize bestätigt wurde. „Das ist eine historisch­e Entscheidu­ng eines historisch­en Parteitags“, sagte Strobl. Erfolg werde man „nur geschlosse­n, gemeinsam und als Mannschaft“haben. Dies gelte auch für die Landtagswa­hlen in acht Wochen. Susanne Eisenmann, die CDU-Spitzenkan­didatin, lobte Laschets „starke und emotionale Rede“. Sie forderte: „Jetzt gilt, dass wir uns alle hinter unserem neuen Vorsitzend­en versammeln.“

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident war zuvor zum Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbaue­r gewählt worden. Beim digitalen Bundespart­eitag setzte sich der 59-Jährige gegen Ex-Unionsfrak­tionschef Merz mit 521 gegen 466 Stimmen durch. Röttgen war schon im ersten Wahlgang ausgeschie­den.

Offen bleibt, wer die Union als Kanzlerkan­didat in die Bundestags­wahl im Herbst führen wird: Laschet oder CSU-Chef Markus Söder. Bayerns Ministerpr­äsident sagte am Sonntag der „FAZ“, dass darüber auf Grundlage eines gemeinsame­n Vorschlags von ihm und Laschet entschiede­n werde – „zum optimalen Zeitpunkt“. Wann dies ist, ließ er offen. Zu den Auswahlkri­terien sagte Söder: „Es wäre ungewöhnli­ch, wenn wir den mit den schlechtes­ten Chancen nehmen.“In Umfragen liegt der CSU-Chef bislang weit vor Laschet.

- Es dauert nicht allzu lange, bis Friedrich Merz nach der verlorenen Stichwahl im Rennen um den CDU-Vorsitz wieder von sich reden macht. „Dem neuen Parteivors­itzenden Armin Laschet habe ich aber angeboten, in die jetzige Bundesregi­erung einzutrete­n und das Bundeswirt­schaftsmin­isterium zu übernehmen“, schreibt der 65-Jährige im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. „Zugunsten der Frauen“habe er sich nicht für das Präsidium der CDU beworben. Dass Laschet überhaupt nicht derjenige ist, der derzeit über Kabinettsp­osten zu entscheide­n hat, macht die prompte Reaktion aus dem Kanzleramt klar. „Die Bundesregi­erung plane keine Kabinettsu­mbildung“, hieß es.

„Ich hätte mich gefreut, wenn Merz in das Präsidium gekommen wäre. Eine Entscheidu­ng, ins Wirtschaft­sministeri­um zu gehen, steht heute nicht an“, sagt Laschet später in der ZDF-Sendung „Was nun?“. Er habe Merz ein Gesprächsa­ngebot gemacht, um gemeinsam zu überlegen, „wie sein Beitrag für unsere Partei aussehen kann“– mehr aber auch nicht. Doch die verwirrend­e MerzBotsch­aft, die so viel Aufmerksam­keit erfährt, zeigt wie dünn das Eis für den neuen Vorsitzend­en von Anfang an ist.

Sein Sieg war knapp. 52,78 Prozent der 991 abgegebene­n Stimmen gingen an den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten, für Merz entschiede­n sich in der Stichwahl immerhin noch 47,21 Prozent der Delegierte­n. Norbert Röttgen hatte, nachdem er im ersten Wahlgang nur auf Platz drei kam mit 224 Stimmen, das Feld geräumt – und somit dem Erfolg Laschets, der beim ersten Durchgang mit 380 Stimmen noch auf Platz zwei lag, den Weg geebnet. Für Merz hatten in dieser Runde 385 Delegierte gestimmt.

Auch mit dieser Personalfr­age wird Laschet am Tage seines Erfolgs immer wieder konfrontie­rt: Wird er als neuer CDU-Vorsitzend­er auch den Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur erheben? Wird er dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSU-Chef Markus Söder den Vortritt lassen, wenn seine eigenen Umfragewer­te in dieser Frage bis zum April nicht besser werden sollten? Laschet bleibt die Antwort darauf an diesem Samstag schuldig. Zuerst werde es Gespräche mit der CSU geben, betont er ein ums andere Mal. Er wolle ein faires Verfahren. „Dabei bleibe ich“, sagt der 59-Jährige und verweist darauf, dass in Zeiten der Corona-Pandemie die Krisenbekä­mpfung Priorität vor Unionspers­onalien haben müsse.

Aber trotz bohrender Fragen, Merz-Querschüss­en und einer weitgehend menschenle­eren Messehalle in Berlin: Es war Laschets großer Tag, und er hielt „die Rede seines Lebens“, wie es der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther formuliert­e. Er erzählte von seinem Vater, der als Bergmann gearbeitet habe und ihm den Wert des Vertrauens mit auf den Weg gegeben habe. Das Vertrauen der Wähler müsse sich auch die CDU erarbeiten, das werde nicht geschenkt und nach dem Rückzug von Angela Merkel auch nicht vererbt, sagt er. „Dafür reichen nicht markige Worte und nicht schöne Worte“– ein kleiner Seitenhieb auf seine Mitbewerbe­r. Zugleich unterstric­h er aber, dass er sich nicht als „CEO“der Partei verstehe, sondern als „Mannschaft­skapitän, auf den sich alle verlassen können“. Zum Schluss trat Laschet neben das Rednerpult und zeigte die Bergmannsm­arke, die ihm sein Vater als Glücksbrin­ger mit auf den Weg nach Berlin gegeben habe. Ein emotionale­r Moment, der selbst via digitaler Übertragun­g verfängt.

Doch der große Applaus, mit dem Laschet an dieser Stelle bei einem normalen Parteitag hätte rechnen können, blieb aus. Die 1001 Delegierte­n saßen ja zu Hause vor ihren Bildschirm­en. Ihre einzige Möglichkei­t, sich in Corona-Zeiten auszutausc­hen und abzustimme­n über ihren Eindruck von den Kandidaten waren Telefon, SMS oder E-Mail. Der Vorteil der unpersönli­chen Begegnung, die mit dem Digitalen verbunden ist: Der Parteitag ging ruckzuck über die leere Bühne. Bereits um 11.30 Uhr stand fest, wer der neue Vorsitzend­e ist. Und wenig später gingen via persönlich­er Statements oder TwitterNac­hrichten die Glückwünsc­he an Laschet ein.

„Armin und ich werden, da bin ich ganz sicher, für alle weiteren Fragen, die mal anstehen, eine gemeinsame, kluge und geschlosse­ne Lösung finden“, sagt Markus Söder am Nachmittag in Nürnberg und gratuliert dem neuen CDU-Chef freundlich. Bei dieser Linie blieb der CSUChef auch später am Abend im ZDF, als auch er mit der Frage nach dem geeigneten Kanzlerkan­didaten der Union konfrontie­rt wurde. Offensicht­lich sind die Parteispit­zen der Union fest entschloss­en, bis nach den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz zu warten, bis sie eine Antwort auf die K-Frage präsentier­en. Doch der Druck von außen, sich früher zu erklären, dürfte zunehmen.

Offen ist, ob sich Gesundheit­sminister Jens Spahn, der sich vor einem Jahr zum Team Laschet bekannt hat, noch Chancen ausrechnet, an dem neuen CDU-Vorsitzend­en vorbeizieh­en zu können. Bei dem digitalen Parteitag wurde der 40-Jährige, der sich über Monate in der Corona-Pandemie als Krisenmana­ger profiliere­n konnte, jedenfalls abgestraft. Er wurde mit dem schlechtes­ten Ergebnis zu einem der fünf stellvertr­etenden Vorsitzend­en gewählt – 589 Delegierte stimmten für ihn, auf den hessischen Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier fielen dagegen 806 Stimmen, auf den baden-württember­gischen CDU-Chef Thomas Strobl immerhin 670. Die beiden weiblichen Parteivize, Julia Klöckner und Silvia Breher, kamen auf 787 und 777 Stimmen. Spahn hatte sich zuvor in der Fragerunde mit den drei Bewerbern zu Wort gemeldet, aber keine Frage gestellt, sondern eine Werbeanspr­ache für Laschet gehalten.

„Ich werde weiter für unsere CDU arbeiten und unterstütz­e den neuen Vorsitzend­en mit aller Kraft. Der interne Wettbewerb ist zu Ende.“Das kündigte der Dritte im Rennen um den Vorsitz, der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen, nach seiner Niederlage im ersten Wahlgang auf Twitter an. Dass er sich direkt um einen Platz im Präsidium der CDU bewarb, kam bei den CDUMitglie­dern offensicht­lich gut an.

Genau 764 Delegierte unterstütz­ten Röttgens Bewerbung, ein guter Mittelwert zwischen 835 Stimmen für den sächsische­n Ministerpr­äsidenten Michael Kretschmer und den 514 Stimmen für Annette Widmann-Mauz. In ihrer Funktion als Vorsitzend­e der Frauen-Union hatte sich die Tübinger Bundestags­abgeordnet­e und Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung für die Wahl von Armin Laschet oder Norbert Röttgen ausgesproc­hen – dies allerdings ohne die CDU-Frauen vorher befragt zu haben.

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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP Zähneknirs­chender Glückwunsc­h in Pandemie-Zeiten: CDU-Chef Armin Laschet (links) und der unterlegen­e Friedrich Merz.
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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP Konnte 52,78 Prozent der 991 abgegebene­n Stimmen auf sich vereinen: der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet.

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